Diagnose zieht mich runter

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

Leuchtkäfer

Beitrag von Leuchtkäfer »

Hallo zusammen,

Danke für die schönen Antworten, ich habe mich echt gefreut.

@Diagnose: Ja, es ist wohl so, daß es egal wäre, welche Diagnose es ist, ich hätte immer so reagiert. Ich glaube schon, daß ich akzeptiert habe, krank zu sein, ich denke nur immer noch, ich bin selber Schuld und hätte, es früher erkennen sollen, daß was unrund läuft, mich mehr zusammen nehmen sollen, mich früher jemandem anvertrauen sollen und, und, und.
Da schaffe ich es auch noch nicht diese Zweifel der Krankheit zuzuschreiben und nicht mir als Person. Das gehört wohl dazu, liebe Marika, wie Du geschrieben hast.

@Genießen: Ja, ich versuche das jetzt. Denn das ist es ja, was mir an der Anfangszeit gefehlt hat. Ich hoffe, daß das irgendwann diese erste Zeit unwichtig im Vergleich zum hoffentlich langen Leben mit meinem Sohn wird und versuche, schöne Momente bewußt zu erleben.

@Versagen: Liebe Amoebe, das ist ja toll, daß Du sagen kannst, trotz Erkrankung im letzten Jahr nicht versagt zu haben. Ich bin mir ziemlich sicher, daß man das objektiv von mir auch sagen würde, ich kann es aber über mich nicht. Ich sehe immer nur, was ich an mir nicht mag und -zack- ist die Gedankenspirale da: Das und das läuft nicht gut, also stelle ich alles in frage, weil ich unfähig bin und versage.
Das Anstrengende daran ist, daß ich selber sehr wohl merke, daß das Quatsch ist und daß ich gar nicht perfekt sein will. Eben wie jeder mit Ecken und Kanten, davon hatten wir es schon. Und das facht alles nur nich mehr an. So nach dem Motto: Nicht mal das Nicht-Perfekt-Sein-Wollen kannst Du nicht, dann bist Du wohl WIRKLICH eine Veragerin.

Was für ein blöde SPirale!

Ich denke übrigens schon mein Leben lang, ich muß bestraft werden, wenn ich mich auf etwas sehr freue. Ich finde das traurig und schade, weil Freude doch etwas Schönes sein kann...

@Anpacken/Trauern: Im Moment hält es sich die Waage. An einem Tag mehr das Eine, dann das Andere. Ist für mich noch o.k. so.

Nochmal Danke an Euch. Ich freue mich immer so, wenn ich Antworten lese, es ist schn, verstanden zu werde.

Gute Nacht von Leuchtkäfer
mici

Beitrag von mici »

Was ist eigentlich mit den Frauen, die (angeblich) keine "Anpassungsstörungen" haben?! Das heißt doch, dass sie sich gut "anpassen" können, oder? *gähn* Also, da möchte ich plötzlich gar nicht mehr tauschen, wenn ich mir das so vorstelle. Hab auch enorme Anpassungsstörungen, nicht nur im Bezug aufs Kinderkriegen, sondern eigentlich in fast allen Lebensbereichen, aber das Gegenteil wäre mir auch zu langweilig, muss ich sagen. Oder anders: Menschen, die keine Schwierigkeiten haben, sich neuen Lebenssituationen anzupassen, sind doch irgendwie auch langweilig, oder? Jedenfalls sind sie mir suspekt. Der "goldene Mittelweg" wäre natürlich mal wieder schön, aber das klingt jetzt auch irgendwie langweilig, finde ich. Schade nur, dass "Anpassungsstörungen" so anstrengend sind, man eckt halt überall an. Wenn das nicht wäre, könnte man seine "Störung" fast ein bisschen genießen, so stell ich es mir jedenfalls vor!

Liebe Grüße,

(sonnengebräunt, erholt und hundemüde....... geht´s jetzt ins Bett)

Eure MICI
Deria

Beitrag von Deria »

Hallo Ihr Lieben,

ich habe 100 Diagnosen (naja, nicht ganz so viele, aber, es kommt immer wieder was dazu) und bei den ersten dachte ich: oh Schreck, was für ein häßlicher Name für meinen Zustand!
Ich habe z.B. eine "Generalisierte Angststörung" - ich dachte, das kommt von General: der Oberste sagt mir, ich habe einen Hackenschuss.
Komisch, bis ich dann auch mal googelte.
Das lasst mal schön bleiben, da stehen viele Dinge drin und viele Dinge gehören nicht dazu. Die Umschreibungen sind so gräßlich, damit die Ärzte etwas haben, um Unterstützung zu benennen.

Ich gebe keinen Deut mehr auf Diagnosen, sie ziehen mich runter und ich google dann wie bekloppt und finde - mit Sicherheit - noch die 0,000001 Prozent, die besagen: vll sterbe ich sogar dran.
Ha, das ist das Blöde am Internet!

Es kann die Uhr nicht zurückgedreht werden; es gibt keine Zeitmaschine, die uns zum Zeitpunkt XY wieder zurückbringt oder die Lebensgeschichte auf "Reset".
Es geht um das Heute: heute ist der Tag, den es heißt zu genießen, die Zeit schön zu gestalten (im Rahmen der Möglichkeiten), sich was Gutes tun, vll ein bisschen am Leben erfreuen.
Mit diesen Rückblicken geht doch alles was heute ist kaputt.
Damals war Zustand "A", aus bestem Wissen und Gewissen heraus.
Weil es nicht anders ging.
Heute ist Zustand "B" mit Hintergrundwissen und "hätte ich doch".
Rückblickend kann man immer sagen: wenn aber und vielleicht.
So bekommt man oft in der Trauer um Vergangenes nicht mit, das da ein neuer Zahn wächst, das das Kind plötzlich "Rotationsmaschine" sagt oder dir ein Gänseblümchen abrupft und es dir strahlend hinhält.

Heute ist wichtig.

Lg
Deria
Feebie

Beitrag von Feebie »

Ach, liebes Deria-Schwesterherz,


das hast du schön gesagt. Da kommen glatt ein wenig die Tränchen hoch und ich habe beschlossen dich als nächsten Dalai-Lama vorzuschlagen...

Ich wußte ja immer das du schlau bist, aber das du solche Lebensweisheiten auf Lager hast..., das ist der Hammer.
Und du hast ja soooo recht!

Ich drücke dir die Daumen, das du sie auch bei dir immer mal wieder anwenden kannst.

Knuddel dich!
Feebie
Dobby

Beitrag von Dobby »

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Zuletzt geändert von Dobby am 04:05:2010 1:16, insgesamt 1-mal geändert.
Sas

Beitrag von Sas »

Lieber Leuchtkäfer,

Auch wenn "Anpassungsstörung" für Dich ein blöder Ausdruck ist: es ist wirklich egal, wie man das Kind jetzt tauft, die Behandlung ist die gleiche. Schau mal, bei mir waren die Ärzte sich nicht einig, ob es bei mir eine PPD war oder eine postpartale Psychose. Ich konnte mit beiden Begriffen nicht so wirklich leben. Eine Depression war für mich damals keine Krankheit sondern eine Charakterschwäche. Und eine Psyoche bedeutete für mich das gleiche wie "völlig irre, vielleicht gemeingefährlich". Jawohl, ich gehörte genau zu dieser ignoranten Bevölkerungsgruppe, die dieses Bild von psychisch Kranken hat. Und das obwohl ich es als Sozialpädagogin besser hätte wissen müssen. Das war nämlich ein Thema während meines Studiums und ich habe sogar eine Seminararbeit über Deperessionen geschrieben. Nun, ich wurde durch eigene Erfahrung eines Besseren belehrt. (Ich denke heute, vielleicht mußte ich das durchmachen um endlich was zu kapieren).
Natürlich bist Du nicht bescheuert, Du leidest an einer Krankheit und zwar an einer heilbaren; diese hindert Dich momentan daran, Dich "anzupassen", was überhaupt gar nix mit Blödheit zu tun hat. Sicher, der Heilungsverlauf ist individuell unterschiedlich. Das Du das mit der Schilddrüse im Auge behältst ist schon mal wichtig (bin selbst Hashimoto-Patientin, die SD hat bei meiner Psyche auch eine - untergeordnete - Rolle gespielt). Mit Johannekraut kenne ich mich selbst nicht aus, aber ich habe gehört, dass es mindestens 4 Wochen dauert, bis man anhaltend was merkt (aber ich lass mich darauf jetzt nicht festnageln, da gibt es bessere "Expertinnen"hier!)Und ich weiß jetzt echt nicht, ob Dir das irgendwie hilft, aber Prinzessin Masako von Japan hatte nach der Geburt ihrer Tochter auch eine "Anpassungsstörung". Eigentlich hatte sie wohl eine PPD, aber die Japaner wollten sich wohl "höflicher" ausdrücken...
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