Ich bin aus Hamburg, Baujahr '76 und habe vor zwei Wochen meinen zweiten Sohn bekommen. Mein großer Sohn ist schon 6 und kommt in drei Wochen in die Schule. Ich lebe seit 10 Jahren mit meinem Partner zusammen, die Beziehung ist stabil und liebevoll. Meine Kinder sind gesund, der Große ein aufgewecker, lieber Kerl, der Kleine wirkt sehr zufrieden und er macht es uns nicht schwer, die erste, anstrengende Zeit mit einem Neugeborenen gut zu meistern.
Alles in Allem...klingt das natürlich super. Ist es auch.
Quer schießt nur meine Psyche.
Ich habe bis Februar Sertralin genommen, niedrig dosiert, es dann abgesetzt, weil ich die Folgen für das Baby als zu unüberschauber angesehen habe. Die Aussagen darüber sind alle so schwammig, "Anpassungsstörungen" klangen für mich einfach gruselig, und die Vorstellung, meinem Baby nach der Geburt erstmal Entzugserscheinungen anzutun, fand ich furchtbar.
Ich kam nicht gut zurecht, holte mir Hilfe in Form einer teilstationären Behandlung, die 11 Wochen andauerte und aus der ich wirklich gut stabilisiert herausging.
Das ist jetzt knapp zwei Monate her. Und seit einer Woche (also eine Woche nach der Geburt des Kleinen) merke ich, dass ich wieder beginne, zu schwimmen.
Trübe, pessimistische Gedanken, die - so finde ich - eigentlich gar nicht zu meinem Wesen passen, Tränen, an manchen Tagen nahezu ununterbrochen, extreme Reizbarkeit.
Ich mache mir fast zwanghaft Sorgen um mein großes Kind, fürchte, ihm nicht mehr gerecht zu werden, kann mit den Folgen der Umstellung, die nunmal auch für ihn stattfindet, nur sehr schlecht umgehen.
Ich habe Angst, ihm nicht genug Rückhalt geben zu können, wenn er in die Schule kommt, habe Angst, dass er dort keinen Anschluss findet (er kennt keinen seiner zukünftigen Klassenkameraden)...alles zunächst mal völlig unnötig - und mich jetzt zu grämen bringt niemandem etwas. Meinem Sohn am wenigsten.
In schlechten Momenten habe ich das Gefühl, dass die Entscheidung für das zweite Kind absolut falsch war. Der totale Wahnsinn. Als habe ich die Familie mit diesem Wunsch zerstört, oder zumindest massiv gefährdet, eingeschränkt.
In guten Momenten weiß ich, dass diese ganzen Gedanken Quatsch sind. Uns geht es gut. Wir werden das alles gut meistern.
Aber ich weiß, dass ich etwas tun muss.
Freitag habe ich einer psychotherapeutisch arbeitenden Hebamme aufs Band gesprochen (sie steht auch hier in den Kontaktadressen, hab ich vorhin entdeckt) - und ich habe mehr als einmal nachdenklich auf meine angebrochene Packung Sertralin gelinst.
Die Versuchung, einfach wieder mit den Dingern anzufangen, ist groß. Laut Embryotox wäre das ja sogar okay. Aber...ach, ich weiß auch nicht.
Ich will nicht zurückfallen.

Ich will, dass alles gut wird. Ich will nicht mehr den halben Tag mit Weinen verbringen und damit meinen sechsjährigen Sohn verstören.
Er ist im Moment zuhause, die KiTa hat Ferien und so wird er die Zeit bis zur Einschulung hier verbringen.
Ab morgen sind wir hier zu dritt. Mein Partner muss wieder zur Arbeit.
Ich hab mir schon für fast jeden Tag einen Programmpunkt vorgenommen. Einfach, um ein Gerüst zu haben, an dem ich mich durch die Tage hangele.
Ich bin froh, hier eine Anlaufstelle gefunden zu haben, um einfach...zu schreiben, was so in mir passiert.
Danke.
Lovis