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Trüffel

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Beitrag von Trüffel »

Hallo ihr,

ich habe grade einige der Vorstellungsthreads gelesen, und hab jetzt das Gefühl, hier doch nicht ganz richtig zu sein, weil es mir doch nicht ganz so schlecht geht, wie ich es hier jetzt gelesen habe. Trotzdem stelle ich mich jetzt mal ausführlich vor...

Mein Sohn kam im Juni zur Welt. Ich hatte eine komplikationslose Schwangerschaft, allerdings sehr anstrengend gegen Ende, weil ich einen gigantomanischen Bauch hatte. Geplant war, dass der Kleine im Geburtshaus auf die Welt kommt - ich hatte wahnsinnige Angst vor unnötigen Interventionen, vor Verunsicherung und der Nicht-Wahrung meines "Schamgefühls" im Krankenhaus, und allgemein hab ich ein Problem, Ärzten zu vertrauen. Geplant hatte ich also, dass mein Kind bei dämmrig-rotem Licht in einer behüteten, geborgenen Atmosphäre möglichst in der Wanne auf die Welt kommt, ich es aus dem Wasser hebe, wir kuscheln, ich es gleich anlege, die Nabelschnur darf auspulsieren...nun ja.

Nach 6 h Presswehen und einem Kopf auf Beckenboden wurde ich dann per Rettungswagen verlegt. Im Krankenhaus standen 12 Menschen um mich herum, als ich mich untenrum wieder ausgezogen habe und auf das Kreißbett kletterte, was mir bis heute die Tränen in die Augen treibt, weil dieses "klettern" einfach so erniedrigend war. Ich weiß, es war notwendig, es war die Situation, aber ich möchte diese Szene am liebsten streichen. Auch das folgende - gleißend-helles Licht, Menschen, die mich ohne Vorwarnung auf rüde Art untersuchten, der Wehentropf, das Kristellern, der Dammschnitt, die Saugglocke, das unbetäubte Nähen....die Vorwürfe, die mir gemacht wurden, als mein Kind endlich vermessen und gewogen war. Er hatte 4900 g auf 59 cm, ein 38cm-Kopf.

Ich hatte ihn 1 h im Arm und hatte ihn kurz angelegt, als mir aufgefallen ist, dass er schwitzt. Das hab ich der Hebamme dort mitgeteilt. In der Folge kam ein Kinderarzt, der ihn nur gebadet untersuchen wollte, die Verlegung in die Kinderklinik anordnete, und mir nicht mehr die Gelegenheit gab, mich von ihm zu verabschieden. Er kam dann mit einer neonatalen Infektion auf die Neo-Intensiv, während ich in meinem Ent-Bindungskrankenhaus blieb. Und genau so kam ich mir vor, ent-bunden.

Alles zu erzählen sprengt jetzt wohl den Rahmen. Wir hatten einen miesen Stillstart, und haben das dank meiner absoluten Willenskraft das Stillen betreffend trotzdem gemeistert. Der Kleine schreit wie ein 2jähriges Kind, hat Bärenkräfte, hat die ersten 8 Wochen durchgebrüllt, und auch heute ist jeder Ausflug, jedes "Haus verlassen" ein Abenteuer. Ich vereinsame. Ich hab die Geburt noch nicht "durch", ich hab das Gefühl auf ganzer Linie versagt zu haben. Er war zu groß für mich. Einfach ne Nummer zu groß, und all das, was man über natürliche Geburten liest, dass es fast egal ist wie groß das Kind ist, wenn frau sich nur genug entspannt und fallen lässt....macht mich fertig. Ich weiß nämlich, dass ich das während der Geburt nicht konnte, mich richtig fallen lassen. Die Geburt hab ich also schon nicht richtig hinbekommen. Hier habe ich jetzt ein ständig frustriertes, nörgeliges, anstrengendes, anspruchsvolles Baby, das tags wie nachts alle 1,5 bis 2 Stunden stillt, das von einem Infekt in den nächsten schlittert, dass das Tragetuch und jede andere Tragehilfe nur begrenzte Zeit (ca 30 min) toleriert, das das Autofahren hasst wie die Pest und den Kinderwagen sowieso. Ich habe Probleme damit, mein Kind anzusehen, und mehr als "genervt" zu fühlen. In den schönen Momenten, ja, da geht das, das ich denke, dass es doch so toll ist, dass er da ist. Gleichzeitig hab ich das Gefühl, dass dieser Gedanke nur ein oberflächlicher ist. Ich suche grade die Liebe für ihn in mir, und bin mir nicht sicher, ob sie da ist.

Ich kann manchmal nicht mehr. Der Kleine fordert mich jede Minute. Seit 4 Tagen sitzt und steht er. Er ist noch nicht mal 5 Monate alt. Ich kann ihn keine Sekunde mehr aus den Augen lassen. Seit er auf der Welt ist, habe ich kein Buch mehr gelesen, keinen Film mehr gesehen, außer einem schlechten RüBi-Kurs habe ich keinen Sport mehr gemacht, habe meine Handarbeitshobbys komplett aufgegeben. Mich gibt es nur noch in Form der singenden, stillenden, schuckelnden Mama. Die Person von vorher existiert nicht mehr. Gut, ich habe nicht erwartet, dass mein Leben einfach weiterläuft, natürlich nicht. Aber ganz so heftig....

Sind das Lusxusprobleme? Ich hab das Gefühl, permanent erschöpft zu sein. Der Kleine schläft nicht gut, und ich weiß das, weil ich selbst noch schlechter schlafe. Ich werde manchmal ihm gegenüber aggressiv und muss mich sehr beherrschen.

Ich habe fürchterliche Angst davor, dass der Kleine an SIDS stirbt. Wenn er schläft, renne ich alle paar Minuten hin um zu schauen, ob er noch atmet. Wenn ich nach dem Stillen neben ihm liege, überkommt mich der Gedanke, und ich male mir aus, wie absolut unvorstellbar schrecklich es sein muss, im Bett eine Leiche zu finden. Und wie ich darauf reagieren würde. Und was die richtige Reaktion ist, und ob ich dazu imstande wäre. Und dass ich nie wieder ein Kind bekommen könnte, wenn ich ihn an SIDS verlieren würde. Das nimmt so viel Raum ein, dass ich vor 3 Wochen dazu übergegangen bin, ihm jeden Abend nach dem einschlafstillen zu sagen "ich liebe dich, und du bist mein größter Schatz, ich will dich nicht verlieren", damit er das im Gedächtnis hat. Das ist doch nicht normal????

Ich hab das Gefühl die Hälfte vergessen zu haben...und schick es schnell ab. Vielleicht ergänze ich später nochmal.
scaramouch

Beitrag von scaramouch »

Hallo und erstmal ein herzliches Willkommen hier :wink:

ich habe gerade deine Geschichte gelesen und finde, dass du hier GENAU richtig bist.
Eine postpartale Depression ist EINE Krankheit, hat aber tausende Gesichter. Es gibt leichte, mittlere, schwere formen und es gibt hunderte von verschiedenen Krankheitsbildern und Symptomen. Die einen haben Panikattacken, Zwangsgedanken bis hin zu Halluzinationen. Andere haben eine Leere in sich, grosse Traurigkeit, Angst ihrem Kind etwas anzutun oder ähnliches.
Und das war nur ein Bruchteil von dem was es gibt....
Klassisch ist auch die Erschöpfung von der du betroffen bist und/oder die zwiespältigen Gefühle deinem Sohn gegenüber.
Deine Geburt war mit Sicherheit ein sehr traumatisches Erlebnis und könnte eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst haben. Ich bin kein Psychiater oder Psychologe, darf und will auch keine Diagnosen stellen. Aber für mich klingt es so, als ob du Hilfe brauchen könntest und hier wirklich richtig bist.
Hier kannst du ALLES schreiben, alles fragen, wir sind oft online.
Aber ich denke auch, dass du dir professionelle Hilfe suchen solltest.

Ich denke, jetzt schau dich am besten hier erstmal um und wie gesagt: Es ist immer jemand hier. Nochmals Willkommen und schön das du hier bist.

Lieben Gruss

scara
mici

Beitrag von mici »

Hallo Trüffel,

auch von mir herzlich Willkommen im Forum!

Wie Scara schon schrieb, bin auch ich der Auffassung, dass Du hier im Forum genau richtig bist! Du beginnst gerade, die verschiedenen Gefühlslagen auseinander zu pulen und dabei sind wir Dir gerne behilflich!

Vielleicht magst Du noch ein bisschen zu Deiner familiären Situation schreiben? Lebst Du mit dem Vater des Kindes zusammen? Hast Du Unterstützung durch Deine oder die Schwiegereltern?

Was Du auf jeden Fall tun solltest, ist, Dich um einen Platz für eine Gesprächspsychotherapie zu kümmern, denn das Geburtserlebnis scheint Dir noch sehr nachzuhängen.
Es ist außerdem sehr wichtig, dass Du Dir Auszeiten von Deinem anstrengenden Baby nimmst, denn es ist GANZ NORMAL, dass man in den ersten Wochen und Monaten am Stock geht, insbesondere dann, wenn das Baby anspruchsvoll ist! Wenn Du kannst, organisier Dir Freiraum (Babysitter, Freunde). Wenn Du mehr Zeit für Dich hast, wirst Du auch schnell merken, was das größte Problem darstellt und dann kannst Du - gerne mit unserem Rat - ein Problem nach dem anderen angehen!

Fühl Dich erstmal herzlich Willkommen,

lieben Gruß,

MICI
Qwerty

Beitrag von Qwerty »

Liebe Trüffel (süsser Name :D )

Du BIST hier richtig! Ich bin zwar auch keine Psychologin oder Therapeutin das was Du beschreibst hätte auch von mir oder von einigen anderen Frauen hier im Forum kommen können. Es ist eine Krankheit, Sie hat viele Gesichter und kommt in vielen "Varianten" vor. Sie ist tückisch, manchmal langwierig aber heilbar. Für mich war bzw. ist es sehr gut, mich hier umzusehen und auszutauschen (auch wenn ich mich nicht so oft hier melde) und zu sehen und zu erfahren, dass es Frauen gibt, die diese Gefühle, Ängste und Sorgen kennen und mich verstehen. Egal wie gut es Partner, Familie und Freunde meinen, auch wenn sie wollen und sich Mühe geben, sie können das aber einfach überhaupt nicht nachvollziehen. Ich finde es gut, dass die Frauen hier so offen über ihre Krankheit reden und über alles was dazu gehört.
Hast Du einen Partner, der Dich unterstützt, gibt es Familie in der Nähe? Mir hat es am Anfang geholfen, dass meine Mutter, später meine Schwiegermutter bei uns waren. Danach war ich dann noch eine Weile bei meinen Eltern. Es war gut, da man sich in dieser Zeit nicht bzw. wenig um Haushalt und Kind kümmern MUSSTE. Wenn ich konnte, wollte habe ich mich gekümmert, falls nicht waren meine Eltern bzw. Schwiegereltern da. Auch die Nachschichte habe die übernommen, so das ich zumindest ausgeschlafen war. Das hat zwar nicht gegen die PPD geholfen, aber ich bin ein bisschen zu Kräften gekommen und konnte mich darum kümmern, Hilfe zu bekommen und mich zu informieren.
Hier im Forum lese ich oft mit. Mit manchen Geschichten bzw. Frauen habe ich mehr gemein als mit anderen, aber letztendlich haben bzw. hatten wir alle die gleiche Krankheit und sitzen im gleichen Boot.
Hast Du schon mit einem Arzt über Deine Situation gesprochen? Falls nicht, mach das bitte schnell und warte nicht ab. Egal ob Du der Meinung bist, dass es noch schwerere Fälle gibt... Dir geht es nicht gut und daran kann man arbeiten.
Alles Liebe,
Qwerty
smaugerl

Beitrag von smaugerl »

hallo Trüffel,

auch von mir ein herzliches Willkommen :D

lg
smaugerl
creme_brulee

Beitrag von creme_brulee »

Eins noch: Bitte erschrick nicht, wenn der Arzt sagt, dass es keine PPD ist - vieles von dem, was du schreibst, kommt mir sehr bekannt vor, und bei mir war letztendlich die Diagnose ein Burnout aufgrund der Ereignisse in der Schwangerschaft (im Job) und der einfach gigantischen Veränderung nach der Geburt.
Der Name ist aber völlig egal. :) Jedenfalls sind deine Stressabbaustrategien im Moment ein bisschen überfordert, und da ist Hilfe von außen und ein bisschen Schonen einfach angesagt. Und in so einer Phase sind, wenn indiziert, auch Medikamente absolut legitim und kein Grund zur Besorgnis.
Und gegebenenfalls sind es mindestens zwei Helfer, ein Arzt für Diagnose und eventuell Medikation, und jemand für die Therapie - oder es gibt tatsächlich EINEN, der beides kann.

Mach dir bitte keine Sorgen, aber sorge gut für dich. :)

Herzliche Grüße
CB
Trüffel

Beitrag von Trüffel »

Jetzt komm ich zum Antworten.

Meine familäre Situation: Ich bin verheiratet, mein Mann macht grade ein Referendariat, was noch die nächsten 7 Monate geht. Er arbeitet 60 km entfernt von hier, geht morgens um 6:40 aus dem Haus und kommt nicht vor 18:30 nach Hause. Wochenends muss er teilweise lernen. Mir ist das auch wichtig, unsere finanzielle Zukunft hängt davon ab.

Meine Schwiegereltern wohnen 300 km entfernt von mir und haben dort einen Bauernhof. Unser Verhältnis ist freundlich-distanziert.

Meine Eltern wohnen 30 km entfernt, arbeiten beide noch Vollzeit. Meine Mutter ist bei solchen Dingen, also emotionalen Dingen, immer eher kaltschnäuzig. SIe ist vom Typ "lach doch mal", oder vom Typ "Quatsch, du hast keine Depression". Sie lacht einen aus, wenn man krank ist, das ist ihre Art. Ich versuche mich seit ca. 3 Jahren damit zu arrangieren und es zu akzeptieren, aber es gelingt mir nicht immer.

Ich bin hier eigentlich alleine. Wir sind erst vor 2 Jahren wieder in diese Ecke Deutschlands gezogen, meine Freunde leben in ganze Deutschland verstreut, keiner hier. Ich hab hier schon gehirnt, wer mich hier unterstützen könnte, und es fällt mir ganz ehrlich einfach keine Menschenseele ein.

Dadurch sind Auszeiten für mich grade generell schwierig. Sind sie aufgrund des Vollstillens sowieso, und mein Mann unterstützt mich wirklich wo er kann, und nimmt ihn mir am Wochenende viel ab, damit ich z.B. lange postings ind Foren verfassen kann, aber unter der Woche geht leider gar nichts.

Mein erster Schritt war/ist eigentlich ein Termin für meinen Sohn gewesen, ich war mit ihm bei einer Physiotherapeutin, die auch craniosacrale Therapie macht, und ihn für absolut verspannungsfrei erklärt hat. MIR allerdings hat sie geraten, dringend für Auszeiten zu sorgen, z.B. auch, indem ich mir vom Arzt manuelle Therapie verschreiben lasse, um meinen völlig desolaten Beckenboden, meinen Beckenschiefstand und was nicht alles zu behandeln. Sie meinte, sie könne sich gut vorstellen, dass sowas wie Fußreflexzonenmassage mich erst mal wieder etwas entspannt, runterbringt.

Mein zweiter Schritt war/ist, dass ich eine neue Hausärztin habe. Eine ganzheitliche, die auch mein Kind behandeln wird. Und mit der ich nächste Woche mal über mein Seelenleben sprechen möchte. Weiter bin ich noch nicht gekommen.

Wie findet man einen Therapeut, der einem liegt, der was damit anfangen kann? Was für eine Therapie brauche ich, und woher weiß ich, welche die richtige ist?

Wie ist das mit dem Stillen und den Medikamenten?
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Trüffel - auch von mir ein liebes Hallo!

Du hast ja eh schon einiges auf die Beine gestellt, damit es dir bald besser geht. Wir haben hier eine Liste von Fachleuten, die mit uns zusammen arbeiten - vielleicht wäre jemand in deiner Nähe dabei:


http://www.schatten-und-licht.de/Listen ... te_exp.xml


Eine Überweisung für einen Psychiater oder Psychologen bekommst du dann von deiner Hausärztin. Und was Medikamente anbelangt: Es gibt einige gute Antidepressiva, mit denen man Stillen kann. Und auch Frauen, die genau das getan haben, wirst du hier genug finden.

Diese Hompage kann dir und deiner behandelnden Ärztin helfen ggf. ein Stillverträgliches AD zu finden:

http://www.embryotox.de

Diese Institution hat sich auf Medikamente in der Schwangerschaft und Stillzeit speziallisiert. Da kann sogar deine Ärztin anrufen, wenn sie Fragen hat.

Alles Liebe und fühl dich hier herzlich willkommen!!!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Hasenpfote1983

!!

Beitrag von Hasenpfote1983 »

Hallo!

Natürlich du richtig hier. Allen Mamas denen es nicht ganz so gut geht, sind richtig hier oder wenn man einfach mal quatschen möchte. Da gibt es definitiv keine Ausnahmen. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und quatsch dich hier ruhig aus, das erleichtert vieles. Sind gerne für dich da! Fühl dich gedrückt!

:-*
Hasenpfote1983

Beitrag von Hasenpfote1983 »

ups, ich meinte "natürlich BIST du richtig hier!" :-D
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