Hallo aus Bremerhaven

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RebeccaH

Hallo aus Bremerhaven

Beitrag von RebeccaH »

Hallo zusammen!

Nun habe ich mich endlich hier angemeldet und werde gleich mal damit beginnen mich vorzustellen und meine Geschichte erzählen.

Am 07.07.2013 ist mein Sohn Mattis auf die Welt gekommen. Er war ein absolutes Wunschkind, alles war bereit für seine Ankunft, mein Mann und ich waren so aufgeregt. Das einzige Wort das meine Hebamme im Geburtsvorbeitungskurs über psychische Erkrankungen nach der SS erwähnt hatte war: Es gibt eine Depression, die kommt aber ganz selten vor und noch viel seltener eine Psychose.

Etwa eine Woche vor dem erechneten Termin begann mein Blutdruck zu steigen und fünf Tage nach dem Termin wurde aufgrund der beginnenden Gestose eine Einleitung im Krankenhaus durchgeführt. Die Geburt war schlimm, sehr traumatisierend. Ich empfand die operative Beendigung der Geburt mit der Zange als eine Gewalttat. Noch Stunden nachdem ich schon den Kreißsaal verlassen hatte habe ich am ganzen Körper gezittert. Das Anlegen meines Sohnes hat anfangs auch nicht gut geklappt, meine Milch kam ausserdem erst sehr spät. Mein Sohn bekam dann Durstfieber, ich sollte ihn dann stündlich anlegen. Geschlafen hatte ich zu diesem Zeitpunkt (zwei Tage nach der Geburt) noch keine Sekunde. Mein Mann war eine große Hilfe, konnte aber auch nicht jede Minute bei mir sein. Am dritten Tag ohne Schlaf fand ich endlich etwas Ruhe und wachte nach etwa 2 Std. plötzlich auf. Alles drehte sich um mich herum, mein Herz raste, ich konnte nicht klar denken. Ich lief im Zimmer auf und ab, ging auf den Balkon, langsam beruhigte ich mich wieder. Ich erzählte niemandem davon, ich konnte überhaupt nicht einorden was mit mir passierte. In der darauffolgenden Nacht konnte ich nicht schlafen, obwohl ich den Schlaf bitter nötig hatte. Ich bekam heisse Schauer wenn ich nur leicht einzunicken drohte. Wir fuhren dann am nächsten Tag mit unserem Sohn nach Hause, aber ich konnte mich nicht darüber freuen, hatte ich doch immer die bevorstehende Nacht im Kopf und die Angst vor dem Einschlafen. Schließlich ging es so weit, dass ich 7 Tage am Stück nicht geschlafen habe und anfing im wahrsten Sinne des Wortes verrückt zu werden. Ich bildete mir ein schwer erkrankt zu sein, ich konnte mir als eingefleischte Schulmedizinerin (ich bin Tierärztin) nicht vorstellen, dass meine Psyche zu derartigem in der Lage ist. Das Ende vom Lied war dann, dass mein Mann und ich mit unserem 1 Woche alten Sohn zu meinen 400 km entfernten Eltern fuhren, die derart geschockt waren von meinem Zustand, dass sie mich direkt in die Klinik bringen wollten. Ich habe mich zu diesem Zeitpunkt noch geweigert. Ich wurde dann bei meinen Eltern aber ruhiger, wir blieben 2 Wochen in denen ich mich etwas erholte und vor allem schlief!! Ich dachte, dass alles überstanden wäre..

Etwa eine Woche nachdem wir wieder weggefahren waren, begann ich erneut zu denken, dass ich sehr krank sei. Ich stellte mir Senkungen meiner Organe durch die Zangengeburt vor. Ich wurde immer antriebsloser. Ich hatte Angst, jede Sekunde meines Lebens hatte ich Angst. Wie ihr vielleicht feststellen könnt, erwähne ich mit keinem Wort mein Kind. Das liegt daran, dass mein Kind für mich zu dem Zeitpunkt keinerlei Rolle gespielt hat. Er war mir egal, hätte jemand zu diesem Zeitpunkt gefragt, ob er/sie meinen Sohn mitnehmen darf, hätte ich dankend ja gesagt.
Ich wollte ihn nicht haben, schließlich hatte er mich in diese Lage gebracht. Ich wollte mein altes Leben zurück, Mattis hat mich regelrecht angeekelt. Die einzige Zeit in der ich etwas mit ihm zutun hatte, war beim Stillen und selbst dann habe ich ihn nicht angeschaut. Hatte er fertig getrunken, musste mein Mann ihn wieder nehmen. Zum Glück hatte er sich 8 Wochen Elternzeit genommen, wir wollten die ersten Wochen gemeinsam genießen. Davon waren wir aber weit entfernt. Nach einem erneuten Zusammenbruch als Mattis 5 Wochen alt war, sind wir wieder halsüberkopf zu meinen Eltern gefahren.
Bis zu diesem Tag hatte weder meine NachsorgeHebamme noch mein Frauenarzt ein Wort über eine PPD verloren. Ich fühlte mich so allein auf dieser Welt mit meinen Problemen. Ich hörte mit dem Essen auf, weinte jeden Tag. Bei der U3, die wir bei einer Freundin meiner Eltern machten, erzählte ich, dass es mir nicht gut geht und dank dieser tollen Ärztin bekam ich einen Termin eine Woche später beim Chefarzt der Psychiatrie des Krankenhauses in Bremerhaven (Dr. Eikmeier). Zum Glück, denn an dem Tag dieses Termins, hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass ich so nicht mehr weiterleben möchte und kann.

Ich blieb dann auf Rat des Arztes gleich dort, er diagnostizierte eine schwere PPD mit Angststörung. ENDLICH hatte ich eine Erklärung für meinen Zustand. Ich blieb 4 Wochen dort, mit vielen Höhen und Tiefen, die Zeit war so schwer. Ich stillte sofort ab, bekam Antidepressiva, konnte wieder etwas Luft holen. Nun werde ich ambulant weiterbehandelt. Derzeit nehme ich 40 mg Citalopram und 7,5 mg Mirtazapin. Mit der Zeit kam das Interesse an meinem Sohn, den ich mittlerweile nicht mehr hergeben würde.

Ich habe noch immer zwischendurch schlechte Tage, ich versuche diese dann durchzustehen. Ich habe sehr verständnisvolle Menschen um mich herum, das hilft enorm. Trotzdem fehlt mir manchmal der Austausch mit Frauen, die selber durch diese Hölle gehen oder gegangen sind. Deshalb habe ich mich hier angemeldet.

Viele Grüße, Rebecca mit Mattis
engelchen2012

Re: Hallo aus Bremerhaven

Beitrag von engelchen2012 »

hallo rebecca!

erst mal herzlich willkommen hier im forum! und schön, dass es dir wieder besser geht! gott sei dank hast du so schnell hilfe bekommen!

wenn du hier ein wenig liest, wirst du erstaunt feststellen, wie häufig so eine depression nach der geburt vorkommt! du siehst, du bist nicht allein damit! wenn du fragen hast - nur los! hier bist du richtig!!

immerhin hat deine hebamme überhaupt im vorbereitungskurs etwas zu diesem thema gesagt, viele wissen überhaupt nicht, dass es sowas gibt. meine hebamme hat dieses thema gott sei dank auch angesprochen, hat auch gesagt, dass es noch monate nach der geburt dazu kommen kann, sie war dann auch die erste person, bei der ich hilfe gesucht habe. sie hat das ganze vor vielen jahren nämlich auch selbst erlebt.

ich wünsche euch alles gute!

lg, engelchen
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Marika
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Re: Hallo aus Bremerhaven

Beitrag von Marika »

Herzlich Willkommen in unserer großen, virtuellen Familie, liebe Rebecca!

Du bist hier sehr richtig, wie du sicher schon gemerkt und gelesen hast. Was du erlebt hast ist sehr traumatisch und in vielem was du schreibst erkenne ich mich wieder. Die Angstgefühle, micht mehr Schlafen, das nicht mehr essen, das Desintresse am Baby und das furchtbare Gefühl ganz alleine mit all diesen Emotionen zu sein, einschließlich dem schrecklichen Verdacht verrückt zu werden. All das haben wir hier erlebt und soooooo selten wie manche "Fachleute" immer noch beteuern kommt das leider, leider nicht vor, wie man unserer großen Zahl hier sieht. Ich hoffe, dir tut der Austausch mit uns hier ebenso gut wie mir - ich bin schon seit 8 Jahren hier und muss ganz klar sagen: Schatten und Licht war ein ganz wichtiger Eckpfeiler auf meinem Weg wieder gesund zu werden.

Es ist ganz toll, dass es dir mittlerweile wieder sehr viel besser geht, hab noch Geduld - es dauert einfach seine Zeit. Ich habe eine ganz ähnliche Medikation wie du bekommen und es hat mir sehr geholfen, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Lange habe ich auch eine Psychotherapie gemacht, was ebenfalls enorm wichtig war, krankmachende Verhaltensmuster zu erkennen und umzuwandeln.

Machst du auch Therapie mässig etwas?

Schön, dass du da bist!!!! :D
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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