Ungünstige Prognose bei Zwangsgedanken?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Muschelkalk

Ungünstige Prognose bei Zwangsgedanken?

Beitrag von Muschelkalk »

Hallo, liebes Team (hab ich eben so gelesen und finde diese Bezeichnung klasse, denn wir sind ja in der Tat ein Team)


Ich bin ja ein sehr kopflastiger Mensch (hahaha) und versuche schon seit langem, meiner Krankheit kognitiv ein Schnippchen zu schlagen. Ich lese alles, was an Fachbüchern auf dem Markt ist, und versuche wie entfesselt, alle Infos in einen Gesamtzusammenhang zu setzen. Hab mir vorgestern ein neues Buch gekauft, dass ich prinzipiell sehr fundiert und gut verständlich finde...
Zwangskrankheiten von Otto Benkert...(7,90 Euro)

Da gibt es aber einen Aspekt, der mich sehr beunruhigt. Der Autor (Prof.Med) schreibt, Menschen mit reinen Zwangsgedanken hätten eine schlechtere Prognose als beispielsweise Waschzwängler, Kontrollzwängler, etc.
Hhmmm, ich hab zwar ein paar kleine Zwangshandlungen...aber alles nicht so dramatisch. Mich quälen vor allem die ZG's.

Meine Frage an euch:

Wer von euch HATTE ZG's und gilt aus heutiger Sicht als geheilt...ich meine, sind die Dinger ganz weg aus Eurem Kopf? Wie habt Ihr das geschafft? Habt Ihr in eurer Thera eher Konfrontation ("denk die Gedanken zu Ende") oder eher kognitive Strategien ("wie wahrscheinlich ist das? Sie wissen ja, dass viele Menschen ZG's haben...") gemacht?

Ich bin irgendwie voll panisch, da ich mich so fürchte, ich könnte das Problem niemals hinter mir lassen...

Muschelkalk

P.S. Sagt mal, gehts Euch auch morgens viel schlechter als abends?
rebecca

Beitrag von rebecca »

Ich finde es immer schwierig wenn jemand sagt *das ist nicht zu schaffen*
Wer sagt das? Menschen die für immer an den Rollstuhl gefesselt sein sollten laut Aussage der Ärzte und dann doch wieder laufen können. Warum geschieht das? Es sind die Selbstheilungskräfte in uns. Der Glaube an uns und an dem was in uns steckt machen doch erst Wunder war. Ich denke sich in eine Schublade stecken zu lassen raubt uns unseren Glauben, der ja bekanntlich Berge versetzen kann. :wink:
Eine gute Zusammenarbeit mit Thera und eine Portion Mut haben schon Wunder vollbracht.
Lasst euch nicht entmutigen von Dingen die irgendwo geschrieben werden.
Schizophrenie galt damals auch als *unheilbar* und wo stehen wir jetzt?
Es ist heilbar. Alles liebe und vertraut auf das was ihr inne tragt.
Rebecca :wink:
sunshine

Beitrag von sunshine »

Hallo Muschelkalk,

hab schon lang nicht mehr geschrieben, aber ich möchte dir Mut machen!
Als ich damals die schlimmen Zwangsgedanken hatte, wusste ich noch nichts von dem Forum und nahm einfach an ich bin "verrückt". Ich hab mich nicht getraut mit jemandem darüber zu reden, weder mit meiner Therapeutin noch mit der Ärztin aus Angst, sie würden mir meinen Sohn wegnehmen!!!!!

Nun ja, ich hab keine Massnahme gegen die Zwangsgedanken gehabt, ich hab sie einfach ausgehalten. Und waren sie auch noch so schlimm. Oft bin ich fast verzweifelt dabei, aber nach fast über einem Jahr haben sie nachgelassen, sie waren in der schlimmen Zeit auch nicht immer gleich stark da, so Schwankungen eben. Dieser Autor mag insofern recht haben, als das diese Gedanken immer wieder mal in den Kopf springen so wie bei mir nach fast 4Jahren!!!! aber sie haben mir nichts mehr an, ich empfinde keine Angst mehr dabei und das ist glaube ich der springende Punkt. Unsere Erinnerung hats noch gespeichert, aber wir fürchten uns nicht mehr, ergo diese Erinnerung kann gelöscht werden.

Liebe Muschelkalk, vertraue darauf, dass jedesmal wenn du einen ZG hast und ihn wieder ziehen lässt wieder eine gewonnene Schlacht für dich ist!

Alles Liebe,
Christine
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Marika
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Beitrag von Marika »

Liebe Muschelkalk!

Mir hat etwas aus meiner Therapie sehr geholfen: Wir haben am Tag viele tausende Gedankengänge - nur ein bruchteil davon ist für uns wichtig - der Rest verschwindet unbeachtet und unausgeführt wieder. Jeder Mensch hat auch hin und wieder total seltsame Gedanken - so in der Art wie "Was wäre wenn ich....." das gehört zur menschlichen Natur dazu. Bei gesunden Menschen "sortiert" ein bestimmtes Gehirnarel diese Gedanken aus, bewertet sie als "nicht wichtig" und sortiert sie aus - und sie verschwinden auf nimmer Wiedersehen. Zum Zwang werden sie ja, wenn wir Ihnen zuviel Aufmerksamkeit schenken und ihre Wichtigkeit total überschätzen bzw. sie total überbewerten. So wird der Zwang daraus, sich immer wieder und wieder zu Kontrollieren.

Wir müssen also nicht von den Gedanken an sich geheilt werden, sondern von unserem falschen Bewerten, von unserem Kontrollieren wollen - sprich von unserem Perfektionismus der Angst, die entsteht, wenn wir nicht perfekt sein können. Die "komischen Gedankengänge" die werden bleiben, aber sie werden so minimal sein, dass sie uns mit der Zeit wie bei einem Gesunden nicht mehr auffallen, geschweige denn ängstigen. Und das ist doch das Ziel, oder? Denn wenn ich keine Angst mehr vor den ZG habe, habe ich schon mal dem Zwang total den Wind aus den Segeln genommen.

Diese Angst kann man verlernen - mir gelingt das wirklich in meiner Therapie. Und du schaffst das auch!!!!

Vergiss bitte nicht - solche Gedanken gehören zur menschlichen Natur - wir müssen nur die Angst verlernen - dann zieht sich auch das Zwanghafte zurück!!!!

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Blancanieves

Beitrag von Blancanieves »

Hi!!

Also, ich denke, dass es damit zu tun hat.. das das Denken schneller und einfacher geht als sich die Hände waschen oder mehrmals Sachen kontrollieren... verstehst du mich??

Bei mir fingen die Zwangsgedanken an, als ich in der Pubertät kam.. plus Depris, Ängste usw. (ich war damals 13 Jahre jung)... Diese sind auch aufgetreten als es mir vor der Regel komisch ging und geht... deswegen glaube ich das das Ganze bei mir hormonell bedingt ist.. Meine ZG wollen mir u. a. sagen, dass ich böse, gemein und schmutzig bin .. was aber nicht der Realität entspricht.. ich bin nicht gemein und auch nicht böse... genau das Gegenteil.. ich bin ein guter, netter, empfindsamer und respektvoller Mensch...ich versuche immer meinen Mitmenschen mit meinen Worten oder Meinungen nicht zu verletzen, ich bin auch sehr taktvoll.. deswegen verstehe ich es nicht... warum versucht mein Gehirn das Gegenteil zu denken oder fühlen??? Das werde ich meine Therapeutin nächstes Mal fragen (ich glaube, ich hatte es schon erwähnt)

Muschelkalk: Ich weiß nicht, ob ich dich das schon gefragt habe... Wann fingen bei dir die ZG an? Gab es irgendeinen Auslöser? Was wollen diese ZG dir sagen?

übrigens: Ich finde, dass du eine sehr empfindsame Dame bist...


Ich freue mich auf deine Antwort!!
Xine

Beitrag von Xine »

hallo Muschelkalk


Wie wir jetzt ja rausbekommen haben,leide ich ja scheinbar auch an einer Form der Zwangsgedanken.

Ich habe das Problem seit 1997...seit 2004 akut.Es gibt Zeiten,da denke ich "mensch du hast es geschafft" Die Zeiten waren sogar schon 2 Jahre am Stück (medikamentenlos).Warum ich da ZG-los war weiss ich nicht genau.Wenn ich es wüsste wäre ich nen riesen Schritt weiter.

Ich bin mir sicher,dass man es "heilen" kann.Nämlich mit der richtigen Therapieform,die ich aber leider noch nicht gefunden habe.

Das mit dem Verlernen klingt schon sehr gut.Aber auch das muss man erstmal "trainieren".Und da braucht man auch die richtige Unterstützung.

Ich selber bin auch oft hoffnungslos,und ich hab Angst dass ich damit für immer leben muss.Für mich kaum auszuhalten.


liebe Grüsse
Anja,die heute leider zugedröhnt ist :cry:
Anke
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Beitrag von Anke »

Hallo Muschelkalk,

seit vier Jahren bin ich gesund - ich hatte eine schwere PPD mit schlimmen Zwangsgedanken.

Bei mir war es so, dass die Zwangsgedanken so richtig erst verschwunden waren, als ich medikamentenfrei war. Ich nahm ca. 18 Monate Medizin, die Zwangsgedanken dauerten minimal länger an. Aber wie schon oft beschrieben wurde, gibt es sie nur während der Krankheit. Sobald man auf dem Weg der Besserung bzw. gesund ist, werden die Gedanken weniger bzw. verschwinden vollkommen.

Natürlich kenne ich noch fast alle meine Zwangsgedanken; aber sie machen mir keine Angst mehr, sie sind "nur" noch Erinnerung. Ich glaube, das ist der wesentliche Unterschied.

Während meines Klinikaufenthalts hatte ich u. a. Gesprächstherapie; da wurde mir auch gesagt, ich solle doch mal eine halbe Stunde nur an "gute" Dinge denken, dann eine Viertelstunde die schlimmen Dinge/Zwangsgedanken aufgreifen. Ich muß sagen, damals hat es bei mir nicht funktioniert...

Wahrscheinlich ist es auch eine Frage der Zeit; die Krankheit (und eben auch die Zwangsgedanken) dauert eben manchmal sehr lange...

Alles Gute weiterhin!
Viele Grüße von Anke

"Die Zeit heilt alle Wunden..."
valentina

Beitrag von valentina »

:-) Hallo Muschelkalk
Ich hatte auch sehr starke und schlimme Zwangsgedanken. Ich habe wirklich oft gemeint ich drehe durch, da ich vor meiner PPD noch nie auch nur annähernd so etwas hatte. Für mich waren diese Zwangsgedanken das schlimmste Symptom der Krankheit. Sie haben mich total fertiggemacht. Ich kann dir aber sagen, dass meine Zwangsgedanken verschwunden sind. Es hat lange gedauert, bestimmt zwei Jahre. Ich habe sie dann noch eine Weile selbst heraufbeschworen, nur um mir zu beweisen, dass sie mir keine Angst mehr machen können. Und mit der Angst sind auch die ZG verschwunden. Als wäre es für sie zu doof geworden, jetzt, wo sie keine Angst mehr auslösen können. Das ist auch das Symptom, das wirklich ganz und gar verschwunden ist. Und da es mein Schlimmstes war, bin ich natürlich total glücklich darüber. Ich bezeichne mich ja eigentlich als gesund. Mein Leben ist wieder sehr lebenswert geworden. Schlechte Tage gibts auch bei mir noch. Aber das ist ja wahrscheinlich auch normal. Wie du siehst, können diese gemeinen ZG also wirklich ganz verschwinden. Ich hoffe, das gibt dir wieder Mut! :!: Du bist ja auch eine Kämpferin. Liebe Grüsse :!: Valentina
valentina

Beitrag von valentina »

:-) Hab noch was vergessen. Ich wollte dir noch sagen, dass es mir auch immer morgens viel schlechter ging. Es wurde dann manchmal durch den Tag etwas besser, am Abend ging es mir meistens am besten. Aber am besten war in der schlimmsten Zeit auch nicht gerade toll. Aber der Morgen war wirklich eine reine Katastrophe!
LG Valentina :-)
Sas

Beitrag von Sas »

Liebe Muschel,

Du hast schon so viele tolle Antworten bekommen. Lass Dich nicht entmutigen. Viele von uns hier hatten ZG und haben es geschafft, sie zu überlisten. Bei mir waren die ZG ja auch grauenvoll, und morgens war alles besonders schlimm. Ist ja leider klassisch für diese Krankheit...
Ich habe mich erst ganz bewußt den Gedanken ausgesetzt, sie irgendwann nicht mehr bewertet und dadurch wurden sie leichter. So konnte ich mich gedanklich wieder anderen Sachen widmen und die ZG sind zu einem sehr selten auftretendem kleinen Ärgernis geworden. Ich weiß, das ist sehr sehr schwer. Aber Du schaffst es!

LG, Saskia
Muschelkalk

Beitrag von Muschelkalk »

Liebes Team :D
Danke für die unterschiedlichen Betrachtungsweisen. Ich habe gestern einen Termin bei meinem Doc/Therapeuten gehabt, und habe ihm meine Befürchtung bezüglich ZG's mitgeteilt.

O-Ton: "Vergessen Sie das bitte so schnell wie möglich. Solche Prognoseaussagen sind nie zu vereinheitlichen!!!"

Er meint, die wichtigsten Voraussetzung fürs Gesunden seien ja bei mir (und auch bei euch!!!) vorhanden:.

- Kenntnis von der Krankheit
- Medikamentöses Wiedereinrenken des Gehirnstoffwechsels (ganz wichtig bei überwiegend ZG's)
- verhaltenstherapeutisches Coaching
- verständnisvolles Umfeld


Ich wusste ja jahrelang nicht, was ich habe. Und seit ichs weiss und besser verstehe, gehts mir alleine deswegen schon bedeutend besser.

Ich tue mich halt nur schwer mit der Erkenntnis, dass das immer ein Teil von meinem Leben sein wird. Und wenn ich mich dann traue, Mutter zu werden, ist die Verantwortung auf meinen Schultern ja noch schwerer...das beschäftigt mich halt sehr. (Hängt aber bestimmt auch damit zusammen, dass die Gesellschaft so tut, als wäre das Muttersein eine Auszeichnung, die einen in unendliches Glück versetzen MUSS)

Von Herzen Danke für eure Beiträge

Muschelkalk
Muschelkalk

Beitrag von Muschelkalk »

Hab noch zwei Sachen vergessen:

1. Das klingt jetzt bestimmt doof, aber ich finde es sehr erleichternd, dass ihr das auch kennt mit diesem Morgentief

2. Schneeweisschen ( :wink: ), was meinst du mit "empfindsam"? Ich stehe mit beeidden Beinen auf em Bodden. Jawoll. Weiss gar net, was du meinscht.... :D :D :D

Muschelkälkchen
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