Der Berg ist bezwungen

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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silv2002ana

Der Berg ist bezwungen

Beitrag von silv2002ana »

Hallo Zusammen,

wie soll ich anfangen? ich glaube das stellt sich hier jede Frau.
Und mit Sicherheit könnte jede von uns ein Buch darüber schreiben.
Also mal meine Geschichte...

Ich bin seit 9 Jahren mit meinem Mann zusammen (2 Jahre verheiratet).
Es klappte nie mit dem Kinderkriegen...also entschlossen wir uns für eine künstliche Befruchtung. Aber ich wollte es ganz perfekt, erst die Hochzeit und dann...
kurzerhand haben wir alle im März 2010 informiert, dass wir im Juni 2010 heiraten werden. Nur die engsten Familienmitglieder sollten dabei sein.
Dann der Schock 2 Wochen vor meiner Hochzeit stirbt völlig unerwartet meine Mama an Herzversagen. Sie hat sich so auf ein Enkel (Engel) gefreut. Wir haben alle feierlichkeiten abgesagt und gaben uns standesamtlich das Ja-Wort.
Bis dahin alles noch im Reinen...Dann kamen die ersten Untersuchungen und nervenaufreibenden Arztbesuche..der 1. Versuch ist gescheitert... Beim 2 Versuch war alles perfekt. Ich wurde schwanger...was für ein Gefühl einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand zu halten. das war am 15.04.2011
Die Trauer über die Oma des kleinen Wurms war wie weggeblasen...
ich hatte eine traumhafte Schwangerschaft. Bis zum 15.11.2011
Ich schreckte nachts auf...schweißgebadet, hatte das Gefühl ich müsste sterben, schnappte nach Luft...Was war los? Zitternd habe ich meinen Mann geweckt, wir sind sofort ins Krankenhaus gefahren..."bleiben Sie ruhig" Es ging nicht...Ich wollte etwas zur Beruhigung...man hat mich dann in der Nacht aufgenommen. Am nächsten Tag kam ich zur Psychotherapeutin...Was sollte ich hier? Ich bin doch nicht verrückt!!!! Konnte es mir damals nicht erklären was da abgelaufen ist. Ich war neu, die ganze Situation überforderte mich...ich lief weg (hab mich entlassen lassen) Kaum die Wohnungstür aufgeschlossen, ging es wieder los...als ob jemand in meinem Kopf sitzt und mich steuert...es ging nichts mehr...fernsehen, Musik, Freunde, Kollegen, Familien nichts hat mich erreicht.

Jeden Tag war ich bei meinem Frauenarzt. Planzliche Mittel hier, pflanzliche Mittel da, nichts half, schien nur für kurze Zeit zu sein..ich konnte nicht mehr alleine sein. Rief meinen Mann auf Arbeit an, dass er sofort nach Hause kommen muss, ich weiß nicht mehr weiter. Gott sei dank, ging das, da kurz vor Weihnachten nicht so viel los war.
1000 Zettel drückte man mir in die Hand, Hilfestellen, Organisationen usw..beantragen...Das dauerte mir alles viel zu lang, ich wollte jetzt sofort wieder mein altes Leben zurück..Diese Gedanken nicht mehr haben. und plötzlich merkte ich, wie sehr mir meine Mama fehlt. und ich konnte seit langem das erste Mal wieder weinen...
Ja so bezwang ich die 34.SSW / 35.SSW / 36.SSW.

Dann nochmal die Einweisung in Krankenhaus, dann verschrieb man mir Diazepam - damit kam ich nicht klar. Valium, ich trug doch mein Wunschkind unter meinem Herzen...
Ich bekam kurzfristig einen Termin in Wiesloch...habe mir das angesehen und kam auf die "Warteliste" ich saß nur kopfschüttelnd da. Mir passiert sowas doch nicht!

Dann sagte mein Frauenarzt, was halten Sie von einem geplanten Kaiserschnitt?. Mir wurde warm ums Herz ich stimmte zu. Vielleicht können wir durch den Hormonabfall Besserung herbeiführen...

Gesagt, getan am 21.12.2011 kam mein Adrian auf die Welt. Die Hebamme legte ihn mir kurz nach der Geburt auf die Brust, schon das war mir zuviel. ich wollte ihn nicht...er war schuld an meinem Befinden (wenn ich das heute schreibe, tut mir das in der Seele weh) aber ich habe das damals echt gefühlt.

Dann kamen die Hebammen zum Stillen, zum Wickeln und alles wollte ich nicht...Nur der Verstand sagte, es ist für DEIN KIND aber liebe oder irgendetwas anderes war da nicht. Gott sei dank erlaubten die Hebammen als Weihnachtsgeschenk, dass mein Mann mit über Nacht bleiben durfte..

Dann kamen wir nach Hause, es war alles wie vorher...Panikattacken, Angst, Selbstmordgedanken. Wollte sogar mein Baby abgeben...Adoption, Babyklappe..(Das ist echt hart das nochmal so durchzuleben)

Anfang Januar hatte ich super viel Glück mit einem Therapeuten, er nahm mich an die Hand und sagte, dass kriegen wir schon wieder hin...Ich war erleichtert. das erste Mal das mir jemand Besserung versprach...Er verschrieb mir Amitriptilin - Das war super für mich, ich konnte "DAS KIND" trotzdem stillen (ich konnte ihn nicht lieben). Immer wieder die Gedanken, du musst ihn lieben, du musst ihn lieben... Ich bin so stolz auf mich, dass ich bis heute die Fassung mit dem Kleinen nie verloren habe. Ich war immer da, wenn auch nur körperlich...

Also nachdem das Medikament zu wirken begann, ca. 4 Wochen danach, merkte ich, dass es einige Tage gab, an denen es mir gut ging. es waren zwar nicht viele, aber doch ein Schritt Richtung Heilung. Wenn es mir richtig schlecht ging, habe ich mein Buch genommen und geschrieben...
Habe heute mal nachgesehen, es waren insgesamt 16 Tage beschrieben. Und ich finde, dass das echt gut ist, da es nun ja schon 11 Monate andauert. Ich weiß die 16 Tage sind die Hölle, aber die schaffe ich auch noch..

Ich habe früher viel hier gelesen, konnte aber selbst nicht schreiben, da ich mich einfach nicht konzentrieren konnte. Habe nicht mal die Buchstaben getroffen.

Heute möchte ich sagen, dass ich noch regelmäßig in Therapie bin aber seit gut 4 Wochen komplett ohne Medikamente mein Leben meistern kann.

Ich wohne zwischen Pforzheim und Karlsruhe, und würde gern anderen Müttern Mut machen, dass man das auch schaffen kann. Denn wie wir alle wissen ist reden die beste Medizin.

Mittlerweile liebe ich meinen kleinen Sohn über alles, er macht mir soviel Freude (auch wenn es nicht immer leicht ist). Ich bin stolz auf meinen Mann, meinen Sohn und natürlich auch auf mich. Alle haben ihren Anteil dazu beigetragen, dass es mir heute wieder besser geht...

Liebe Grüße und viel viel Kraft...
lina

Beitrag von lina »

Hallo!

Freut mich sehr zulesen wenn es noch eine weitere Frau geschafft hat!
Das gibt einem wirklich Hoffnung aber bei mir nur für eine kurze Zeit dann denke ich es wird nichts mehr wieder gut ! Ich komm auch aus dem Raum Pforzheim !Woher kommst du genau?

Liebe Grüße Lina :-)
silv2002ana

Beitrag von silv2002ana »

Naja geschafft nicht ganz. Die Erlebnisse haben mich sehr geprägt, bin sehr vorsichtig geworden und höre sehr viel in meinen Körper. Habe jetzt noch etwas Angst, dass sich es im WInter wieder verschlimmert.
Bis jetzt aber noch alles o.k.
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