Welche Behandlungsmöglichkeiten?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Lion

Welche Behandlungsmöglichkeiten?

Beitrag von Lion »

Hallo zusammen,

diese Woche habe ich den ersten Termin beim Psychologen. Eigentlich um ein Medikament verschrieben zu bekommen.

Ich frage mich nun: helfen Medikamente oder unterdrücken die die Traurigkeit und Gedanken nur?

Ich kenne mich ja soweit, dass ich weiß, dass ich keine schöne Kindheit hatte, noch nie mit jemanden drüber gesprochen habe und es mir eventuell auch deshalb jetzt plötzlich so schlecht geht. Meine eigene Kindheit war immer der Grund, weshalb ich keine Kinder wollte, obwohl ich Kinder mag.

Jetzt bin ich geplant Mutter geworden, die ersten 2 - 3 Wochen war Freude pur, momentan denke ich, dass ist eine riesige Katastrophe und ich habe als Mutter total versagt. Dabei dachte ich in den ersten Wochen, dass Muttersein wohl das einzige ist, was ich kann.

Naja, meine Frage nochmal: ich nehm nicht gerne Medikamente, will aber, dass es mir schnell besser geht.

Besser ne Therapie anfangen, Selbsthilfegruppe oder so? Normal verabscheue ich Medikamente und würde es gern ohne schaffen. Maximal was pflanzliches/homöopatisches würde ich einnehmen.
lotte

Beitrag von lotte »

Hi Du,

normalerweise verschreibt ein reiner Psychologe keine Medis, weil er ja kein Arzt ist, wie ein Psychiater z.B. Beim Psychologen wärst Du aber gut aufgehoben, wenn es um Gespräche geht - z.B. was Deine Kindheit betrifft. Sicher ist das nicht alles spurlos an Dir vorbeigegangen, auch, wenn Du es vielleicht bisher ganz gut verdrängen konntest.

Die richtigen Medis helfen. Sie unterdrücken nichts, sondern sorgen vielmehr dafür, dass Du wieder stabil wirst. Oft reichen die pflanzlichen Mittel nicht aus. Die Kombi von Medis und einer Therapie (auch Selbsthilfegruppen) stärken Dich auf Dauer und lassen Dich nicht länger als unnötig leiden.

Besprich das am Besten alles bei Deinem Termin. Und setz Dich nach Möglichkeit nicht damit unter Druck, dass Du die Krankheit ohne Medis schaffen "musst". Das ist falscher Ehrgeiz.

Sag doch mal Bescheid, wie Dein Termin war.

Gruß
Lotte
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo,

die besten und schnellsten Chance aus einer Depression raus zu kommen ist die Kombi aus Medikament UND Therapie - gerade wenn du schreibst, dass in deiner Kindheit einiges schief gelaufen ist. Ob Medikamente nötig sind, kann natürlich nur der Arzt entscheiden und da hängt es sehr von der Schwere deiner Erkrankung ab.

Du leidest unter Zwangsgedanken, gell! Hier sagen die Studien, dass der beste Therapieansatz eine Verhaltenstherapie (mit evlt. Ansätzen einer Tiefenpsychologisch fundierten Therapie) PLUS AD ist. Nachweislich genesen die Menschen mit dieser Kombination am schnellsten und besten.

Oberwichtig - gerade bei ZG - ist eine THERAPIE in der man VERLERNT, zwanghaft zu denken. Für mich persönlich hat das 50 % des Gesundwerdens ausgemacht. Die anderen 50 % war das AD. ´

Antidepressiva unterdrücken die Symptome NICHT, sie regulieren die Botenstoffe in deinem Gehirn so, wie sie bei einem gesunden Menschen sind. Erst wenn dieses so sensible Gleichwicht der Botenstoffe (allen voran das SEROTONIN) wieder auf einem gesunden und normalen Level sind, ist eine psychische Gesundheit zu erreichen. Es ist ähnlich wie mit den Hormonen: Hast du zuviel von dem einen, bekommst du Pickel, oder zuwenig von deinem anderen, wirst du nicht schwanger. Dann werden künstlich Hormone gegeben und deine eigenen gleichen sich aus. Ähnlich bei den Botenstoffen, nur das hier diese nicht direkt gegeben werden können (schön wärs - vielleicht geht das mal irgendwo in der Zukunft), sondern ein chem. Wirkstoff der verhindert, dass deine Botenstoffe im Gehirn zu schnell VERSTOFFWECHSELT werden, was ja diesen Mangel auslöst. Die Botenstoffe werden also dort "gehalten" wo sie ihre so wichtige Arbeit tun müssen - nämlich in den Synapsen. Das sind SCHALTSTELLEN zwischen den Gehirnzellen und dort müssen die Botenstoffe - wie der Name schon sagt - alle Botschaften von außen von Zelle zu Zelle transportieren. Man kann sich also vorstellen was passiert, wenn zu wenig "Boten" vorhanden sind: Fehlinfos, Infoverögerung oder gar "Falschzustellungen" (ein bissl wie bei der Post :wink: ) sind die Folge. Dadurch entstehen genau diese Missempfindungen: Angst, Panik, Zwangsgedanken, Traurigkeit usw. usw.... sprich: psych. Erkrankung.

Dann gibts noch die Psychopharmaka, die wirklich unterdrücken - die so genannten Benzodiazephine. Sie werden aber immer nur kurz eingesetzt als Überbrückung, bis z.B. ein AD seine Wirkung entfaltet hat. Insofern haben auch diese Medis ihre Berechtigung, weil sie bei schweren depressiven Episoden, den Leidensdruck schnell abschalten und nach kurzer Zeit wieder abgesetzt werden können. Der Nachteil dieser Medis: Sie machen bei längerem Gebrauch süchtig - im GEGENSATZ zu einem AD, hier besteht KEIN Suchpotenzial, weil eine gesunde Regulierung und somit Symptomfreiheit erzeugt wird.

Auch mit der Alternativmedizin kann man sehr gut helfen:

- Johanniskraut (wirkt ähnlich wie ein AD)
- Bachblüten
- Homöopathie
- Aromatherapie
usw. usw....
Ich denke du wirst hierzu noch mehr Angaben und Erfahrungen bekommen.

Man muss aber klar sagen, dass diese tollen und wertvollen Behandlungen alleine NIE bei schweren Depressionen angewendet werden sollten!!!! Sondern in KOMBINATION mit der Schulmedizin und in Begleitung einer Fachperson der jeweiligen alternativen Sparte. Also alleine herumdoktern ist nicht wirklich ratsam.

Da du schon bald einen Termin hast, wird sich die Frage was für dich das beste ist, eh zügig beantworten lassen. Dazu wünsche ich dir alles Gute und drück die Daumen!

Mir hat die Kombi aus Therapie, AD und natürlich der Selbsthilfe in Form von "Schatten und Licht" geholfen, wieder gesund zu werden! :D
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
nic

Beitrag von nic »

Hallo Löwin...

also SCHNELL kannste vergessen, egal wofür Du Dich entscheidest.

Ein AD kann niemals die Ursachen einer Depression beseitigen so nach dem Motto: Ich klink mir jetzt ein paar Pillen ein und dann bin ich wieder die Alte"

ähäh... sorry

Dein ganzes vergangenes Leben hat zu dieser PPD geführt, alles was Du nicht verarbeitet hast und ich denke, wenn Du selbst sagst, Deine Kindheit war Scheiße (da schließ ich mich an!) dann wirst Du ohne Therapie ziemlich lange mit den Auswirkungen, die Du gerade erlebst leben müssen.

Ursachen erkennen und ausheilen ist die Devise, nicht Symptome bekämpfen.

Die Frage ob Du ein AD brauchst, können wir Dir nicht beantworten.

Wenn Du gar nicht mehr in der Lage bist geradeaus zu denken, Angstzustände, Panikattacken oder Zwangsgedanken hast, die Dich wahrscheinlich daran hindern würden Deinen Alltag zu meistern, dann solltest Du die Einnahme in Erwägung ziehen.

Wenn Du Dich stabil genug fühlst UND schnell einen Therapieplatz bekommst, solltest Du mit dem Gedanken spielen auf das Medikament zu verzichten, denn das ist schon ein großer Eingriff in Deinen Körper/Botenstoffhaushalt und wenn man es erstmal nimmt sind gewisse Regeln einzuhalten und auch unerwünschte Nebenwirkungen sind nicht selten.

Am Besten klärst Du das in einem offenen Gespräch mit einem Psychiater und redest auch über die Ängste die Du mit bzw ohne AD hast...

Ich wünsch Dir ganz viel Kraft und hoffe Du hältst uns auf dem Laufenden!

LG N!c

P.S.: habe neulich gelesen: es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit :-)
Lion

Beitrag von Lion »

So ich komme nun von dem Termin:

Medis hält er nicht für nötig, da ich bisher (und ich hoffe, dass es so bleibt) keine Selbstmordgedanken hatte. Therapie aber ja. Diese Zwangsgedanken sind typisch für Depressionen, egal ob Wochenbett oder „normale“ Depressionen, sagt er. Ich finde es irgendwie beruhigend, dass andere Menschen auch solche Gedanken haben, man denkt ja immer, man wäre die einzige.

Leider muss man hier sehr, sehr lange auf einen Therapieplatz warten, ca. 6 Monate. Ich könnt grad heulen. Dachte, dass man mir schneller helfen kann.

Einen Lichtblick gibt es: meine Hebamme will mich weiter betreuen, ich brauch nur einen Attest vom Frauenarzt. Der wird es ohne weiteres ausstellen, da bin ich sicher. Meine Hebamme hat sehr viel Erfahrung allgemein, aber auch mit Wochenbettdepressionen.
Sie meint, ich solle erst mal Neurodorm einnehmen und hat mich jetzt noch zur SOS-Familienhilfe geschickt, die haben da auch ehrenamtliche Psychologen und man bekommt eventuell gleich Hilfe und nicht erst in nem halben Jahr.

@Marika: Serotonin die „Deutsche Post“ des Körpers ;). Klingt aber logisch, deine Erklärung. Ich hab auch schon seit 13 Jahren Reizdarm, da habe ich auch mal gelesen, dass das irgendwie mit dem Serotonin zusammenhängt. Kann es aber nicht erklären, müsste da erst das Buch finden …

@Nic: SCHNELL ist immer das, was ich will, egal um was es geht …
Prinzipiell nehme ich äußerst ungern Medikamente ein, noch nicht mal ne Kopfschmerztablette. Mir wäre lieber, wenn ich es ohne hinbekomme, ABER ich will keine 6 Monate auf einen Therapieplatz warten.

Ich werde jetzt die verschiedenen Anlaufstellen um Hilfe bitten, also gehe heute Nachmittag noch zu der SOS-Familienhilfe, dann werde ich nochmal bei Schatten und Licht anrufen und auch meinen Freund (arbeitet bei einer Therapeutin) bitten, seine Chefin zu fragen, ob die nicht jemanden kennt, der mich irgendwie noch aufnehmen kann.

Notfalls besteht die Möglichkeit, mit meiner Tochter, stationär aufgenommen zu werden, hier gibt’s ne Klinik, die mit Schatten und Licht zusammenarbeitet und einen sehr guten Ruf hat.
nic

Beitrag von nic »

Das klingt doch schon mal vielversprechend.

Und das allerwichtigste haste ja schon gemacht:

Um Hilfe gerufen!

Du glaubst gar nicht, wieviele Frauen hier glauben, sie müssten das alles mit sich alleine ausmachen.

Mir fällt noch die psyychiatrische Ambulanz ein, da könntest Du evtl. auch wöchentlich einen Termin bekommen, oder Tagesklinik???

Melde Dich doch mal in der nächstgelegenen psych. Klinik. Wenn die sogar eine Mutter-Kind Station haben, besteht ja vielleicht ne Möglichkeit da was zu drehen, ohne Dich stationär aufzunehmen.
Die sind m.E. nach immer sehr bemüht den Frauen zu helfen!

Hey, da hat sich von gestern auf heut viel getan, Glückwunsch!

Weiterhin alles Gute und viel Kraft, wir sind auch immer da!

Liebe Grüße

N!c
Lion

Beitrag von Lion »

Ja, da hast du Recht Nic.

Seit ich mir eingestanden habe, dass was nicht stimmt und meine Hebamme und meine Arzt informiert habe, geht es mir besser. Vor allem, weil ich mit der Hebi total gut reden kann. Mit der hab ich echt nen Glücksgriff gemacht und ich bin froh, dass die mich jetzt noch länger betreuen wird.

Heute gehe ich zum SOS-Familienzentrum, gestern wollte ich ja schon, aber ich bin über 2 Stunden zu Fuß durch die Stadt gelaufen und habs nicht gefunden. Jetzt hab ich mir vorher auf´m Stadtplan angeguckt, wo es ist, heute werde ich es finden.

Die nächste Klinik ist die, die mit Schatten und Licht zusammenarbeitet, mit denen habe ich letzte Woche schon telefoniert, als es mir ganz schlecht ging. Da kann ich notfalls hinkommen, wenn ich total zusammenbreche. Ein gutes Gefühl, wie ich finde. Es ist jemand da, der sich SOFORT um mich kümmern kann.

Die Hebamme kann ich auch Tag und Nacht anrufen, mein Partner sowieso. Ich bin nicht allein, auch wenn ich oft das Gefühl habe, ich wäre es.

Habe mir jetzt das Buch: Der Kobold im Kopf bestellt. Heut bin ich zwar nicht ganz so gut drauf wie gestern, aber es geht. Und ich freue mich, nachher wieder zu Fuß loszuziehen. Dieses stundenlange spazieren gehen bringt echt was und meiner Tochter gefällts auch.

Ich hoffe nur so, dass ein Total-Zusammen-Bruch mit nur noch heulen nicht wieder kommt. Das hat mir Angst gemacht, mich selbst nicht mehr wiederzuerkennen.
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo,

der "Kobold im Kopf" ist sehr gut, mir hat das Buch total super geholfen zu verstehen, was ZG sind, warum und woher sie kommen und dass sie aber total harmlos sind!!!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Lion

Beitrag von Lion »

Ich hab noch nicht viel gelesen, aber ich fühl mich so wiedererkannt da drin. Es sind GENAU meine Gedanken :shock: , als wäre es für mich geschrieben worden.

Trotzdem suche ich weiter nach einem Therapeuten, gerade weil mir mein Total-Zusammenbruch noch nahe geht, ich will so etwas nicht wieder erleben müssen.

Ansonsten läuft es hier soweit gut. Mein Freund ist für mich da, wenn er von der Arbeit kommt und hilft mir, gestern hatten wir einen wahnsinnig schönen Tag, heute bin ich aber total müde. Geht das euch auch so, dass das Zusammensein mit vielen Menschen euch Kraft kostet? Also nach so nem Tag wie gestern bin ich abends dann immer auch froh, wenn ich meine Ruhe hab und alleine bin.
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