Mein Weg aus der Hölle (sehr lang)

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minoo

Mein Weg aus der Hölle (sehr lang)

Beitrag von minoo »

Unser Kind kam an einem Mittwoch im Herbst 2008 zur Welt. Es war ein geplantes Kind, also ein sogenanntes „Wunschkind“. Die Schwangerschaft war eine so genannte „Musterschwangerschaft“ – so, wie es sich jeder wünscht und ich hab sie bekommen. In der Schwangerschaft konnte ich noch alles erledigen, was zu erledigen war, inklusive meine Doktorarbeit – die Abschlussprüfung sollte dann folgen, sobald unser Kind auf der Welt war, sozusagen als Ansporn und etwas Abwechslung vom Alltag. Ich war noch nie so gut aufgelegt, wie während der Schwangerschaft…

Ich hab mich ausführlich auf die Schwangerschaft, auf die Geburt und auf die Zeit danach vorbereitet, hab etliche Bücher gelesen, alles eingekauft, was nötig war, hatte sogar eine eigene Hebamme, die mich vor, während und nach der Geburt betreut hat. Das Kinderzimmer war fix und fertig hergerichtet und der Kühlschrank und Tiefkühler war knallvoll – inklusive der viel gerühmten Hühnersuppe zur Stärkung danach.
Vielleicht hätte ich wissen müssen, dass das alles zu perfekt war
…
Trotzdem hatte ich natürlich auch Angst vor dem was kommt. Keiner im näheren Bekanntenkreis hatte bis dahin ein Kind bekommen, ich war sozusagen die 1. die da „durch“ musste. Und so hab ich vorsorglich auch ein Buch mit dem Titel: „So beruhige ich mein Kind“ gelesen. Während dem Lesen dachte ich oft, was mach ich nur, wenn ich ein Schreikind krieg? Das war die einzige Angst, die ich wirklich hatte.

Ich kann nicht sagen, dass ich mich auf die Geburt gefreut hab. Weniger, weil ich davor Panik hatte, welche Schmerzen das sind oder ob es Komplikationen geben könnte, sondern eher deshalb, weil ich wusste, dass sich danach mein gesamtes Leben ändern würde und ich nicht wusste, wie gut ich damit klarkommen würde. Deshalb war es mir auch ganz recht, dass sich unser Kind mit der Geburt noch etwas Zeit ließ.
Drei Tage nach dem Geburtstermin war es dann soweit, die Wehen setzten ein um 1 Uhr Früh, fünf Stunden später war unsere Tochter geboren. Auch das verlief völlig ohne Komplikationen und ich war dennoch froh, eine eigene Hebamme zu haben – vielleicht ging es grad deshalb so reibungslos über die Bühne.

Die Kleine wurde mir unmittelbar nach der Geburt auf den Bauch gelegt und ich weiß noch genau, was ich mir damals gedacht hab: so, jetzt ist es da und mein Leben zu Ende. Nicht, mein Gott, ist sie schön, jetzt wird alles gut oder jetzt sind wir endlich eine Familie!
Ich weiß nicht, wieso ich das gedacht habe – vielleicht war es eine böse Vorahnung. Ich empfand keine Liebe für das Kind, aber darauf war ich vorbereitet. Schließlich hatte ich etliche Bücher gelesen, wo das drin stand. Aber was noch trauriger war: ich empfand NICHTS.
Die Tage im Krankenhaus waren ein Auf und Ab, so wie bei jedem, denk ich. Teilweise empfand ich es als sehr angenehm, dass immer jemand da war, andererseits bekam ich von jedem teilweise gegenteilige Ratschläge. Ich wollte unbedingt stillen, aber unser Kind konnte die Brust nicht ordentlich fassen und so wurde mir bereits am zweiten Tag ein Brusthütchen verpasst, was meine eigene Hebamme nicht gut geheißen hat. Aber da war ich erstmal froh, dass das Stillen so wenigsten klappte. Als dann die Milch kam, ging es bergab – auch darauf war ich bis zu einem gewissen Grad vorbereitet, auch wenn ich nicht dachte, dass es so schlimm wird – ich dachte: alles normal. So gehört dass – ein Gefühl, das lange nicht mehr von meiner Seite weichen sollte… Denn ich wusste nicht, dass dieses Tal - meine persönliche Hölle - in dem ich mich fortan befinden sollte, nach zehn bis 14 Tage normalerweise wieder vorbei sein sollte… Ist das nicht der Fall, sollte man etwas unternehmen, aber das stand in keinem meiner vielen klugen Bücher…

Am 4. Tag gingen wir nach Hause und das Verhalten unserer Tochter änderte sich schlagartig. Plötzlich wollte sie alle zwei Stunden trinken, es dauerte oft über eine Stunde, bis sie satt war, sie wollte nicht mehr gleich einschlafen, sondern getragen werden, schlief dann nicht mehr zwei Stunden, sondern nur noch maximal 45 Minuten usw usw. Ich ging mit dem Gefühl aus der Klinik, dass wir, wenn wir dann zu Hause sind, endlich eine kleine Familie sind. Lilena war so brav im Krankenhaus, dort schlief sie bis zu vier Stunden, trank kurz und schlief dann wieder. Damals war ich noch überzeugt, dass es mir psychisch bald wieder besser gehen würde und dann wäre alles gut. Dass sich Lilenas Verhalten um 180° änderte, zog mich noch weiter runter, denn plötzlich hatte ich da ein Kind, das ich sowieso nicht kannte und dann wurde von mir verlangt, herauszufinden, was es in dem jeweiligen Moment grade brauchte. Andere Mütter sagen oft, dass sie instinktiv am Weinen ihres Kindes erkannten, was es benötigte. Diese Meinung kann ich nicht teilen. Ich kann mir zwar vorstellen, wenn man ein ruhiges, ausgeglichenes Kind hat, am Weinen erkennt, ob es Hunger hat oder müde ist, aber einfach deshalb, weil entsprechend viel Zeit vergangen ist, um das erahnen zu können. Unser Kind schrie den ganzen Tag (zumindest kam es mir so vor). Wie soll man da noch wissen, ob es grade Hunger hat, müde ist, Bauchweh hat, sie die nasse Windel stört und und und. Ich war einfach komplett überfordert. Ich hab all die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um alle Bedürfnisse zu stillen und dennoch weinte sie.


Mein Mann konnte sich zwei Wochen Urlaub nehmen, aber je näher der Tag seines Wiedereinstiegs in die Arbeit kam, desto mulmiger wurde mir, desto öfter brach ich in Tränen aus und desto mehr verstärkte sich das Gefühl, dass ich das alles nie ohne ihn schaffen würde. Am vorletzten Urlaubstag flehte ich ihn dann heulend an, er möge noch ein paar Tage daheim bleiben, da ich das mit Sicherheit nicht schaffen würde. Obwohl er mir gut zuredete, nahm er sich noch ein paar Tage frei – als ob es das besser gemacht hätte…
Ich kann mich noch erinnern, dass ich die ersten Tage, als er wieder arbeiten ging, jedes Mal heulend am Fenster stand mit dem Kind auf dem Arm und zu ihm runter geschaut hab. Es muß schrecklich für ihn gewesen sein, uns so daheim zu lassen, aber was hätte er machen können?

Es war das eingetreten, was ich befürchtet hab, wir hatten ein Schreikind bekommen, allerdings ein Schreikind, das hauptsächlich bei mir geschrien hat.

Ein paar Tage nachdem wir also allein daheim waren, hab ich meinen Mann in der Arbeit angerufen und ihn angebettelt, er möge heimkommen, denn das Kind schreit seit Stunden und will nicht schlafen. Er kam heim und 5 Minuten später schlief es. Und ich brach erneut in Tränen aus, weil ich mich nur noch unfähig fühlte. Solche Situationen gab es oft und die ersten Wochen hab mich damit verbracht, nicht die Nerven und den Verstand zu verlieren.
In den ersten Wochen musste ich sie circa 5-6 mal am Tag zu schlafen bringen, was jedes Mal bis zu einer Stunde dauern konnte. So kam es, dass ich oft bis zu vier Stunden draußen spazieren war und das bei Minusgraden. Waren wir daheim wollte sie zum Einschlafen grundsätzlich herumgetragen und geschaukelt werden, aber da ich schon vor der Schwangerschaft Rückenprobleme hatte, schaffte ich es einfach nicht, sie so lange herumzuschleppen. Jeder riet mir zum Tragetuch – alle Kinder würden das lieben… Tja, meine hasste es. kann sich jemand, der keine Kinder hat oder Kinder hat, die man einfach in ihr Bett legt oder nach ein bissi schaukeln ganz zufrieden wegdösen, vorstellen, wie es ist, wenn ein Kind nicht schlafen will, auch nicht nach einer Stunde herumgehen, dabei wippen und singen?? Wenn es vor lauter Müdigkeit immer hysterischer wird und nicht mehr nur weint, sondern kreischt? Kann man sich vorstellen, wie es einer Mutter OHNE Depressionen geht, die vor lauter Rückenschmerzen nicht mehr sitzen, nicht mehr stehen und das ganze noch viel weniger mit Kind kann?? Fünf, sechs mal am Tag? Und dann die ganze Vorstellung bei einer Mutter MIT Wochenbettdepressionen. Nicht nur einmal kam es vor, dass ich aus lauter Wut auf das Kind kurz aus dem Zimmer gehen musste und selber laut geschrien hab und gegen die Wand gehämmert hab. Und nicht nur einmal war ich soweit, dass ich mein Kind aus vollem Hals angebrüllt hab, sie solle endlich Ruhe geben und sie unsanft aufs Bett gelegt hab. Im nächsten Moment wurde mir bewusst, was ich getan hab und meine Schuldgefühle wuchsen ins unermessliche. Oft saß ich an ihrem Bettchen (sie lag schreiend drin) und hab sie unter Tränen angefleht, sie angebettelt, sie möge doch endlich schlafen, weil ich einfach nicht mehr kann.

Kaum war sie eingeschlafen, erfasste mich eine Glückswelle, die aber nur kurz anhielt, denn ich wusste, es würde nicht lange dauern und sie würde die Augen wieder aufschlagen und das ganze würde wieder von vorne losgehen.

Ich weiß nicht, wie oft ich in der Zeit selbst weinend neben meinem weinenden Kind gesessen bin, weil ich nicht mehr wusste, was ich noch tun sollte. Wie oft ich aus lauter Erschöpfung geweint hab, als sie dann endlich eingeschlafen war. Und wie oft ich in Tränen ausgebrochen bin, als mein Mann endlich heimgekommen ist und ich mich in mein Bett verkriechen konnte, weil ich dachte, dass mein Leben zu Ende ist. Oft lag ich dann unter der Bettdecke und weinte leise vor mich hin, weil ich nicht mehr konnte, weil ich dieses Leben hasste, mich unfähig fühlte und mir nichts mehr wünschte, als dass ich dieses Kind wieder zurückgeben zu können und mein altes Leben wieder aufnehmen durfte. Ich wollte nicht einschlafen, weil ich wusste, dass so die Nacht und die damit verbundene Ruhe viel schneller wieder vorbei sein würden. Wachte ich dann in der Früh auf, war mein erster Gedanke: NEEEEIN, ich will nicht, ich will nicht zu ihr, bitte lasst mich einfach nur im Bett. Ich wusste, dass auch dieser Tag wieder furchtbar werden würde, ich sie wieder sechsmal oder noch öfter zum einschlafen würde bringen müssen und sie keine Minute einfach nur so daliegen würde um zu schauen, sondern nur schreien würde. Ich musste mich jeden Tag zwingen, aufzustehen. Man kann sich jetzt denken, das kennt doch jeder, der arbeiten geht und aufstehen muß, aber das kann man damit leider gar nicht vergleichen…

Ich hatte in dieser Zeit immer wieder ganz seltsame Gedanken, was ich mit dem Kind machen könnte. Gedanken, von denen ich wusste, dass sie falsch waren, aber ich musste mich dennoch enorm zurückhalten, nichts zu tun. Zum Beispiel stellte ich mir beim Wickeln oft vor, wie es wäre, wenn ich unserer Tochter was in die Scheide stecke. Ich musste dann regelrecht wegschauen und durfte nicht mehr dran denken, sonst hätte ich das getan. Das Wickeln erfolgte dann oft innerhalb von Sekunden, nur um ja nicht in die Versuchung zu kommen. Das tragisch war damals für mich, dass ich zwar wusste, dass ich das nicht tun durfte, aber nicht deshalb, weil ich ihr nicht weh tun wollte – das war mir egal, denn ich empfand nichts für unser Kind. Plötzlich verstand ich jede Frau, die ihr Kind aus dem Fenster schmeißt oder es ertränkt, denn zusammen mit dem Schreien war es eine schier unerträgliche Situation.
Heute weiß ich, dass das ein Teil der Wochenbettdepression bzw. -psychose war. Damals dachte ich nur eins: Meine Gott, was bist du für ein furchtbares Ungeheuer? Schrecklich genug, dass du das Kind nicht liebst, es ist dir noch dazu völlig egal, wenn ihm wehgetan wird!! Es war für mich wie eine Bestätigung für meine längst gereifte Überzeugung eine schlechte Mutter zu sein.


Ich hatte Angst mit meinem Kind rauszugehen. Was sollte ich tun, wenn es zu schreien anfängt? Ich weiß, diese Angst hat irgendwie jeder, aber ich weiß jetzt auch, dass meine Angst anders war. Was sollten die Leute denken, wenn die Mutter ihr eigenes Kind nicht beruhigen kann? Ich kann es nicht beschreiben, und das seltsame ist, dass mein Kind nur ein einziges Mal wirklich draußen geweint hat und da war sie schon älter. Dennoch blieb diese Angst monatelang bestehen. Ich packte immer 1000 Sachen ein, nur um sicherzugehen, dass ich mein Kind ablenken kann, dass genug zu essen da ist usw. Erst jetzt schaffe ich es, auch mal rauszugehen, ohne was dabei zu haben, weil wir in 10 Minuten sowieso wieder daheim sind.
Kurz nachdem mein Mann wieder zu arbeiten begonnen hatte und ich es noch immer nicht geschafft hatte, mit ihr länger als eine ihrer Schlafperioden rauszugehen, bat ich meinen Mann, gemeinsam irgendwo hinzufahren, um zu testen, wie es ist, wenn sie draußen wach wird und wir weiter von daheim weg sind! Er war für mich damals mein Anker, mein Held, der, der den Überblick, die Ruhe und die Zuversicht bewahrte und zu dem ich aufschaute. Er sollte mir zeigen, wie ich mit unserem Kind umgehen musste, damit wir alle heil blieben. Tja, schlief sie sonst höchstens eine dreiviertel Stunde, war sie an dem Tag nach über zwei Stunden noch immer nicht aufgewacht und so fuhren wir wieder heim gemeinsam mit meiner noch immer vorhandenen Angst.
Ich fing an, Mütter zu hassen, die diese ach so braven Vorzeigekinder hatten. Die mit ihnen shoppen, Kaffee trinken oder einfach nur kurz einkaufen gehen konnten. Wie hatten diese Mütter solche Kinder verdient und warum bekam ich eins, das so gar nichts davon machen wollte, wovon mir immer alle so vorgeschwärmt hatten. Viele haben mir gesagt, die Babyzeit wäre die schönste Zeit, denn da würden sie noch so viel schlafen - meine Tochter schlief nie länger als zwölf Stunden über den Tag verteilt, dabei sollten sie doch grade am Anfang viel länger schlafen!? Sie würden noch so ruhig sein und man müsste ihnen nicht nachlaufen oder schauen, dass sie ihre Finger nicht in die Steckdose stecken. Sie würden es genießen zu kuscheln und körperliche Nähe zu spüren…

Einen Monat nach der Geburt fragte mich mein Mann, ob ich nicht mal raus wolle und ich beschloss, mit einer Freundin ins Kino zu gehen. Ich dachte damals, dass mir das schlechte Gewissen auf die Stirn tätowiert sei. Dennoch wollte ich nicht wieder heim – ich bot meiner Freundin an, sie heimzubringen, um noch ein paar weitere Minuten rauszuschinden und als sie schließlich ausgestiegen war, fing ich hemmungslos zu weinen an, weil ich nur einen Gedanken hatte: ich muß zurück in die Hölle.
Daheim meinte dann mein Mann, was ich immer habe, unser Baby wäre doch eh so brav…

Irgendwann bat ich dann meine Mama zu kommen, da ich mich außerstande fühlte, für das Kind zu sorgen. Als es wieder einmal so weit war, das Kind zum schlafen zu bringen und ich nach kurzer Zeit zu weinen begann und sagte: sag mir bitte, wie man das noch einen einzigen Tag aushalten soll?, meinte sie: pack deine Sachen und komm zu uns heim.

Im Nachhinein weiß ich, dass sie instinktiv das einzig Richtige getan hat. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich nicht gegangen wäre. Dennoch, damals beherrschte mich ein einziges riesiges Gefühl: Du hast versagt – auf ganzer Linie. Das, was alle anderen schaffen seit Jahrtausenden, was einem im Blut liegen sollte als Frau, was andere mit 2, 3, 4 Kinder schaffen, schaffst du nicht. Ich kann gar nicht beschreiben, was in der Zeit in mir vorging, denn ich bin eigentlich jemand, für den das Wort „Versagen“ nicht existiert. Man versagt nicht, wenn man sich nur genügend anstrengt. Es war für mich also immer selbstverständlich hart zu arbeiten, aber ich wusste auch, dass das auch meistens belohnt wurde. Und plötzlich wurde ich eines besseren belehrt. Ich konnte tun und machen, was ich wollte, es funktionierte nicht. Ich funktionierte nicht und das war absolutes Neuland für mich. Ich war mir plötzlich in allem unsicher, ich hatte mein „Bauchgefühl“ verloren. Ich hatte in meinem Umfeld niemanden, den ich fragen konnte, der selber ein kleines Kind daheim hatte und mir in diversen Dingen weiterhelfen konnte und so stellte ich all diese Fragen in einem Forum, ich klammerte mich an diverse Bücher, durchforstete das Internet und überlegte, wo ich noch Ratschläge und Weisheiten herbekommen könnte – das führte klarerweise zu noch mehr Unsicherheit…
Ich war dann für einige Zeit bei meinen Eltern und meine Mama hat mir das Kind so viel wie es möglich war abgenommen. Da ich außer stillen und abpumpen (meine Milch wurde dennoch immer weniger) und das Kind zum schlafen bringen, nichts mehr getan hab, beschloss ich, mit dem Stillen aufzuhören. Auch das war mit sehr viel schlechtem Gewissen und mit vielen Schuldgefühlen verbunden.
Aber ab dem Zeitpunkt ging es uns allen deutlich besser. Unser Baby wurde ruhiger, ich wurde etwas ruhiger.

Ich beschloss, eine Liste zu machen, was ich jeden Tag machen musste und dazu gehörte: duschen, mindestens ein mal am Tag etwas Warmes essen (meine Hosen waren mir 3 Wochen nach der Geburt zu weit geworden!), mindestens 10 Seiten in einem Buch lesen (ich liebe lesen) usw usw. Es erschien mir irgendwie wichtig, das ausgedruckt zu haben und jeden Tag ein Hackerl machen zu können, sobald ich wieder in unserer Wohnung war.
Und tatsächlich half das auch. Es wurde immer besser, was aber sicher auch daran lag, dass ich wieder zu Kräften gekommen war, unser Kind älter und damit ausgeglichener wurde und ich besser mit allem umgehen konnte.

Mit der Zeit wurde unser Baby ein kleiner Sonnenschein und bis auf das nächtliche Schlafen hatten wir wirklich alles gut im Griff und da sollte die Geschichte eigentlich enden, schließlich ist das objektiv betrachtet ja ein happy end.
Bei mir nicht.

Alle haben mir immer gesagt, wie lieb unser Kind ist, wie hübsch, wie süß, das kann man ja nur lieben ODER??
Ich hatte meine ganz persönliche Antwort drauf: nein.
Nach außen hin gab ich die liebende Mutter, die fürsorgliche, die, die alles im Griff hatte und sich um alles kümmert. Schließlich konnte ich sogar trotz Kind meine Doktoratsprüfung erfolgreich absolvieren. Das kann doch nur jemand, der alles im Griff hat oder?

Nach der anfänglichen Krise folgte also die Zeit des dunklen Sonnenscheins. Eigentlich wusste ich, objektiv betrachtet passt alles. Meinem Kind geht es gut, es wächst, es gedeiht und lernt dazu. Innerlich bestand ich aus einem einzigen riesigen schlechten Gewissen und erst heute kann ich es formulieren, warum das so war.
Ich liebte dieses Kind nicht. Ich wollte es nicht. Ich wollte mein altes Leben mit aller Macht zurück. Sicher fand ich es lieb, wenn sie mich anlachte, aber nicht mehr, als wenn mich ein fremdes Kind anlacht. Sicher war es süß, wenn es auf mir eingeschlafen war, aber es weckte keine mütterlichen Gefühle in mir.

Und das alles führte dazu, dass ich jede Gelegenheit nutze, um es los zu werden. War mein Mann zuhause ergriff ich die Flucht, sei es ein Arzttermin, ein Treffen mit der Freundin oder anderes. Ich war oft bei meinen Eltern und auch dort war ich kaum zu Hause. Und obwohl ich jedes mal aufatmete, als ich das Haus verlassen konnte, wusste ich in mir drinnen, dass das nicht normal ist. Andere erzählen doch, dass sie ihr Kind kaum allein lassen können und sich immer immens freuen, wieder heimzukommen. Bei mir ist es genau umgekehrt!?

Das führte dazu, dass sich in mir immer stärker das Gefühl breit machte, eine absolut schlechte, unfähige Mutter zu sein. Dieses Gefühl war so mächtig, dass ich nichts anderes mehr sah. Ich erfüllte zwar alle Mutterpflichten nach außen gesehen, aber es war nicht das, was ich fühlte. Ich machte es, weil es von mir gefordert wurde, nicht, weil ICH es so wollte. Egal, was ich tat, ich war mir bei nichts mehr sicher, ob es gut ist, ob ich meine Sache gut mache, denn wie kann man sich einer Sache auch sicher sein, wenn man gar nicht davon überzeugt ist?

Ich fragte mich immer öfter, wie man sich ein zweites Kind wünschen kann! Ich selber wollte immer zwei Kinder, aber wenn mich jemand fragte, wann wir ein zweites wollen, bekam ich einen hysterischen Lachanfall und sagte, dass unseres ein Einzelkind bleiben würde. Ich bewunderte alle, die so einen Zustand (der für mich ja normal war) noch einmal auf sich nehmen – freiwillig…
Meiner besten Freundin hab ich am Anfang sogar ausgeredet, ein Kind zu bekommen. Sie war damals grade am basteln und als ich zum 10. mal meinte: bitte kein Kind, du weißt nicht, worauf du dich da einlässt! meinte sie, sie wolle das nicht mehr hören, denn sie wollen ein Kind, egal, was ich sage.
Dieser Zustand hielt über ein Jahr an bis ich zur Kontrolluntersuchung bei der Frauenärztin bestellt war. Sie fragte mich, wie es mir so gehe, da eine eigentlich geheilte Krankheit erneut bei mir ausgebrochen war. Und da brach ich das erste mal nach Monaten des Zusammenreißens in Tränen aus und erzählte ihr von meiner Überzeugung, eine schlechte Mutter zu sein. Sie riet mir zur Therapie und instinktiv wusste ich, dass das der richtige Weg war. Aber die Therapie, in der es inzwischen überhaupt nicht mehr darum geht, war nur ein Anstoß, mich mit dem Geschehenen auseinander zu setzen. Die Therapeutin erklärte mir viel und gab mir das Gefühl, ganz und gar keine schlechte Mutter zu sein, wenn sie sich anhöre, wie sich unsere Tochter so verhält. Ich hatte das erste Mal das Gefühl, dass sie recht haben könnte und nach einiger Zeit freundete ich mich langsam mit dem Gedanken an, vielleicht doch noch einmal ein Kind zu bekommen. Aber ich wusste auch, dass ich nicht noch einmal durch diese Hölle gehen wollte und so fing ich an, mich damit auseinanderzusetzen, was man dagegen tun kann und stieß nach kurzer Zeit auf das Thema Wochenbettdepression. Bis zu dem Zeitpunkt war mir nicht klar, dass ich so etwas hatte. Ich dachte damals, ich hätte den ganz normalen Babyblues gehabt, den fast jeder hat und alles was danach kam war meine eigene Unfähigkeit kombiniert mit einem Schreikind. Ich kaufte mir ein Buch zu dem Thema und da wurde mir bewusst, dass sie über MICH schreiben!! Das alles traf doch auf mich zu! Bis hin zur (Gott sei Dank nur leicht ausgeprägten) Wochenbettpsychose.
Was war es für eine Erleichterung, zu lesen, dass meine ganzen Gedanken, Gefühle, Taten eine körperliche Ursache hatten. Dass das nicht ICH war, sondern dass die ganze Zeit die Wochenbettdepression aus mir gesprochen hat. Ich kam mir monatelang handlungsunfähig vor, als würde ich neben mir stehen und plötzlich ergab alles einen Sinn. Ich kann nicht beschreiben, wie viele Steine mir vom Herzen gefallen sind. Zum einen, weil ich die Ursache jetzt kannte, weil das bis dahin nicht Greifbare plötzlich einen Namen bekam, zum anderen weil ich erkannte, dass diese ganzen Gefühle, die sich damals in mir manifestiert haben, alle falsch sind - Ich bin und war nie eine schlechte Mutter, ich habe meine Sache instinktiv ausgezeichnet gemacht, das kann jeder sehen, der unser Kind kennt.
Es ist ein sicher gebundenes, fröhliches, aufgewecktes, lernbegieriges Kind, das mich liebt.

Diese Erkenntnis änderte alles in mir. Ich sah meine Tochter plötzlich mit völlig anderen Augen an, nicht mehr durch den Schleier der Unsicherheit, des schlechten Gewissens. Und damit kam auch schlagartig die Mutterliebe – sie überrollte mich so heftig, dass ich kaum Luft bekam. Ich begriff, dass sie die ganze Zeit da war, in mir drin, aber gut versteckt und zurückgezogen, um sie nur ja nicht zuzulassen.
Heute kann ich sagen, dass ich mein Kind mit jeder Faser meines Herzens liebe und nun weiß ich auch, warum man so was noch einmal erleben möchte, denn es gibt tatsächlich nichts Schöneres auf dieser Welt. Eine meiner besten Freundinnen hat mir vor kurzem gesagt, sie habe gerade das erste mal erlebt, dass ich voller Liebe und Freude über unsere Tochter rede, das ist mir Bestätigung genug, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Jetzt bekommen nach und nach Freundinnen Kinder und ich sehe, wie komplett anders es laufen kann im Vergleich zu mir!

Und dann tut es mir soooooooooo weh und leid, dass es bei mir anders war, denn ich hab damit ganz viel von unserem Kind versäumt. Ich war physisch zwar fast immer da, aber mit liebenden Augen sieht man alles viel intensiver, achtet auf mehr. Die haben mir gefehlt und das tut enorm weh.
Und es hat mein Leben nicht nur in der Anfangszeit massiv beeinträchtigt. Es hält bis jetzt an. Was andere als Selbstverständlich betrachten, ist für mich oft noch eine große Überwindung. Nach wie vor kann ich nur selten vom Plan abweichen, den wir uns damals erarbeitet haben – zum Beispiel, wenn es ums Schlafen geht oder Rituale. Damals haben diese mir enorm geholfen, ein wenig Struktur ins neue Leben zu bekommen, etwas zu haben, woran ich mich festhalten konnte.

Inzwischen bin ich zu einer der Mütter geworden, die glauben, dass ihr Kind das erste auf der Welt ist, das zum Beispiel eine Banane selber aufmachen kann. Dann zerplatze ich fast vor Stolz und wundere mich, warum das nicht jeder im Umkreis von 10km bestaunt. Inzwischen finde ich, dass ich das allerschönste und süßeste Kind auf der ganzen Welt habe und frage mich, ob man ein zweites auch so sehr lieben kann. Inzwischen gibt es meinem Herz einen Stich und ich beginne zu weinen, wenn ich Lilena zur Tagesmutter bringe und sie beim Verabschieden weint. Noch vor einem halben Jahr konnte ich dieses Gefühl nicht nachvollziehen. Ich konnte damals auch kaum nachvollziehen, wie zum Beispiel meine Mama, also ihre Oma, unsere Tochter so abgöttisch anhimmeln kann. Wie kann das gehen, wenn nicht mal die eigene Mama so empfindet, das kann doch nur gespielt sein, oder??
Heute wundere ich mich, wenn jemand unser Kind NICHT anhimmelt…

Es dauert sicher noch länger, bis ich an das 1. Jahr meiner Tochter zurückblicken kann und die Erinnerung sich nicht sofort dunkel verfärbt, aber es ist schon viel geschafft und nun kann ich auch aus voller Überzeugung sagen: Ich bin ich eine absolut gute Mutter. Nicht vollkommen perfekt, aber perfekt genug für meine Ansprüche und die unserer Tochter.

Es ist jetzt sehr lang geworden, aber vielleicht kann ich mit meiner Geschichte auch etwas Mut machen – dass es nämlich einen Weg aus der Dunkelheit gibt! Aber man muß den Mut haben, sich Hilfe zu holen – auf welche Weise auch immer.
Danke fürs Zuhören und Lesen!
Birdee

Beitrag von Birdee »

Hallo minoo ,

herzlich willkomen bei uns :P

Deine Geschichte hat mich sehr berührt...umso schöner ,dass es dir heute so viel besser geht :P

Deine Geschichte wird vielen Mut geben ,durchzuhalten!

Ich bin vor vier Jahren durch die Hölle gegangen , zur Zeit geht es mir sehr gut...dank eines AD :wink:

Momentan reduziere ich gerade und bin etwas "angespannt"

Wie auch immer : schön ,dass du hier bist ,


lieben Gruß ,

Birdee :P
bambam

Beitrag von bambam »

Hallo Minoo!

Deine Geschichte hast du sehr eindrucksvoll beschrieben - und in 1000 Dingen erkenne ich mich wieder (Schreibaby...)!

Es war sooooo schön zu lesen, wie dir plötzlich bewußt wurde, dass du dein Kind mit jeder Faser deines Herzens liebst - und es vorher nur nicht "gesehen" hast...! (Dies blieb mir zum Glück erspart - und ich danke Gott heute noch dafür!!!)

Und? Wie sieht es aus mit einem 2. Kind?! :wink:


Ganz liebe Grüße,
Bambam
minoo

Beitrag von minoo »

Birdee hat geschrieben:Hallo minoo ,

herzlich willkomen bei uns :P

Deine Geschichte hat mich sehr berührt...umso schöner ,dass es dir heute so viel besser geht :P

Deine Geschichte wird vielen Mut geben ,durchzuhalten!

Ich bin vor vier Jahren durch die Hölle gegangen , zur Zeit geht es mir sehr gut...dank eines AD :wink:

Momentan reduziere ich gerade und bin etwas "angespannt"

Wie auch immer : schön ,dass du hier bist ,


lieben Gruß ,

Birdee :P
danke!
ich finds nur sehr schade, dass ich das forum nicht schon früher gefunden hab bzw. leute, denen es auch so ging.
und bis heute versteh ich nicht, warum nie aus dem umfeld jemand gesagt hat, dass irgendwas mit mir nicht stimmt. oder warum ich nicht geschnallt hab, dass das alles völlig falsch läuft....

wie war das bei euch? seid ihr selber drauf gekommen oder hat euch jemand was gesagt?

alles gute beim reduzieren!!
minoo

Beitrag von minoo »

bambam hat geschrieben:Hallo Minoo!

Deine Geschichte hast du sehr eindrucksvoll beschrieben - und in 1000 Dingen erkenne ich mich wieder (Schreibaby...)!

Es war sooooo schön zu lesen, wie dir plötzlich bewußt wurde, dass du dein Kind mit jeder Faser deines Herzens liebst - und es vorher nur nicht "gesehen" hast...! (Dies blieb mir zum Glück erspart - und ich danke Gott heute noch dafür!!!)

Und? Wie sieht es aus mit einem 2. Kind?! :wink:


Ganz liebe Grüße,
Bambam
danke fürs zuhören!
ich muß dazu sagen, dass ich, als ich erkannt hab, dass mit mir wirklich was nicht stimmt, irgendwann angefangen hab zu schreiben - ich wollte dieses 1. jahr nochmal durchgehen/aufarbeiten und da sind mir diese 1000 dinge (von denen du auch schreibst) eingefallen und immer mehr wurde mir bewußt, dass ich wirklich krank war.
das aufzuschreiben tat unglaublich gut, weil ich damit viel sch... aus mir rausbefördert hab.
deshalb wurde aber meine vorstellung auch so lange :)

inzwischen kann ich mir vorstellen, nochmal ein kind zu bekommen, aber noch nicht jetzt.
ich genieße meine tochter im augenblick einfach unglaublich - das, was viele vom 1. moment an haben, hat bei mir erst vor kurzem begonnen. einfach die freude am kind :D - du hattest das trotz ppd?
deshalb möcht ich jetzt noch warten.
Leuchtkäfer

Beitrag von Leuchtkäfer »

Hallo Minoo,

auch von mir herzlich Willkommen.

Ich fand Deine Geschichte sehr gut geschrieben und sehr traurig. Du hast so viel gelitten, vieles davon vielleicht unnötig, weil Du einfach nicht wußtest, was mit Dir los ist.

Ich kenne vieles von dem, was Du schreibst, sehr gut. Gerade der erste Moment nach der Geburt war bei mir genauso. Ich habe nur gedacht: Jetzt ist er da und nun?

Es ist gut, daß Du Dich damit auseinander setzt, wie die erste Zeit mit Deiner Tochter war. auch ich habe intensiv um diese erste, irgendwie emotional verloerene Zeit getrauert und langsam heilt alles in mir.
Da muß jede ihren Weg finden, was da guttut.

Vielleicht hilft Dir ja auch der Austausch hier.

Liebe Grüße von Leuchtkäfer
Juliane

Beitrag von Juliane »

Liebe Minoo,

herzlich willkommen hier. Schön, dass du da bist.

Ein Bericht wie deiner berührt mich sehr tief, denn ich denke, genau den gleichen Wortlaut hätte ich über meine Geschichte schreiben können.

Viele Frauen hier haben genau das selbe erlebt und doch ist es immer wieder erstaunlich bzw. erschreckend wie ähnlich sich das doch alles ist.

Ich freue mich, dass es dir nach dem harten 1. Jahr (so beschreibe ich es für mich immer) endlich besser geht. Bei mir hat es auch so lang gedauert bis es merklich besser wurde.

Und ich finde es toll, wie offen und ehrlich und detailliert du deine Gedanken niederschreibst, denn ich denke, vielen fehlt dafür der Mut - aber wenn man das Kind beim Namen nennt, verliert es seinen Schrecken.
Birdee

Beitrag von Birdee »

Hallo minoo ,

bei mir hat -zum Glück-meine Hebamme sofort gemerkt ,dass etwas total falsch läuft!

Die kannte solche "Fälle" wie mich.

Bei mir fing die PPD drei Tage nach der Geburt an...Hölle....mit Panikattacken und so weiter :cry:

Meine Hebamme hat mich gleich in die Psychiatrie "verfrachtet".
Dort wurde mir super geholfen :P

Rückfälle und erneute Aufenthalte gab es auch ,heute geht es mir aber super :P

Meinen Sohn habe ich -Gott sei Dank- vom ersten Tag an geliebt!
Das hat mir bestimmt vieles erleichtert.

Lieben Gruß ,


Birdee
minoo

Beitrag von minoo »

Birdee hat geschrieben:Hallo minoo ,

bei mir hat -zum Glück-meine Hebamme sofort gemerkt ,dass etwas total falsch läuft!

Die kannte solche "Fälle" wie mich.

Bei mir fing die PPD drei Tage nach der Geburt an...Hölle....mit Panikattacken und so weiter :cry:

Meine Hebamme hat mich gleich in die Psychiatrie "verfrachtet".
Dort wurde mir super geholfen :P

Rückfälle und erneute Aufenthalte gab es auch ,heute geht es mir aber super :P

Meinen Sohn habe ich -Gott sei Dank- vom ersten Tag an geliebt!
Das hat mir bestimmt vieles erleichtert.

Lieben Gruß ,


Birdee
panikattacken hatte ich gott sei dank nur sehr leicht ausgeprägt.
aber was mich im nachhinein so entsetzt: ich hatte auch eine eigene hebamme, die mich auch noch wochen danach besucht hat. einmal stand ich in der tür als sie kam und brach sofort in tränen aus und hab ihr von meinen ängsten erzählt.
aber sie hat nie was gesagt!!!
eine freundin von mir hatte sie jetzt auch als hebamme und auf die frage, wie denn das so mit den wochenbettdepressionen ist meinte die hebamme, dass das fast nie vorkommt und auch nicht so schlimm ist - das wäre nur der übliche babyblues :shock:

bis dahin dachte ich immer, ich hätte die beste hebamme der welt gehabt, aber jetzt weiß ich, dass sie in der nachbetreuung versagt hat (zumindest bei mir)... wer, wenn nicht sie, hätte das sehen müssen oder lieg ich da falsch?
farah

Beitrag von farah »

Hallo minoo,

bin auch recht neu hier, lieben Dank, dass du uns an deinem Schicksal teilhaben lässt. Du hast deine Geschichte so eindrucksvoll beschrieben, dass ich geweint habe, weil ich mich so sehr darin wiedergefunden habe.

Ich finde es großartig, dass du deine Tochter jetzt mit anderen Augen siehst. Mit den Augen einer tollen Mama. Ich hoffe, mir wird es einmal genauso ergehen, denn die Geburt liegt mittlerweile schon fast zwei Jahre zurück und ich habe das Gefühl, ich werde diese Zeit nie wieder aufholen können und mein Kind wird in mir eine Fremde sehen, eine Frau, die zwar da ist und "Mama" heißt, aber mit der es nichts anfangen kann und zu Papa flüchten wird. So läuft fast jeder Tag, es sind keine Gedanken, es ist die Realität.

Liebe Grüße von der traurigen Farah
minoo

Beitrag von minoo »

farah hat geschrieben:Hallo minoo,

bin auch recht neu hier, lieben Dank, dass du uns an deinem Schicksal teilhaben lässt. Du hast deine Geschichte so eindrucksvoll beschrieben, dass ich geweint habe, weil ich mich so sehr darin wiedergefunden habe.

Ich finde es großartig, dass du deine Tochter jetzt mit anderen Augen siehst. Mit den Augen einer tollen Mama. Ich hoffe, mir wird es einmal genauso ergehen, denn die Geburt liegt mittlerweile schon fast zwei Jahre zurück und ich habe das Gefühl, ich werde diese Zeit nie wieder aufholen können und mein Kind wird in mir eine Fremde sehen, eine Frau, die zwar da ist und "Mama" heißt, aber mit der es nichts anfangen kann und zu Papa flüchten wird. So läuft fast jeder Tag, es sind keine Gedanken, es ist die Realität.

Liebe Grüße von der traurigen Farah
hi!
danke für deine antwort!
ich kann dir etwas erzählen, was ich im beitrag zuerst stehen hatte und dann wieder gelöscht hab, weil ich dachte, dass es jetzt hier nicht so wichtig ist.
ich hab GENAU die gleichen sorgen wie du, auch heute noch hin und wieder.
unsere tochter war nie ein mama-mädi (bisher jedenfalls), wenn irgendwas war, lief sie zum papa oder zur oma, wenn die da waren. nur, wenn sonst niemand da war, kam sie zu mir. weißt du, wie weh mir das jedesmal getan hat??? das kannst du dir sicher vorstellen! ich dachte immer: sie weiß genau, dass ich sie das ganze 1. jahr nicht wollte. sie hat meine abneigung gegen sie gemerkt und das wird sie ein lebenlang prägen, sie wird nie vertrauen in mich haben oder mich lieben.
ich hab darüber lange mit meiner therapeutin gesprochen und sie war sehr ehrlich und meinte: vermutlich hat sie das wirklich gemerkt, aber ich hab derartig viel zeit, das wieder gut zu machen und merk dir eins: kinder können ganz ganz viel verzeihen!!!
heute noch läuft sie oft zum papa, aber im 2. moment kommt sie jetzt auch zu mir.
bis vor kurzem bekam nur der papa ein bussi doer eine umarmung. inzwischen auch ich.
heute beim schlafen legen hab ich mich zu ihr runtergebeugt und ihr gesagt, wie lieb ich sie hab, da hat sie mich ganz fest umarmt und wollte mich nicht mehr auslassen. das gibt mir so viel kraft und zuversicht.

ich bin mir sicher, ich werd mich immer dran erinnern, wie schwer unser start war, aber ich glaub schon, dass man das aufholen kann, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass frauen, die keine ppd hatten, die zeit so intensiv mit ihrem kind verbringen und genießen können, wie mütter, die eine ppd erfolgreich überstanden haben.

bist du in behandlung? und wie gehts dir zur zeit?
Juliane

Beitrag von Juliane »

Liebe Minoo,

nun muss ich doch noch etwas auf deine vorhergehende Nachricht schreiben.

Ich denke, du liegst falsch. Dein Kind liebt dich egal wie das erste Jahr war. Dein Kind liebt dich mit jeder Faser seines Körpers - denn du bist ihre Mama - die EINZIGSTE, die sie hat.

Kinder lieben ihre Eltern IMMER.

Im ersten Lebensjahr, als es mir hundeelend ging, ließ sich mein Kind nie beruhigen von mir, sondern nur von Papa. Auch danach hatten wir zwar tagsüber einigermaßen geschafft, dass sie auch wenn sie angst hatte o. ä. zu mir kam, aber wenn sie in der Nacht weinte sich nur von Papa beruhigen ließ.

ABER heute: mit fast 3 Jahren spricht sie (ja logischerweise :D ) ganze Sätze mit viel Sinn.
Und weißt du, was sie heute sagt: Mama, ich liebe dich. Bleib bei mir, streichel mich, drück mich, erzähl mir ne Geschichte. Sie kommt nachts zu uns ins Bett und kuschelt sich eng an mich. Sie holt sich jetzt alles das, was ich ihr am Anfang nicht geben konnte.

Vergessen ist alles, dass ich sie nicht wollte, nicht liebte, nicht füttern konnte, nicht wickeln konnte,.. die Liste ist lang.

Heute ist sie meine Tochter, ich liebe sie über alles auf der Welt und sie mich.

Und dann sagt sie: du bist MEINE Mama.
Tanja

Beitrag von Tanja »

Hallo Minoo,

bin auch neu hier und habe gerade deine Geschichte gelesen.
Sitze gerade im Kurzurlaub im wunderschönen Südtirol in einem tollen Hotel in der Lobby und musste mir jetzt ganz schön die Tränen unterdrücken.Wäre ja peinlich gewesen,wenn mich jemand gesehen hätte :D
Deine Geschichte hat mich sehr bewegt,und uach irgendwie Mut gemacht.Ich hab mich in einigen Punkten einfach wiedergefunden,und dann fühlt man sich nicht ganz alleine auf der Welt.Vor allem,als deine Mutter dich zu sich geholt hat,das hat mich sehr bewegt.Ist bei mir derzeit auch so.Bin ganz viel bei meinen Eltern,schlafe dort,meine Ma versorgt die Kleine und ich fühle mich dann einfach etwas sorgloser,weil ich ein bischen Last die auf mir liegt weiter geben kann.
Hast du gewußt,dass z.B in Japan die Frauen nach der Entbindung erstmal zurück in den Schoß ihrer Eltern gehen?Damit die junge Mutter nicht die ganze neue Belastung und Situation alleine meistern muss.Es ist wohl in der Tat so,dass in Ländern in denen die Kindererziehung auf mehrere Schultern verteilt wird,kaum Wochenbettdepressionen entstehen.In südlichen Ländern ist das wohl ähnlich.
Ich habe mich mit diesem Thema ziemlich ausführlich auseinander gesetzt,und ich finde darin liegt eine wichtige Erkenntnis.
Besonders Frauen,die voll im leben stehen,erfolgreich sind,selbstbewußt sind,aktiv,..usw...denken sie müssen dann auch mit einem Kind alles 100% richtig machen.Letztendlich so wie vorher funktionieren,eben nur noch mit nem Baby.Aber das kann nicht funktionieren.Und irgendwann kommt der Punkt,wo man nicht mehr kann.
Ich wünsche dir nur das Beste,...deine Geschichte ist wirklich sehr ergreifend,traurig aber auch Mut machend...
Und ich freue mich für dich,dass du deine Maus endlich richtig lieben kannst.

Herzlichst

Tanja
minoo

Beitrag von minoo »

Tanja hat geschrieben:Hallo Minoo,

bin auch neu hier und habe gerade deine Geschichte gelesen.
Sitze gerade im Kurzurlaub im wunderschönen Südtirol in einem tollen Hotel in der Lobby und musste mir jetzt ganz schön die Tränen unterdrücken.Wäre ja peinlich gewesen,wenn mich jemand gesehen hätte :D
Deine Geschichte hat mich sehr bewegt,und uach irgendwie Mut gemacht.Ich hab mich in einigen Punkten einfach wiedergefunden,und dann fühlt man sich nicht ganz alleine auf der Welt.Vor allem,als deine Mutter dich zu sich geholt hat,das hat mich sehr bewegt.Ist bei mir derzeit auch so.Bin ganz viel bei meinen Eltern,schlafe dort,meine Ma versorgt die Kleine und ich fühle mich dann einfach etwas sorgloser,weil ich ein bischen Last die auf mir liegt weiter geben kann.
Hast du gewußt,dass z.B in Japan die Frauen nach der Entbindung erstmal zurück in den Schoß ihrer Eltern gehen?Damit die junge Mutter nicht die ganze neue Belastung und Situation alleine meistern muss.Es ist wohl in der Tat so,dass in Ländern in denen die Kindererziehung auf mehrere Schultern verteilt wird,kaum Wochenbettdepressionen entstehen.In südlichen Ländern ist das wohl ähnlich.
Ich habe mich mit diesem Thema ziemlich ausführlich auseinander gesetzt,und ich finde darin liegt eine wichtige Erkenntnis.
Besonders Frauen,die voll im leben stehen,erfolgreich sind,selbstbewußt sind,aktiv,..usw...denken sie müssen dann auch mit einem Kind alles 100% richtig machen.Letztendlich so wie vorher funktionieren,eben nur noch mit nem Baby.Aber das kann nicht funktionieren.Und irgendwann kommt der Punkt,wo man nicht mehr kann.
Ich wünsche dir nur das Beste,...deine Geschichte ist wirklich sehr ergreifend,traurig aber auch Mut machend...
Und ich freue mich für dich,dass du deine Maus endlich richtig lieben kannst.

Herzlichst

Tanja
hi!
freut mich, dass es dir mut macht!
das mit dem abgeben und sich entspannen können kenn ich nur zu gut, aber soll ich dir was sagen: seit einigen wochen ist es jetzt so, dass ich sie nicht mehr hergeben will. meine mama fragt mich oft, ob ich sie nicht mal für 1 woche zu ihr bringen will. früher hätte ich dankend zugestimmt und am nächsten tag wär sie dort gewesen.
jetzt nicht mehr. es ist nicht weniger anstrengend - oh gott nein (sie schläft nach wie vor nicht durch und für sie beginnt der tag um 6uhr!!), aber nicht mehr ihre anwesenheit "stört" sondern ihre abwesenheit. weißt du, wie sehr mich das freut????

es ist ein kleiner schritt, aber er tut unendlich gut!
glg
degumuckel

Beitrag von degumuckel »

Hallo,

ich bin froh deine Geschichte zu lesen, denn mir fehlen oft die Worte um mich auszudrücken. Ich finde mich in vielen Punkten wieder.
Meine Hebamme hat schnell gemerkt, dass ich nicht in Ordnung bin, obwohl ich in ihrer Gegenwart immer stark sein wollte...sie hat mir auch dieses Forum hier empfohlen, das ich super finde, denn es hilft mir sehr.

Die Sache mit dem zurücklächeln ist mir bekannt, am Anfang, als mein Kind mich angelächelt hat, bin ich in Tränen ausgebrochen, mittlerweile lächle ich zurück( ich hoffe zumindest das meine Grimasse Ählichkeit damit hat. :(
In der Versorgung funktioniere ich super.
gruß
Antworten