Medikamente ja oder nein??

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Pfingstrose

Medikamente ja oder nein??

Beitrag von Pfingstrose »

Hallo,
ich lese schon seit geraumer Zeit die Beiträge des Forums und bin unendlich dankbar, dass ich durch Eure Erfahrungsberichte nicht mehr das Gefühl habe, mit meiner Situation alleine auf der Welt zu sein! Toll, dass es solch ein Forum gibt!
Hier also meine Geschichte:
Ich bin 28 Jahre alt und letztes Jahr um diese Zeit wurde ich gewollt und sofort schwanger. Die Freude war riesig, die Schwangerschaft verlief absolut problemlos, mir ging es so gut wie lange nicht. Ich war bis zum Tag vor der Geburt mit Freunden unterwegs, lachte ganz viel und genoss die Zeit in vollen Zügen. Dementsprechend war die Freude auf das Baby groß und ich hatte ziemlich genaue Vorstellungen, wie die Geburt und die Zeit danach ablaufen sollten (ein großer Fehler, wie ich jetzt weiß - denn meist kommt es ja anders als man denkt...). Meine beste Freundin war (zufällig!) gleichzeitig schwanger und entband ihre Tochter zwei Monate vor meinem Sohn. Bei ihr verlief alles absolut problemlos und genau so, wie ich es mir auch wünschte. Wir schmiedeten gemeinsam Pläne, was wir alles unternehmen wollten, wenn mein Sohn auch endlich auf der Welt ist und ich war mir so sicher, dass bei mir auch alles gut gehen würde...dem war und ist aber leider nicht so:
Die Wehen "überrollten" mich 10 Tage über dem Termin förmlich, ich hatte vorher keinerlei Senk- oder Übungswehen und plötzlich kamen die Wehen im 2-minuten Abstand. Dazu kam ein kaum zu beschreibender Schmerz in der linken Leiste, so als würde der Darm abreißen (inzwischen weiß ich, dass das Bauchfell und die Darmschlingen miteinander verklebt waren). Wir schafften es gerade noch ins Geburtshaus, und keine drei Stunden später war mein Sohn geboren. Wie so viele von Euch dachte ich im Vorfeld, ich werde überwältigt sein, wenn mein Sohn dann plötzlich bei mir auf dem Bauch liegt, aber da war gar nichts. Ich war einfach so fertig und kaputt von dieser heftigen Geburt, dass ich nur noch meine Ruhe haben wollte. Und irgendwie dachte ich damals schon, dass irgendetwas nicht stimmt mit mir. Wir waren dann noch ca. 5 Stunden im Geburtshaus und sind dann nach Hause gefahren, die erste Nacht und der erste Tag waren okay und ich hatte das leise Gefühl, dass allmählich so etwas wie "Muttergefühle" entstehen, als es mir körperlich besser ging.
Doch dann kam Tag zwei und mit ihm ein schreckliches Fieber, heftige Schmerzen und zum Glück zum richtigen Zeitpunkt unsere wunderbare Hebamme, die dann ein Kindbettfieber (Gebärmutterentzündung) diagnostizierte und sagte, ich müsse auf der Stelle ins Krankenhaus. Tja, da war ich dann fünf Tage und Nächte, zum Glück durften mein Sohn und mein Mann mit dabei sein, aber ich war durch das Fieber (bis 41,8 Grad), die Schmerzen, den Tropf etc. nicht in der Lage, mich irgendwie um meinen Sohn zu kümmern. Die Milch blieb weg, wir mussten Fläschen füttern - das war das schlimmste für mich - ich wollte doch unbedingt stillen und nun kam diese Erkrankung und nahm mir einfach die Milch... Schon im Krankenhaus bekam ich eine Pumpe und versuchte irgendwie die Brüste zu stimulieren, aber es kam nur Blut - der Horror.
Mit zunehmender Stabilisierung der körperlichen Verfassung und der Entlassung nach Hause begannen meine Ängste - ich hatte das Gefühl, völlig Überfordert mit meinem Sohn zu sein, wollte, dass mein Mann immer da ist und mich nicht alleine mit ihm lässt. Ich fühlte mich als Versagerin und schlechte Mutter, weil ich mein Kind nicht ernähren konnte und hatte so eine Wut darauf, dass sich all meine Wünsche und Hoffnungen gerade in Luft auflösten. Ich fühlte mich um das Wochenbett so betrogen und es begannen Heultage einer nach dem anderen. Wir kämpften zu Hause dann noch zwei Wochen verzweifelt ums Stillen, mit Globuli, Pumpe, Stimulation, Massage,.... und tatsächlich, nach zwei Wochen - es klappte - einen Tag ohne Flasche - ich schöpfte Hoffnung, dachte, jetzt wird alles gut... doch dann kam wieder das Fieber. Wieder schlagartig, innerhalb von zwei Stunden auf 41 Grad und ich war am Ende. Diesmal eine eitrige Mandelentzündung, vermutlich war das Immunsystem aufgrund der vorherigen vielen Antibioticas so geschwächt, dass dieser Infekt so heftig wurde. Mit diesem Abend war klar, dass ich das Stillen aufgeben werde, denn ich hatte weder köperlich noch psychisch die Kraft dazu. Auf körperlicher Ebene kamen bis heute drei weitere heftige Infekte dazu, jeweils mit Antibioticagabe, da es auf Naturheilkundlichem Weg keine Besserung gab.
Unsere Freunde und Familie unterstützten uns in der ersten Zeit sehr stark, brachten uns Essen, gingen mit dem Kleinen spazieren,... jedoch hörte ich immer wieder wenn es mir auf der körperlichen Ebene besser ging: "jetzt ist ja wieder alles gut" und "wir sind ja auch mit der Flasche groß geworden" - für sie war damit das Thema erledigt. Ich hatte kaum die Kraft, jemandem zu erzählen, wie es mir wirklich geht, mit welchen Ängsten ich Tag für Tag lebe und wollte eigentlich nur mein altes Leben, in dem ich immer so gesund und gut gelaunt war, zurück. Einzig mein Mann, meine beste Freundin und unsere Hebamme bekamen mit, wie es mir wirklich ging. Der Kontakt zu meiner besten Freundin wurde jedoch immer schwieriger, da ich jedesmal wenn ich sie sah, das absolute Kontrakstprogramm zu meiner Situation erleben musste - eine Mutter, die souverän mit ihrem Kind umgehen kann, stillen kann, aufblüht seit der Geburt und einfach glücklich ist. Ich fühlte mich nach solchen Treffen immer noch minderwärtiger, so dass ich den Kontakt mitlerweile abgebrochen habe.
Unsere Hebamme empfahl mir, eine Mutter-Kind-Kur zu machen, um körperlich wieder zu Kräften zu kommen und psychisch Kraft und Zuversicht zu tanken. Die Kur wurde von Seiten der Hausärztin sofort beantragt und von der Krankenkasse super schnell genehmigt. Letzte Woche durfte ich zur Mutter-Kind-Kur fahren - ich schöpfte Hoffnung auf schnelle Besserung, dachte ich treffe dort Gleichgesinnte und mit letzter Kraft packte ich Koffer und fuhr los. Genau einen Tag und eine Nacht, dann bin ich dort völlig zusammengebrochen, weil mich die ganze Situation völlig überforderte. Alleine mit meinem Sohn, Terminstress (Frühstück, Gespräch mit dem Arzt, mit der Psychologin, Mittagessen,...) und immer das Kind dabei, möglichst gut gelaunt... hahaha - wie soll das gehen???? Die Ärztin stellte dann dort die Diagnose postpartale Depression und meinte, ich solle sofort in stationäre Behandlung und mich auch medikamentös behandlen lassen. Ich aber hatte nur einen Wunsch: wieder nach Hause in meine vier sicheren Wände, wo sich auch mein Sohn sicher fühlt und es ihm besser geht. Das haben wir also gemacht - mein Mann holte mich wieder ab und seit dem bin ich wieder zu Hause. Es geht mir hier sehr viel besser als auf der Kur (die meiner Meinung nach vor allem für gesunde Frauen gedacht ist, die einfach mal raus wollen und ein bisschen Urlaub machen wollen...), jedoch brauche ich gerade absolute Ruhe. Ich bin nicht in der Lage, irgendwelche sozialen Kontakte zu pflegen, kümmere mich mit letzer Kraft so gut es geht um meinen #
Sohn, und bin einfach nur müde, antriebslos, kraftlos und fühle mich wie leer - ich hoffe, dass mein Mann schnell wieder von der Arbeit kommt, damit ich nicht alleine mit unserem Sohn sein muss. Meine Hausärztin meint, für eine stationäre Behandlung sei die Depression nicht schwer genug und sie versteht meinen Wunsch, zu Hause zu bleiben.
Ich nehme nun schon seit einiger Zeit eine Bachblütenmischung und habe seit letzter Woche statt meinem homöopathischen Konstitutionsmittel Sepia bekommen, jedoch nicht das Gefühl, dass sich irgendetwas gändert hat. In zwei Wochen beginnt eine ambulante Psychotherapie, da meine Selbsttherapie nicht mehr ausreicht... Ich bin nun am überlegen, ob eine medikamentöse Behandlung sinnvoll ist oder nicht. Was meint ihr? Mir ist klar, dass ihr keine Ärzte und Psychologen seid, aber ich glaube, dass ihr die Situation als selbst Betroffene gut einschätzen könnt. Ich habe momentan nicht die Kraft mich selbst durch alle Forumsbeiträge bezüglich der medikamentösen Behandlung zu klicken und hoffe vielleicht auf diesem Weg eine Antwort zu bekommen...
So, ich könnte natürlich noch viel, viel mehr schreiben, aber ich denke für einen ersten Eindruck reicht das. Viele meiner nicht aufgeschriebenen Gedanken und Gefühle werdet ihr sowieso erahnen, da es vielen von Euch ja genauso geht oder gegangen ist...
Ich freue mich auf Antworten von Euch!
Viele Grüße von der Pfingstrose, die hofft, dass sie bald wieder so blühen kann, wie die Blume im Garten...
mici

Beitrag von mici »

Hallo Pfingstrose,

erstmal herzlich Willkommen im Forum! Vieles von dem, was Du schreibst, kommt mir sehr bekannt vor. Wenn ich es richtig überschlagen habe, dann ist Deine Sohn jetzt ca. 3 Monate alt? Und Du hast das Stillen vollständig an den Nagel gehängt, richtig? Das hat auch seine Vorteile, ganz im Ernst: Viele Frauen, die über die Einnahme von AD nachdenken, trauen sich im Endeffekt keine zu nehmen, weil sie noch stillen. Oder sie nehmen welche, obwohl sie noch stillen und haben dann ein furchtbar schlechtes Gewissen. Insofern bist Du teilweise auch gut dran, weil Du Dir wegen der Tabletteneinnahme keine Sorgen um Dein Kind machen musst.
Also: Ich hatte auch ca. drei Monate nach der Entbindung eine PPD, die dann relativ zügig mit Tabletten (und Therapie, Haushaltshilfe) behandelt wurde. Ich hatte insg. auch große familiäre Unterstützung und hier in Hamburg ein gutes Netzwerk von Leuten, die mir helfen konnten (Beleghebamme, Geburtsklinik, Stillberaterin, Kinderarzt etc.). Insg. hat bei mir genau die MIschung aus medikamentöser, psychotherapeutischer und sonstiger HIlfe den Durchbruch gebracht, wieder auf den Damm zu kommen. Prinzipiell gilt, dass AD NICHT abhängig machen, ca. 4 bis 6 Wochen brauchen, bis sie ihre volle Wirkung entfalten und manchmal mit Nebenwirkungen einhergehen (Gewichtszunahme, Übelkeit), die aber teilweise nach einer Zeit wieder vergehen. Ich bin ein großer Verfechter von Antidepressiva speziell bei einer PPD, weil es ja darum geht, möglichst schnell wieder auf den Damm zu kommen, um die Babyzeit genießen zu können und voll einsatzfähig zu sein.

Mich würde mal interessieren, was denn Deine Hauptsymptome sind? Leidest Du eher unter Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit etc oder unter Unruhe, Trauer oder ist alles gemischt?

Dass Deine Hebamme Dich "reif für eine Kur" gehalten hat, ist, finde ich, erstmal lobenswert. Meine z.B. hat trotz des Geheules auch Wochen nach der Geburt noch nicht geschaltet. Aber natürlich kann es einen auch noch zusätzlich fertig machen, wenn man um sich rum lauter "erholungsbedürftige Muttis" hat, die aber ansonsten souverän mti ihren Kindern umgehen. Auf der anderen Seite ist eine Psychiatrie auch nicht in jedem Fall geeignet, wenn man um sich herum lauter noch "schwerere" Fälle wahrnimmt. Deswegen ist es wahrscheinlich erstmal wirklich das Beste, wenn Du zu Hause bleibst, ambulant eine Therapie machst, Dir Unterstützung im Alltag holst und mit einem Psychiater über die Einnahme von AD ins Gespräch kommst.

So weit erstmal,

lieben Gruß, MICI
scaramouch

Beitrag von scaramouch »

Liebe Pfingstrose,

ich schicke dir eine liebe Umarmung und sage dir jetzt mal eins:
Du WIRST wieder blühen :wink:

Aber ich möchte auch ganz ehrlich mit dir sein und dir sagen, du wirst GEDULD brauchen!!!
Du hast so viel durchgemacht, zu viel für deine Seele und deinen Körper.
Jetzt ist es an der Zeit, diese Dinge aufzuarbeiten und sehr gut auf dich zu schauen.
Ich möchte jetzt nicht lange um den heissen Brei rumreden, was meine Meinung zu Medikamenten betrifft.
ICH persönlich halte es für nicht möglich, das du ohne AD wieder auf die Beine kommst.
Hoffentlich fühlt sich jetzt niemand auf den Schlips getreten, aber das ist meine Meinung.
Ich weiss, es gibt auch Frauen, die ohne AD wieder gesund wurden, aber das ist wohl eher die Ausnahme.
Ich selbst habe es zuerst mit Johanneskraut versucht, aber es ging mir immer schlechter, weil es schon zu spät war. Ich hing schon zu tief drin und heute denke ich WIRKLICH, das AD hat mir mein Leben gerettet.

Auch mich hat es überwindung gekostet, "sowas" zu nehmen, aber ich würde es immer wieder so machen, denn all meine ängste vor dem AD waren unbegründet.

Ich wünsche dir alles Gute. Bitte halte uns auf dem Laufenden!!

scara
Pfingstrose

Beitrag von Pfingstrose »

Liebe MICI, Liebe Scara,
vielen Dank für Eure schnellen und ehrlichen Antworten!
Kurz zu Deinen Fragen, MICI: ja, mein Sohn ist etwas über drei Monate alt und das Stillen habe ich nach der zweiten Erkrankung völlig an den Nagel gehängt. Meine Hauptsymptome schwanken: Anfangs war es vor allem eine unbeschreibliche Traurigkeit, Apettitlosigkeit, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit sowie ständig nagendene Schuldgefühle und Versagensgefühle. Die Schuld- und Versagensgefühle sind zur Zeit nicht mehr da, auch ist die Traurigkeit nicht mehr so stark. Derzeit machen mir vor allem die Antriebslosigkeit und Schlafstörungen zu schaffen, gekoppelt mit einem Gefühl absoluter körperlicher Erschöpfung, Konzentrationsstörungen und einer "inneren Leere", die mich echt zur Verzweiflung bringt. Kennt ihr dieses Gefühl?? Es ist so schrecklich, wenn man weder sich selbst noch sein Kind noch seinen Partner spüren kann - weder was gut tut, noch was nicht gut tut....
Vielen Dank für Eure klare Stellungnahme und Aufklärung in Bezug auf die Einnahme eines ADs. Es nimmt mir ein bisschen die Angst davor, wie Du, Scara, schreibst, "soetwas" zu nehmen.
Ich werde nochmal drüber schlafen und halte Euch über die Weitere Entwicklung auf dem Laufenden!
Viele Grüße mit einem kleinen Hoffnungsschimmer von der Pfingstrose
P.S. noch zwei Fragen, die mich immer wieder umtreiben: vielleicht könnt ihr dazu was schreiben?: Ich mache mir ständig Gedanken und Sorgen, dass mein Sohn "Schaden" davon nehmen kann, weil es mir seit der Geburt so schlecht geht. Ich denke er merkt das ganz genau und spürt auch, wenn ich mich zusammenreiße, es aber mal wieder nicht schaffe, das einen ganzen Morgen oder Nachmittag durchzuhalten. Eure Kinder sind ja nun schon ein bisschen älter - habt ihr das Gefühl, dass sie die für Euch schwierige Zeit auch geprägt hat??
Und die zweite Frage: wie offen seid ihr mit der Erkankung umgegangen? Ich bin total unsicher - die engsten Freunde wissen bescheid, aber sonst niemand - ich lasse mich oft durch meinen Mann verleugnen aber richtig gut geht es mir damit nicht. Wie habt ihr das gemacht?
Danke im Voraus für Eure Antworten!!
scaramouch

Beitrag von scaramouch »

Hey du :wink:

natürlich frage ich mich auch oft ob meine Kinder durch meine Erkrankung geprägt sind.
Bei meiner kleinen Tochter (16 Monate) glaube ich das verneinen zu können. Sie ist so ein Sonnenschein, lacht viel und gerne und hängt auch wahnsinnig an mir. Und das obwohl ich auch oft nicht konnte vor lauter Erschöpfung und Verzweiflung.
Die Grosse war halt schon 6 Jahre alt, als ich erkrankte und hat viel mitbekommen. Panikattacken, in denen ich natürlich versuchte, mich zusammenzureissen, was aber nicht immer klappte. Viele Tränen hat sie bei mir gesehen und natürlich auch Fragen gestellt, weil sie mich so nicht kannte.
Ich habe mit ihr so offen wie möglich gesprochen, kindgerecht, aber ehrlich. Verstanden hat sie glaub trotzdem nicht.
Inwiefern ist sie geprägt??? Hmmm, schwierig zu beschreiben. Wir hängen seit meiner PPD noch viel mehr aneinander. Reden manchmal schon wie Freundinnen miteinander, nicht wie Mama und Kind.
Sie ist wie ich finde sehr gereift. Man hat manchmal das Gefühl, sie ist nicht erst 7 sondern schon 10. Ob das gut oder schlecht ist, fällt mir schwer zu sagen.
Aber sie hat trotzdem nichts von ihrer Unbeschwertheit verloren. Auch sie ist ein fröhliches Kind.
Was mir ein schlechtes Gewissen macht, ist, dass sie sich für ihre kleine Schwester ein bisschen zu verantwortlich fühlt. Wenn die kleine weint, rennt die Grosse hin und bemuttert sie. Manchmal will sie mir sogar erklären, wie ich mich nun angemessen um die Kleine kümmern muss.
Vermutlich kommt das daher, dass sie mir in der ganz schlimmen Zeit so viel helfen musste. Das macht mir wirklich Schuldgefühle, aber ich kann es nicht ändern, nur jetzt wieder besser machen, wo ich es wieder kann.
Aber es gibt auch positive Dinge, wie z.B., dass die beiden so sehr aneinander hängen. Und wir als Familie auch viel näher zusammengerückt sind, als vor der PPD.

Mit der Offenheit im Umfeld tu ich mich heute noch schwer. Eigentlich wussten und wissen es auch nur die engsten Leute. Meine Mama, Schwester und meine zwei Freundinnen. Nichtmal meine Schwimu weiss Bescheid, aber das hab ich selbst so entschieden und bereue es nicht.

Da solltest du auf dein Gefühl vertrauen, wem du das sagen kannst, ohne das es für dich negative Folgen haben könnte. Und setze dich nicht unter Druck!!! Du MUSST es niemandem erzählen.

Grüsse
scara
mici

Beitrag von mici »

Hallo Pfingstrose,

nur kurz: Klar, die von Dir beschriebenen Symptome kennen wir, glaube ich, alle mehr oder weniger, also alles ganz normal :wink:

Im Zusammenhang einer PPD und der Säuglingspsychosomatik habe ich mal einen Beitrag in einem Fachbuch (Wimmer- Puchinger, Beate et al. (Hrsg.) 2006: "Postpartale Depression - Von der Forschung zur Praxis", 2006) gelesen, den ich hier vor mir liegen haben. Dort heißt es:

"Neugeborene kommen nicht nur mit einem unerwarteten Ausmaß an Vorkenntnissen über Objekte, Vorgänge und Menschen zur Welt - sie zeigen auch eine eindeutige Präfenrenz allem gegenüber, was im weitesten Sinne der Kommunikatkion dient - Stimmen, Gerüche, Bewegung, menschliche Gesichter. Bereits in den ersten Lebensstunden können sie Gesichtsmimik imitieren, mit wenigen Monaten emotionale Gesichtsausdrücke unterscheiden. Eine zentrale Fähgikeit des menschlichen Säuglings ist seine Kompetenz vor allem aber Eigeninitiative in der Kommunikation mit Bindungspersonen" (Schwarz-Gerö 2006: 128).

Daraus entwickelte sich der Begriff des "intuitiven Beelterns" (ebd. 129). Hervorstechende Merkmale dessen sind die "Ammensprache mit deutlich erhöhter Tonlage, kurzen vereinfachten Sätzen, Überartikulation und Wiederholungen. Charakteristisch sind Imitationen der Laute des Kindes mit jeweils geringügiger Variation - sogenannten Erweiterungen - und ein von Anfang an dialogisches Prinzip" (ebd. 129).

Durch das Wiederspiegeln der Emotionen des Kindes im Gesicht der Mutter "erfährt das Kind Bedeutsamkeit, aber auch zwischenmenschliche Teilbarkeit" (ebd. 130) seiner Gefühle. Es geht also um die emotionale Resonanz-Fähigkeit der ELTERN, Gefühle des Kindes widerzuspiegeln.
Es ist klar, dass Frauen, die an einer PPD erkrankt sind, diese Fähigkeit unter Umständen nur eingeschränkt ausüben können. Die "allgemeine Reaktionszeit kann herabgesetzt sein. Man findet flache Mimik, wenig Blickkontakt, seltenes Lächeln, (...); [d]ie Mutter spricht wenig, leise und gleichförmig. Sie moduliert kaum. Ammensprache wird selten oder nur ansatzweise verwendet. Die mangelnde emotionale Verfügbarkeit zeigt sich oft in fehlendem Spiegeln und mangelnder affektiver Abstimmung" (ebd. 132). Einmal häufiger konnte beobachtet werden, dass sich Säuglinge dann enttäuscht von der Mutter abwenden. Deswegen sind in solchen Phasen andere, weitere Bezugspersonen für den Säugling sehr wichtig, im besten Falle der Vater. Wenn der Säugling Gelegenheit hat, seine emotionalen Regungen an seine Umwelt weiterzugeben, indem er sich auf eine angemessene emotionale Resonanzfähigkeit bei seinen Bezugspersonen verlassen kann, dann wird der Säugling keinen Schaden nehmen. Bleibt der Säugling mit seinen Gefühlen allein, weil sich ihm niemand anbietet, dem gegenüber er sich mitteilen kann, entwickelt der Säugling unter Umständen ein sog. Vermeidungsverhalten.
Dies zeigt sich primär in "Blickvermeidung und körperlichem Abwenden" (ebd. 131). Dies ist ein "höchst aktives Wegdrehen des Kindes, selbst bei Blickkontakt suchenden Kopfbewegungen der Mutter" (ebd.). Hält dieser Zustand an, dass sich der Säugling vor der Leere und emotioanlen Inkongruenz der mütterlichen Mimik schützen möchte, können Fütterungs- und Schlafstörungen auftreten. Diese wiederum verstärken bei der Mutter u. U. das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein; somit gelten Störungen der Mutter und des Säuglings als sich wechselseitig beeinflussende und verstärkende Elemente. Es sollte also unbedingt darauf geachtet werden, dass der Säugling neben der Mutter andere Bindungspersonen hat, die in der Lage sind, angemessen auf seine Regungen zu reagieren. Der Artikel schließt mit einem Abschnitt über den "Vater als Co-Therapeut" (136f). Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, dass der Vater in der schwierigen Zeit einer PPD als "alternativer Interaktionspartner" zur Verfügung steht.

Zu Deiner zweiten Frage: Ich würde mich an Deiner Stelle nicht damit überfordern, alle Menschen wissen zu lassen, was Du hast. Meine Hebamme hat immer gesagt: Halt Dich fern von fiesen Leuten! Und das kann ich nur weitergeben. Es gibt so viele gut gemeinte, aber auch hinterhältige Kommentare, vor denen man sich in Deiner Situation nicht gut schützen kann. Deswegen mein Rat: Belasse es vorläufig dabei, dass die engsten Freunde es wissen! Du kannst zu einem späteren Zeitpunkt immer noch mit manchen ins Gespräch kommen, die Du momentan erstmal außen vor lässt. Ich z.B. hab es damals einer Freundin erzählt, die darauf GAR NICHT reagiert hat! Sie hat es zur Kenntnis genommen, "aha" und "mh" gesagt und dann nie wieder gefragt, wie es mir geht. Das fand ich für mich ganz schlimm!

Lieben Gruß,


MICI
Leuchtkäfer

Beitrag von Leuchtkäfer »

Na mici,

kaum das Diplom in der Tasche, da fehlt Dir die geisteswissenschaftliche Tätigkeit schon?! Mensch, wat 'ne Abhandlung.

Fand ich sehr interessant, Danke.

Dir Pfingstrose ersteinmal Herzlich Willkommen. Ich hatte auch oft Sorgen, daß meinem Kleinen die Zeit geschadet hat. Aber weißt Du, es gibt so viele Gründe, warum Mütter nicht in "idealer" Weise für Ihre Kinder da sein können. Das stecken die weg. Mein SOhn ist ganz normal, ich habe ihn lieb und er mich, das zählt.

Bald mal mehr,

Grüße von Leuchtkäfer
Pfingstrose

Beitrag von Pfingstrose »

Hallo zusammen,
vielen Dank für Euren (mal wieder) schnellen Antworten und Dir, Mici, für die ausführliche Beschreibung! Es hat mir sehr geholfen Eure Meinungen dazu zu lesen - und auch, dass es Euren Kindern gut geht.
Ich habe gestern Nägel mit Köpfen gemacht, war beim Arzt und nehme seit gestern Cipralex 10mg. Habe bereits 2 Stunden nach der ersten Tablette ziemliche Nebenwirkungen (Übelkeit, Durchfall) bekommen, aber im Laufe des Tages ist es besser geworden und ich nehme an, dass das normal ist. Ich hab seit Jahren keine Medikamente genommen (wurde ausschlißlich homöopathisch behandelt) und schon die Medis nach der Geburt wegen Kindbettfieber etc haben deshalb ziemlich schnell und heftig angeschlagen. Fühle mich grad ziemlich überdreht, zittrig und unruhig, aber wenigstens nicht mehr völlig antriebslos :D ... mal sehen, was die nächsten Tage mit dem AD bringen...
Vielen Dank für Eure Hilfe - das Forum hat wirklich den Ausschlag gegeben, es jetzt mit dem AD zu probieren und ich glaube, es war die richtige Entscheidung! (auch wenn ich noch nicht weiß, ob es mir hilft, zumindest kann ich mir sagen, dass ich ALLES probiere, um da wieder raus zu kommen und das alleine hilft schon :D )
Viele liebe Grüße von der Pfingstrose
scaramouch

Beitrag von scaramouch »

Hallo Pfingstrose

mensch :shock: ich kann dir gar nicht sagen wie stolz ich auf dich bin :D

Zack, da rennt sie los und fängt mit AD an und und und....ganz grosse Klasse!!!!!

Das war sehr sehr mutig von dir und du wirst sehen...sobald die NW vorbei sind, geht es bergauf.
Cipralex ist ein sehr bewährtes und gutes Medikament. Das wird schon.

Alles Liebe
scara
Pfingstrose

AD hat gut geholfen

Beitrag von Pfingstrose »

Hallo zusammen,
ich habe mich eine ganze Weile nicht mehr gemeldet und wollte Euch auf den neuesten Stand bringen: mir geht es sehr viel besser:-) Ich nehme seit ca. 2 Monaten Cipralex (10 mg) und bereits nach wenigen Tagen hat das Medikament seine Wirkung gezeigt. Seit dem geht es deutlich aufwärts. Erst kam wieder körperliche Kraft und Energie und damit ging es mir auch psychisch langsam besser. Inzwischen ist die Antriebslosigkeit völlig verschwunden, ich kann wieder lachen und endlich die Zeit mit meinem Sohn genießen! Oh, ich bin so froh, dass ich den Schritt mit dem AD gegangen bin und möchte mich an dieser Stelle nochmals für die schnellen Reaktionen auf meine damalige Vorstellung bedanken! Das klare "Ja" zum Medikament von Eurer Seite hat wirklich den Ausschlag gegeben, nicht mehr weiter Selbsttherapie zu betreiben und Tag für Tag zu leiden, sondern es auszuprobieren. Ich habe auch eine Psychotherapie begonnen, diese jedoch nach zwei Stunden wieder abgebrochen. Sowohl die Therapeutin als auch ich waren der Meinung, dass ich wieder stabil genug bin, dass es auch ohne Therapie geht (habe lange Therapieerfahrung...). Als es mir aufgrund der Medis langsam wieder Stück für Stück besser ging, konnte ich plötzlich wieder "klar" denken und meiner Intuition vertrauen und plötzlich wusste ich wieder was zu tun ist - so ein schönes Gefühl und gleichzeit so krass, was diese Erkrankung mit einem macht...! Nun, ich hatte keine Lust, in der Therapie die ganze Geschichte wieder und wieder durchzukauen und zu bearbeiten, sondern genieße das Gefühl, das ich mich wieder selbst spüren kann... und wenn irgendwann die Zeit kommt, wo es verarbeitet werden muss, dann kann ich das immer noch machen...
Mein Sohn entwickelt sich prächtig und ich habe nicht das Gefühl, dass ihm die ersten drei Monate, in denen es mir nicht gut ging irgendwie geschadet haben (da hatte ich soooo Angst davor!) - im Gegenteil, er ist ein absolut ausgeglichenes und gut gelauntes Kind :-).
Ich wünsche allen, die gerade im "Loch" stecken und denken, sie kommen da nicht wieder raus, dass es bald bergauf geht und ich weiß nun aus eigener Erfahrung, dass man es mit Hilfe von Medikamenten und Therapie schaffen kann!!
Viele liebe Grüße von der Pfingstrose, die wieder blüht :-)
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Marika
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Beitrag von Marika »

Ein liebes Hallo,

wie schön, dass dir Cipralex so schnell und gut geholfen hat. Du hast alles richtig gemacht - manchmal stoßen Naturheilverfahren einfach an ihre Grenzen, gerade bei psych. Erkrankungen. Aber du kannst deine Bachblüten und/oder Globuli natürlich weiter neben dem AD nehmen.

Du bist wieder ein wunderbarer Beweis, dass ein AD einem wirklich das Leben zurück geben kann! Ich nehme übrigens auch Cipralex und auch bei mir hat es sehr schnell gewirkt.

Ich freue mich sehr mit dir!!!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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