Habe das Gefühl allein zu sein ...

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Sabrina M.

Habe das Gefühl allein zu sein ...

Beitrag von Sabrina M. »

Hallöchen Mädels!

Ich traue mich nicht, meinen Freunden von der PPD zu erzählen. Allgemein traue ich mich auch nicht den Kleinen mit zu einer Freundin zu nehmen (ohne das mein Freund dabei ist). Dann habe ich Angst davor, allein nicht zurecht zukommen. Manchmal habe ich das Gefühl allen etwas vorzuspielen (mache ich ja eigentlich auch). Außer meine Eltern und mein Freund natürlich weiß keiner davon - es ist mir peinlich. Früher war ich immer sehr kontaktfreudig und das fehlt mir so. Oft fühle ich mich in der Gegenwart von Freunden auch nicht so wohl und denke, sie könnten etwas merken. Natürlich setzt mich das alles unheimlich unter Druck und es ist anstrengend. Wenn mein Freund dabei ist, bin ich so sicher mit dem Kleinen, aber allein ist es immer eine Überwindung. Wenn ich Mütter in der Stadt sehe, die ganz relaxt mit ihren Kleinen durch die Straßen schlendern werde ich traurig und frage mich "wann werde ich das endlich können?".

Ich bin so froh, dass es Euch gibt, sonst würde ich mich noch einsamer fühlen.
Schnuti33

Beitrag von Schnuti33 »

Hallo Tili,


diese Gedanken kenne ich ( und bestimmt viele Andere) auch.

Unser Sohn ist jetzt 2 Jahre und seit gut einem Jahr geht alles viel entspannter.

Aber es kommt ja auch automatisch. Wenn die Süßen mal nicht mehr so auf Brei etc. angewiesen sind und unterwegs mal gut ein Brötchen etc. essen können, wird vieles einfacher.

Und glaube mir, einige von den vermeindlich entspannten Mamis sind es es bestimmt nicht.
Es ist nun mal anstrengend so einen Futzi mitzunehmen.

Viele Mütter rennen doch auch in die Stadt, um der Einsamkeit und Langeweile Zuhause zu entkommen.

Und weißt du was, das ist völlig legitim.

Das du eine PPD hast musst du ja deinen Freuden nicht ( oder noch nicht) sagen. Sprech doch mal allgemein so ein wenig über Dinge die dich nerven. Vieles davon empfindest du nicht nur durch die PPD so, sondern es ist Alltag.

Wenn eine Mama sagt das alles perfekt läuft etc., dann lügt sie. Alle Eltern sind mal genervt von ihrem Kind und hätten mal gerne ihre Ruhe etc.

Wir sind alle so "verdorben" in unseren Vorstellungen von dem wundervollen Muttersein und dem traum eines perfekten Kindes , durch Werbung etc., dass es uns krank macht.

Nur wenige trauen sich einer werdenden Mama mal zu sagen, was wirklich auf sie zukommt und das das völlig normal ist.

Meine Hebamme meinte dazu, man wolle den Müttern ja keine Angst machen. Aber gerade diese Unwissenheit der Mütter , vor allem über die unschönen Seiten, machen doch erst Angst.

Also Kopf hoch.

Haben deine Freunde auch Kinder???
Wenn ja, dann beobachte sie mal im Umgang mit ihren Kids und versuche mal "richtig" hinzuhören und zwischen den Zeilen zu lesen. Da ist nirgends alles nur rosig.

LG
Sabrina M.

Beitrag von Sabrina M. »

Ganz lieben Dank für Deine aufmunternden Zeilen.

Leider haben bis jetzt nur zwei Freundinen Kinder. Die einen sind in meinen Augen eher zu locker im Umgang mit ihrem Baby und die anderen konnten wir leider noch nicht besuchen (zu weit weg). Aber unser Kleiner ist auch sehr fordernd im Vergleich zu dem Kind von meiner Freundin (der ist eher tiefenentspannt und scheit nie). Aber da alle anderen bereits schwanger sind, wird sich bald einiges im Freundeskreis ändern. Mal sehen, was die dann so berichten.

Oh ja, den kleinen Zwerg mitzunehmen ist schon ganz schön anstrengend, aber da er sich an der frischen Luft am wohlsten fühlt, sind wir eigentlich immer unterwegs. Das schlaucht dann immer total, sodass wir früh ins Bett fallen.
Juliane77

Beitrag von Juliane77 »

Hallo Tilli,

meine Empfehlung hört sich vielleicht etwas hart und ungewöhnlich an, aber nach langjähriger Erfahrung mit meiner Erkrankung hat sich herausgestellt, dass ich immer am besten damit gefahren bin, wenn ich das Ganze nicht verheimlichte, sondern offen darüber redete. Die Leute sind doch erstaunlich verständnisvoll. Klar sind nicht alle so und man muss sich auch darauf einrichten, mal Negatives zu hören...

aber erstens, wenn wir nicht wenigstens bei unseren Freunden offen darüber reden, über diese Krankheit, wird sie immer ein Tabuthema bleiben. Ich habe es sogar oft erlebt, dass, wenn ich offen darüber redete, was mit mir los ist, sich andere plötzlich auch öffneten und ich erfahren habe, das andere auch mal depressive Phasen hatten oder auch welche kannten, die psychisch krank sind.

zweitens kann ich auf ,,Freunde" verzichten, die für meine Erkrankung kein Verständnis haben. Ganz ehrlich.

Und wie gesagt, meine Bekannten und Freunde wissen bereits alle davon seit dieser schweren Krankheitsepisode, die ich 2007 hatte und alle hatten erstaunlich viel Verständnis, was ich nie so erwartet hätte.

Liebe Grüße
franzi8511

Beitrag von franzi8511 »

Wie ist es denn wenn du ganz alleine mit deinem kind bist? Hast du da auch die ängste?
Bommelchen

Beitrag von Bommelchen »

Hallo Tili,

ich möchte mich Juliane anschließen. Ich habe meine Erkrankung auch nie verschwiegen und keine schlechten Erfahrungen damit gemacht. Es ist wichtig, dass psychische Erkrankungen endlich aus der dunklen Ecke hervorgeholt werden, damit der Rest der Bevölkerung merkt, dass die Betroffenen schwer krank, aber nicht "verrückt" sind. Wenn Du Diabetikerin wärst, wäre Dir das doch auch nicht peinlich, oder?

LG Bommelchen
Sabrina M.

Beitrag von Sabrina M. »

Ihr habt ja recht. Früher konnte ich meine Probleme immer offenbaren - manchmal sogar meine Freunde damit nerven - aber jetzt ist es total schwer. Ich fühle mich dann so ausgeliefert und hilflos. Vielleicht werden dann meine Handlungen viel intensiver beobachtet - was mich unheimlich unter Druck setzten würde. Es ist eben nicht einfach, da mein Selbstvertrauen momentan arg angekratzt ist.

@franzi8511
Ja liebe Franzi, dass ist mein größtes Problem. An dem ich aber gerade hart arbeite. Früher bin ich morgens immer mit dem Kleinen zu meinen Eltern gefahren, da ich große Angst davor hatte mit meinem Süßen allein zu sein. Jetzt übe ich fleißig daran und bleibe daheim. Dazu muss ich aber sagen, dass ich nie den ganzen Tag allein bin, sondern immer nur ein paar Stunden. Ich setzte mich nicht mehr unter Druck, sondern mache ganz kleine Schritte. Leider gibt es bei mir noch einige schlechte Tage, aber mit AD und Therapie geht es schon besser. Geht es dir chon etwas besser?
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Tili,

ich möchte dir Mut und Hoffung machen: Es wird besser. In kleinen Schritten, aber es wird besser werden. Mir ging es genau so. War mein Partner dabei, ging es mit dem Kleinen sehr gut, war ich allein mit ihm war ich voller Zweifel, Ängste usw. In dieser Zeit bin ich auch sehr viel raus gegangen, gleichzeitig habe ich dann auch versucht aktiv alleine mit dem Kleinen zu sein um das "alleine sein" zu üben - genau wie du es machst. Und es ging immer besser und besser.

Die Therapie hat sehr viel dazu beigetragen, dass mein Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Selbstliebe gestiegen sind. Und je mehr diese 3 "Grundpfeiler" wuchsen, umso besser konnte ich wirklich auf eigenen Beinen stehen und auch problemlos mit dem Kleinen alleine sein. Es tatsächlich auch eine Übungssache - für viele völlig normal, für halt nicht und daher müssen wir dran arbeiten.

Den Druck den du dir selbst auferlegst, kannst du dir ebenfalls nur selber nehmen: In dem du dich traust, deine Krankheit mit Selbstbewußtsein anzunehmen und darüber zu reden. Aber auch hier wird es in kleinen Schritten gehen, du brauchst dich nicht gleich der ganzen Welt anzuvertrauen. Und ich bin mir sicher, dass dir die Therapie genau dabei helfen wird, über deine Erkrankung zu sprechen - ohne Scham, ohne Angst - sondern ganz selbstbewußt.

Es ist jetzt eine schwere Zeit für dich, in der du sehr viel hart erarbeiten mußt, was für andere selbstverständlich ist. Aber vielleicht tröstet dich das: Ich habe das selbe durch und heute nach 7 Jahren kann ich sagen, dass ich glücklicher und selbstbewußter bin als mein ganzes Leben vorher. Die PPD war schrecklich schmerzhaft - aber ohne sie hätte ich nie eine Therapie gemacht und somit auch nicht uralte Ängste ablegen können. Und ich bin heute wirklich in der Lage zu sagen, dass die PPD nicht umsonst war, sie war wichtig um mir meinen Weg zu zeigen. Die Dynamik des Weiterentwickelns die durch die Krankheit und die Therapie enstanden sind, wirken bis heute nach und setzen sich ständig fort.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Sabrina M.

Beitrag von Sabrina M. »

Liebe Marika,

danke für die lieben Worte.

Die Krankheit schränkt einen schon ziemlich ein und man muss sich immer wieder dazu zwingen "neue" Dinge auszuprobieren, die zuvor selbstverständlich waren. Gestern zum Beispiel habe ich mich mit zwei Freundinnen getroffen. Als die Verabredung stand kamen prompt die Ängste auf: "Hoffentlich schaffst du es mit dem Kleinen allein" usw. Aber ich habe es sehr gut gemeistert und mich darüber gefreut. Meine beiden Freundinnen wussten natürlich nix davon. Mal sehen, wann ich mich endlich traue offen darüber zu sprechen, ohne Scham.
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