Mag mich outen

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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scaramouch

Mag mich outen

Beitrag von scaramouch »

Hallo meine Lieben

in den letzten Tagen habe ich nur auf andere Beiträge geantwortet, aber ich hab was auf dem Herzen und euer Rat wär mir wichtig.

Seit nun schon mehr als 15 Monaten lebe ich mit meinem Geheimnis (PPD)...natürlich wissen meine engsten Vertrauten Bescheid (Ehemann, Mutter, Schwester, beste Freundinnen), aber es gibt eben auch unheimlich viele, die es nicht wissen und die ich durch viiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiel schauspielerisches Talent bis zum heutigen Tage getäuscht habe. Teilweise aus gutem Grund, nämlich um mich zu schützen, weil zum Beispiel meine Schwimu sonst ihr Zelt vor meiner Tür aufgeschlagen hätte usw.
Bei ihr werde ich es auch weiterhin so halten, weil ich mir sicher bin, das es die richtige Entscheidung war.
Aber es gibt auch Menschen, bei denen es mir mittlerweile lieber wäre, sie wüssten alles und könnten so auch vieles verstehen, worüber sie sich bestimmt im letzten Jahr gewundert haben.
Und neulich habe ich sogar eine Frau in meinem alter kennen gelernt, die auch Kinder hat. Ich hätte so gerne mehr Anschluss hier und bin auch sehr an einer Freundschaft interessiert aber ich mag mich nicht verstellen und ich möchte nicht mit einer "Lüge" beginnen. Versteht ihr wie ich meine?

Ich weiss einfach nicht WIE ich es anpacken soll, WEM ich als erstes alles sagen soll oder WANN?

Hilfe

Es geht mir einfach wieder so gut und ich schäme mich endlich nicht mehr für die Krankheit...

Lieben Gruss
scara
ria

Beitrag von ria »

Liebe Scara,

zuerst möchte ich Dir sagen, wie sehr es mich freut, dass es Dir wieder gut geht. Ich kann mich noch gut an einige deiner Posts erinnern, wo es dir sehr schlecht ging und Du trotzdem auch mir immer wieder Mut zugesprochen hast. Dafür ein ganz großes Danke

Ich schreib dir jetzt mal wie ich das so halte mit Freunden und outen von der Depression:
Bei Menschen, die ich neu kennen lerne bin ich erstmal etwas vorsichtig. Ich versuche erst ein wenig herauszufinden, wie der oder dienjenige "so drauf" ist, d.h. ob es z.B. auch möglich ist, tiefgründige Gespräche zu führen und eben nicht nur Smalltalk. Einigen Bekannten in meinem Umfeld werde ich es nie sagen, weil ich halt weiß, dass man mit denen halt mal nen schönen Abend verbringen kann und Spaß haben kann, die aber für soetwas warhscheinlich kein Verständnis aufbringen könnten.
Meine 3 engsten Freundinnen wissen es, meine Arbeit und meine Familie. Die Familie meines Mannes weiß es z.B. nicht. Die sind zwar alle lieb und nett, aber ich glaube, die würden das nicht verstehen.

Ich hoffe, du findest für dich den richtigen Weg
ubure

Beitrag von ubure »

Liebe Scara,

ich hab jetzt mal nachgedacht, wie ich das immer gemacht habe. Irgendwie ist das immer recht unkompliziert gelaufen. Gerade, als wir vor 6 Jahren hierhergezogen sind, habe ich ja viele Leute durch den Sportverein hier kennengelernt. Erstmal hat man sich halt immer wieder dort gesehen, dann einfach immer öfter miteinander geredet und meine "Beichte", die eigentlich gar keine war, ist irgendwann, wenn es grade gepasst hat, mit ins Gespräch eingeflossen. Ich habe dann einfach erzählt, was mir fehlt, wie sich das äußert und warum es mir jetzt eigentlich sehr gut geht, bis auf die Phasen halt, wenn ein Tief ist oder ich einen miesen Tag habe. Die meisten haben das erstmal so aufgenommen, einige kennen das durch Bekannte und Verwandte, oder hatten selber mal Depressionen etc. Das kam alles ganz ungezwungen und unkompliziert, und das war mir auch wichtig. Ich wollte nicht diesen mysteriösen Schleier der "Irren", der Unberechenbaren um mich haben, der man seine Kinder nicht anvertrauen kann. Die Leute haben mich also erstmal ganze normal kennen gelernt und konnten meistens gar nciht glauben, dass ich so etwas habe. Sicherlich werden es viele nicht verstanden haben, aber darum geht's ja auch nicht, aber manche verstehen eben sehr gut.

Wenn ich dann mal schlechte Zeiten hatte, wussten sie einfach Bescheid und es war nie ein Problem noch hat man mich gemieden oder etwas in der Art. Sie wussten ja, dass ich meistens ganz normal drauf bin und es mir hin und wieder einfach nicht so gut geht. Und mehr ist es ja nicht, was sie wissen müssen. Man hat mich dann entweder in Ruhe gelassen oder aber sich extra um mich bemüht (z.B. wenn uns jemand zum Grillen eingeladen hat o.Ä. und ich nicht mit wollte, hat man mich nochmal extra angerufen und gut zugeredet "Komm, das tut Dir gut, Du musst mal wieder raus etc." und so war's dann auch. Und wenn ich doch nciht wollte, war es auch kein Problem. Ich habe mich stets gut aufgehoben gefühlt, ohne von der Seite beäugt zu werden.

Ich denke, es ist falsch, wenn man so ein Geheimnis draus macht. Ebenso daneben finde ich es, gleich beim ersten oder zweiten Treffen das "Hör mal, ich habe Depressionen." rauszuhauen. Das überfordert die meisten, ist meistens erstmal gar nicht nötig und: was sollten die Leute auf so was schon antworten? Ich wüsste das auch nicht. Und dass so etwas Leute abschreckt, wundert mich nicht.
Wenn es Dir also soweit gut geht, Du meistens gut drauf bist, gibt es doch erstmal gar keinen grund, das zu erwähnen. Lass die Leute doch erstmal die "normale" Scara kennen lernen, denn dann wissen sie, wie Du eigentlich bist und müssen sich nciht vor der großen, unbekannten Depression fürchten (zumal ja niemand durch Deine Depression Schaden erleidet - oder wirst Du dann zum Tier, wovor die Leute gewarnt werden müssen? Glaub ich kaum, oder?). Und wenn die Situation, das gespräch gerade passt, dann lass ruhig mal ein paar Sätze zu dem Thema fallen, aber erwarte nciht gleich große Gespräche darüber. Das ergibt sich oder eben nicht und ist für eine Bekanntschaft oder Freundschaft erstmal auch nicht wichtig.

LG,
Inez
Anna2010

Beitrag von Anna2010 »

Schwierig,
also bei vielen Leuten ist es reine Verschwendung, weiteres darüber zu erwähnen, weil diese Leute, die sich evtl. darüber auch noch belustigen, schon meistens gut erkennbar sind.
Trotz aller Vorurteile finde ich, dass man sich ruhig immer wieder trauen sollte, einfach man selbst zu sein.
Das erhöht die Lebensqualität und zudem trennt man gleich die Spreu vom Weizen.
Ich habe jetzt einige Frauen kennengelernt (wer hätte das gedacht...;-), die gleich von sich aus mit der Tür ins Haus gefallen sind, dass sie ZG hätten und in Therapie seien oder waren.

Wenn ich dann sage, dass ich auch "so eine " bin, ist die Nähe doch gleich da.
Das ist Freundschaft bzw. erst da kann eine wachsen.
Alles andere ist für die Katz, dadrauf verzichte ich schon ewig, einfach, weil mich diese smalltalk-Konversationen suuuuuuuper anöden!!!!

Dazu noch etwas Gelästere über diese Person und Getratsche über den....
Ich hasse es!!!!

Alles Liebe Dir!
ubure

Beitrag von ubure »

klar, man muss es ja nicht jedem auf die Nase binden, wozu sollte das auch gut sein.

Aber was den Smalltalk betrifft: den halte ich auch mit meinen Freunden und Bekannten, und i.d.R. ist das gar nicht schlimm und auch nichts Schlechtes, sondern einfach nur unkompliziert. Ich muss nicht ständig nur "Freundinnengespräche" führen, aber wenn ich möchte, dann kann ich das.

Wie gesagt, ich hatte da eigentlich nie Schwierigkeiten, jemanden kennen zu lernen oder das gefühl, ich müsste jetzt unbedingt die beste Freundin finden. Das hatte ich in meiner Jugend, aber unser aller Leben ist doch völlig anders und jeder hat selber genug mit Familie etc. zu tun. Wir setzen uns gerne zusammen, mal in kleiner, mal in großer Runde, mal verabredet, mal nicht, mal völlig albern, mal ernsthaft diskutierend, und manchmal auch unter vier Augen den "heavy stuff", der manchmal anfällt und der nciht für alle geeignet ist.

Aber sagt mal (auch wenn wir jetzt da schon wieder vom Thema abweichen, es ging ja gar nicht um "Freundinnen finden"): seid Ihr nicht eher auch mit Paaren befreundet? Bei uns ist das schon so, schon wegen der Kinder - die sind alle befreundet und wir Eltern auch, mit den einen enger, mit den anderen lockerer, aber mit allen ist es sehr angenehm. Die Freundinnen von früher habe ich auch noch, aber ich sehe sie selten und ich muss gestehen, dass ich das auch nciht pflege. Mein Lebensmittelpunkt ist hier im Ort, mit den hier ansässigen Menschen, und das finde ich sehr schön.

LG,
Inez
vergissmeinnicht

Beitrag von vergissmeinnicht »

Liebe Scara!

Erstmal, schön dass du dich für deine Krankheit nicht mehr schämst, besteht ja auch kein Grund!

Jedoch finde ich, du solltest es nicht gleich erzählen.
Viele Menschen sind voreingenommen und verstehen tun dich eh nur Menschen die Depressionen kennen, alle anderen sind damit überfordert!

Ich denke auch nicht dass du , wenn du deine Krankheit verschweigst, die neue Freundschaft durch diese Frau mit lügen aufbaust!
Du erzählst nur nicht alles gleich und das ist legitim.

Ich hatte auch nie das Gefühl irgendwem ausser meiner Familie, beste Freundin und natürlich meinen Mann, mitzuteilen wie es mir wirklich geht..
Smalltalk mit anderen lenkt auch ab...man muss sich nicht immer damit beschäftigen dass man krank ist oder war..sollte man auch gar nicht!

Ich glaub, ich wäre überfordert gewesen, hätte mir früher wer von so ner Krankheit erzählt...und dann gleich am Anfang des Kennenlernes...nö du das halt ich für keine gute Idee....ich hätte dann wieder das Weite gesucht.
Weil das eben so ein "schweres " Thema ist gleich für den Anfang.

Ist halt meine Meinung...
Die richtige Entscheidung für dich wünsch ich dir!

liebe Grüße
VGMN
scaramouch

Beitrag von scaramouch »

Danke euch für eure interessanten und lieben Antworten.

Ich bin immer noch am grübeln was ich nun wem sage, aber das schöne ist, es eilt nicht und ich stehe nicht unter Druck...es gibt so viele Leute, die es jetzt schon seit 15 Monaten nicht wissen....

Natürlich wäre es mir auch lieber, Menschen, die ich neu kennen lerne, würden erstmal die echte Scara kennen lernen ohne die PPD, aber es ist schwierig. Eines der ersten Gespräche bezieht sich immer auf die Kinder...wie alt sind sie? Und wo hast du entbunden? Und zu guter letzt noch, wie war denn die Geburt?
Dann ist es bei mir schon wieder soweit und ich werde innerlich unruhig...soll ich etwa antworten das die Geburt der blanke Horror war?
Und wenn, dann kommt die Frage wie ich denn damit zurecht gekommen bin???

So passiert es mir leider immer wieder und ich weiss dann echt nicht, wie ich reagieren soll...die Geburt war nunmal besch... und ich möchte auch nichts aus den Fingern saugen oder beschönigen.
Bisher habe ich immer geantwortet das die Geburt nicht gut war und ich den KS machen lassen musste. Und das es mir schon schwer fiel aber ok war.
ABER das stimmt einfach nicht und einige Bekannte sollen ruhig wissen wie schlecht es mir damals ging.

Ach, ich weiss auch nicht. Hoffe ihr versteht was ich meine...

Liebe Grüsse
scara
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