
ich bin 25 Jahre alt und Mutter einer wunderschönen kleinen Prinzessin, die nächste Woche 1 Jahr alt wird. Die Schwangerschaft war super, mir ging es top, ich hab mich riesig auf die Kleine gefreut und alles vorbereitet, das Zimmer herausgeputzt und einen schönen Namen herausgesucht.
Dann kam die Geburt, sie fand im Geburtshaus bei meiner Hebamme statt, war wunderschön, komplikationsfrei und aus eigener Kraft heraus, ohne PDA, Schmerzmittel, Wehentropf und dem üblichen. Es war ein wundervoller Moment, als ich die Kleine hochnahm und sie das erste Mal im Arm hielt.
Auch die ersten Tage nach der Geburt waren noch wirklich schön, ich hatte viel Kraft und kümmerte mich gern um die Kleine, obwohl ich da schon nicht mehr schlafen konnte und plötzlich einen Ekel vor scharfen Gerüchen und vor Essen hatte. Dann, fünf Tage nach der Geburt, als meine Großeltern gerade zu Besuch waren, erlebte ich urplötzlich einen Zustand extremer Euphorie und Hochgefühls, was mir schon fast Angst machte. Ich fühlte mich überdreht und wie auf Drogen, meine Hände zitterten, meine Füße waren eiskalt und ich konnte nicht mehr schlafen. Ich war sooo überglücklich, ratlos, unruhig und realitätsfern.
Dann folgte Streit mit meinem Partner, weil der gar nicht verstand, was los war. Ich wusste es ja selber auch nicht. Wir stritten und redeten die ganze Nacht lang, wodurch ich wieder nicht zum Schlaf kam. Er sagte auch einige sehr verletzende Dinge. Am Morgen danach hatte ich einen Nervenzusammenbruch und schrie die ganze Zeit.
Meine Hebamme schickte mich daraufhin zur Mutter-Kind-Tagesklinik, wo ich mit einer Psychologin über meinen seltsamen Zustand reden sollte. Sie vermutete wohl eine Wochenbettdepression. Ich wollte überhaupt nicht dahin. Mir ging es doch gut, ich liebte mein Kind, ich hatte nur zu wenig Schlaf (bzw. überhaupt keinen Schlaf). Schon auf dem Weg hin kam mir alles ganz komisch vor. Ich nahm alles so seltsam wahr. Ich roch Gerüche und fühlte Dinge, die für die anderen gar nicht da waren. In der Klinik kam es mir so vor, als ob alle mich verächtlich anstarren würden, wie Zombies. Meine Kleine schrie und ich hörte das so superlaut, schallend, gellend. Ich begann zu weinen und wollte nur nach Hause und mein brüllendes Baby stillen und schlafen. Ich jammerte, dass ich nach Hause will und wir fuhren auch nach Hause und ich beruhigte mich wieder. Nur schlafen konnte ich nach wie vor nicht mehr.
3 Tage später wurde mir die Kleine am frühen Morgen zum Stillen hergebracht und ich sah sie tot vor mir liegen (das war nur eine Halluzination, in Wahrheit hat sie ganz normal geschlafen). Ich dachte, ich hätte die Kleine umgebracht – nicht auf aktive Weise, sondern passiv, das heißt, ich und meine Familie haben sie durch den ganzen Stress so schlecht behandelt, dass sie selbst sich entschieden hätte, wieder zu gehen. Ich fing sofort wie wahnsinnig an zu schreien, hab mit Hände auflegen und Stillen versucht, sie wiederzubeleben. Ich dachte, das sei nun eine Prüfung von Gott, ich muss jetzt zeigen, dass ich für das Leben meines Kindes kämpfen kann. Sie sah für mich so tot aus, bleich und mit schwarzen Fingernägeln. Dann bildete ich mir ein, dass sie vielleicht verhungert wäre, weil aus meinen Brüsten nur Wasser käme. Ich hatte ja schon die ganzen letzten Tage aufgrund meinem Ekel vor Essen kaum noch was gegessen. Ich schrie nach Milch und Honig, weil ich dachte, das bildet die Milch neu. Dann wollte ich mir ihr in die Badewanne, wie bei der Geburt (habe sie im Wasser geboren), weil ich dachte, so warmes Wasser wirkt vielleicht belebend. Ich gab die Kleine also meiner Mutter und rannte ins Bad, um Wasser einzulassen.
Doch meine Mutter gab sie nicht her. Wahrscheinlich dachte sie, ich würde die Kleine jetzt in der Badewanne ertränken wollen (was ich nie wollte). Mein Vater hatte schon den Notarzt gerufen und plötzlich waren Rettungssanitäter da. Ich freute mich erst, weil ich dachte, die können meinem vom Tod bedrohten Kind besser helfen. Doch sie nahmen die Kleine nur und taten nichts. Sie trugen sie weg und ich rannte schreiend hinterher ins Treppenhaus (das war eine im Nachhinein voll peinliche Situation, weil ich außer einem Slip gar nichts anhatte und unsere Nachbarn in der Tür standen und alles mit ansahen). Ich wurde zurückgeführt und zog mich an und ein Sanitäter hielt mich und führte mich runter zum Rettungswagen.
Ich fragte die Rettungssanitäter nach Milch und Kakao. Die sagten nur, erst in der Klinik. Ich meckerte sie auch an, dass bestimmt alle mein Handy nach meinen persönlichen Nachrichten durchsuchten. Sie guckten nur doof. Ich fragte sie dann plötzlich auch, ob das wirklich mein Kind sei und es nicht vertauscht wurde. Ich durchlebte die krassesten Filme auf dieser Fahrt in die Klinik, wie auf einem schlechten LSD-Trip.
In der Psychiatrie angekommen, durfte ich mich kurz hinlegen und war dann plötzlich für eine Zeitlang wieder halbwegs klar. Das Aufnahmegespräch schaffte ich mit Müh und Not und schilderte, was vorgefallen war. Dass ich dachte, ich hätte die Kleine umgebracht und so weiter.
Nach 2 Tagen auf der geschlossenen Station erlitt ich einen Rückfall. Die Ärztin sagte zu mir, ich dürfe mein Kind nicht sehen und außerdem, echt mal, man könne doch keine Babys zurückholen durch Hände auflegen. Ich dachte, ok, ich hab es nicht geschafft, also bringt mir mein totes Kind. Ich schrie und wollte mein Kind sehen und wurde aber auf einer Liege fixiert und gefesselt. Ich jammerte, jetzt werde ich für all meine Sünden bestraft und Gott hat mich verlassen (dabei bin ich eigentlich Atheistin). Ich sagte zur Ärztin, ok, dann bringt mich um. Die Ärztin sagte, hier wird niemand umgebracht und ich sollte eine Tablette nehmen. Meine erste Tablette gegen die Psychose. Ich dachte, es wäre ein Mittel, um mir das Sterben zu erleichtern. Aber das war mir auch egal, so könnte ich wenigsten endlich schlafen und ich nahm sie. Sie wirkte langsam und ich konnte plötzlich das, was ich 11 Tage lang nicht gekonnte habe, nämlich SCHLAFEN.
Nach 9 Tagen geschlossener und 2 Monaten offener Psychiatrie kam ich dann in die Mutter-Kind-Tagesklinik. Dort blühte ich richtig auf und nach weiteren 3 Monaten kam ich nach Hause und kann mich seitdem völlig normal und ohne Beschwerden um meine Tochter kümmern. Ich muss aber immer noch 30 mg Abilify und 2,5 mg Zyprexa nehmen.
Wer echt bis hier hin gelesen hat, kriegt einen Keks

Viele Grüße
Seerose
PS: Hab noch vergessen zu sagen, es gab bei mir keinerlei Vorbelastung, ich bin sonst immer psychisch völlig gesund gewesen, die Wochenbettpsychose kam völlig überraschend für mich und meine ganze Familie.