Licht und Schatten

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sonnenblume

Licht und Schatten

Beitrag von sonnenblume »

Liebe Leser,
Mein Sohn ist inzwischen fünf Jahre und ein großartiges Kind, uns verbindet eine enge Beziehung und ich liebe ihn von ganzen Herzen. Die Zeit meiner ppd hat er seelisch unbeschadet überstanden, meine Eltern haben ihm die positiven Emotionen gegeben, die ich ihm zeitweise nicht geben konnte. Zehn Monate nach der Geburt war ich wieder recht stabil, an unserem ersten gemeinsamen Silvester, das wir alleine verbracht haben, habe ich meiner Mutter gesagt, ich bin genau da, wo ich sein möchte, bei meinem Sohn. Mit Hilfe eines guten Psychiaters konnte ich die Schlaf- und Beruhigungstabletten wieder absetzen. Die AD habe ich bis zu diesem Sommer genommen. Auf einen Impuls meiner Eltern hinhabe ich sie ausschleichend abgesetzt. Sie hatten den Eindruck, ich sei dadurch fahrig, unkonzentriert. Bis Anfang des Monates Dezember kam ich gut zu Recht, ich konnte berufliche (ich arbeite Vollzeit als Förderschullehrerin) und alltägliche Anforderungen als alleinerziehende Mama gut bewältigen. Allerdings war ich schon recht dünnhäutig .Auf der anderen Seite hatte ich den Eindruck, dass ich nach dem Absetzen des AD wieder einen unmittelbareren Zugang zu meinen Gefühlen hatte, nicht nur ein diffuses Unwohlsein. Ich habe Situationen nicht mehr ausgehalten, sondern gehandelt. So habe ich mich darum bemüht, dass mein Sohn den Kindergarten wechselt. Er war in einem Kindergarten, in dem viele Kinder aus belastenden familiären Situationen kamen und dementsprechend sich verhielten, z.B. grundlos kratzten und schlugen. Mein Herz hat sich nicht gewehrt, hat es über sich ergehen lassen. Ich wollte, dass er in ein anderes Umfeld kommt und habe sehr schnell einen anderen Kitaplatz gefunden. Er hat sich dort rasch eingelebt und fühlt sich wohl. Er ist ein sehr lebenstüchtiges Kind, kann sich Situationen sehr gut anpassen, ist mitfühlend, kontaktfreudig, kommunikativ und pfiffig (kann natürlich auch trotzig, wütend und anstrengend sein wie jeder 5jährige). Gleichzeitig habe ich „Himmel und Hölle“ in Bewegung gesetzt die Schule (meinen Arbeitsplatz) zu wechseln, ich hatte einen tyrannischen Direktor, der uns Kollegen gedemütigt hat. Auch dieser Wechsel hat geklappt und ich habe nun eine menschliche Vorgesetzte. Es ist doch eine positive Bilanz des letzten Jahres. Ich verstehe meinen gefühlsmäßigen tiefen Fall seit Anfang Dezember nicht: Unruhe, Angst, Schlafstörungen, morgendliche Übelkeit (wie ich sie aus der Zeit der ppd kenne, schwanger bin ich nicht ;-)). Aus dem Tritt hat mich gebracht dass sich mein Sohn im Kindergarten mit Läusen angesteckt hat, ich hatte die Vision, die werden wir nie wieder los (sind wir aber wieder ) und seitdem verliere ich immer mehr den Boden unter den Füßen, am schlimmsten ist die starke Unruhe.
Seit 16 Tagen nehme ich wieder das AD, habe zusäztlich Schlaftabletten verschrieben bekommen, die nur begrenzt helfen, und Tavor. Die starke Unruhe ist besser geworden. Im Moment sind es Gedankenspiralen (ich werde nie wieder normal, werde frühpensioniert, muss aus unserer Wohnung in einem nachbarschaftlichen Projekt ausziehen, weil sie dann zu teuer ist, bin nicht fröhlich genug für meinen Sohn...) Nur mit Tavor geht es. Ich spiele mit meinem Sohn, kümmere mich um all seine Belange
und versuche den Alltag wie immer zu gestalten. Ich schaffe auch die alltäglichen Anforderungen wie Haushalt und Bürokram. Bin circa 1-2 in der Woche beim Psychiater und Psychotherapeut. Es fühlt sich an wie Überleben, nicht Leben. Hat jemand von euch ähnliche Erfarungen gemacht?
Hier noch einen herzlichen Dank an Marika, die mir bitte verzeihen möge, dass der Inhalt meiner Vorstellung meiner ersten pn an ihr ähnelt.
Ich wünsche euch viele Lichtblicke!
Sonnenblume
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Marika
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Beitrag von Marika »

Liebe Sonnenblume,

schön, dass du jetzt bei uns bist. Weniger schön ist natürlich, dass es dir wieder schlechter ging und ein AD wieder nötig ist im Moment. 16 Tage sind noch wenig, daher ist es völlig o.k., dass du Tavor noch dazu nimmst. Ich hatte das auch, mit der Zeit greift dann das AD und du kannst Tavor weg lassen.

Wenn du dann stabiler bist, kannst du schauen, was du SONST NOCH TUN KANNST - da gibts noch ne Menge:

- Alternative Medizin (TCM, Bachblüten, Homöopathie, Kinesiologie usw.)
- Enspannungstechniken
- Yoga, Chi Gong usw.

Dann natürlich therapeutische Hilfe in Form Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologischer Therapie usw...

Ich hoffe, du fühlst dich wohl und verstanden bei uns - ich freu mich auf Austausch!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
sonnenblume

Beitrag von sonnenblume »

Liebe Marika, du bist doch immer wieder ein Lichtblick? Waren es bei dir auch so Schwankungen, einen Tag morgens mit ner halben Tavor konnte ich witzeln und albern sein, und heute brauchte ich schon 2 Tavor, um meine Angst unter die Füsse zu bekommen. Die Schwankungen haben keinen direkten äußeren Anlass. Es ist wie Achterbahn fahren und ich hasse Achterbahnfahren auch in Wirklichkeit.

Weiß jemand von euch einen guten Tipp bei unspezifischen Ängsten, Panikattacken außer Tavor! Ich habe schon das Pressen eines Igelballs probiert, hat nachts zumindestens einmal geholfen.
Lg an alle
mama4

Beitrag von mama4 »

Hallo Sonnenblume,

erst einmal herzlich willkommen. Hut ab vor deiner Leistung. Bin selber Grundschullehrerin und kann nachvollziehen,welche enorme Belastung es sein muss Vollzeit mit Kind zu arbeiten und zudem noch alleinerziehend zu sein. Habe bis zur Geburt meiner zweiten Tochter auch voll gearbeitet, hatte aber immer meinen Mann (der auch Förderschullehrer ist), der mich im Alltag entlasten konnte.

Würde mir wegen des Tavors keine allzu großen Gedanken machen. Habe es während meiner ersten PPD wirklich lange und ziemlich hoch dosiert bekommen und hatte keine Probleme es wieder abzusetzen, nachdem die ADs endlich gegriffen haben. Auch jetzt habe ich Tavor wieder als Notfallmedikation. Wenn es wirklich nötig ist, habe ich auch keine Hemmungen es zu nehmen.
Die Heldin zu spielen und die Unruhe und Ängste auszuhalten kostet einfach zu viel Kraft, die dann im Alltag und für die Kinder fehlt.
Du wirst merken, dass du ganz von alleine auf die Pillen wirst verzichten können, sobald dein AD voll greift.

LG mama4
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Marika
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Beitrag von Marika »

Oh ja, diese Schwankungen hatte ich auch und sie sind gräßlich. Der eine Tag ist gut und man denkt, man hat das schlimmste gepackt. Und dann - peng - haut es einen wieder rein, ohne ersichtlichen Grund. Dieses unberechenbare ist das eigentlich grausige an dieser Krankheit, man weiß nie, wie lange und ob die Stabilität jetzt hält.

Mir hat unglaublich geholfen, jeden Tag schon morgens mit dem Kleinen im Kinderwagen raus zu gehen. Bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit. Es hat mich oft sehr, sehr viel Überwindung gekostet, aber immer wenn ich dann in der Stadt unter Leuten war, ging es besser. Alleine zu Hause sitzen mit dem Kleinen, war Anfangs der Horror, daher bin ich raus. Oft auch nochmal Nachmittags. Ich hatte eine feste Tagesstruktur: Morgens raus in die Stadt einkaufen usw., Mittags heim kochen (Männe kam von der Arbeit essen), Nachmittagsschläfchen, dann entweder Besuch, oder zu Besuch gehen oder wieder in die Stadt. Für mich wars in der Zeit fast überlebenswichtig diese Struktur zu haben und immer zu wissen, was ich als nächstes tue. Und Leute um mich rum waren auch sehr hilfreich. Mit der Zeit brauchte ich das immer weniger, bis ich locker auch mal ganz alleine mit dem Kleinen gemütlich daheim geblieben bin.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Sabrina M.

Beitrag von Sabrina M. »

Liebe Sonnenblume,

ich möchte Dich ebenfalls ganz herzlich bei uns begrüßen.

Ich finde auch, dass Du schon sehr viel geleistet hast und immernoch leistet. Da kannst Du unglaublich stolz auf Dich sein. Außerdem hast Du schon alles in die Wege geleitet um eine schnelle Besserung zu erlangen.

Ich mache gerade bei einer Online-Studie zum Thema Depressionen mit und bin positiv überrascht (natürlich zusätzlich zur normalen Therapie). Vielleicht interessiert es Dich ebenfalls.

http://www.deprexis.de/de/index.jsp


Wenn Du Fragen hast - nur zu.

Fühl Dich umarmt ...
sonnenblume

Beitrag von sonnenblume »

Liebe Marika, Liebe Tlli, Liebe Mama4, herzlichen Dank für eure Anworten.
Ich kann euch das Kompliment nur zurückgeben, auch ihr leistet viel und könnt stolz auf euch sein. Marika, du hast immer ein offenes Ohr und fachliche Ratschläge, Mama4, Hut ab mit 4 Kindern eine ppd zu durchstehen, Tili, auch du bist eine Kämpferin!
Wie geht es euch denn?
Ich hatte heute einen Tag ohne Angstzustände :D ! Nehme jetzt morgens und abends ne halbe tavor, 30 mg citalopram, 25 mg lyrica (gegen Angstzustände) morgens und abends. Eine richtige Chemiefabrik :( ! Bin ziemlich erkältet und habe heute als mein Kleiner im Kindergarten war, von 10-13.30 geschlafen, und dass ohne chemische Hilfe :-) ! Liebe Marika, ich versuche meinen Tag auch zu strukturieren: die letzten Tage habe ich meinen Kleinen mit dem Schlitten zur Kita gezogen (fahr ja auch im Moment kein Auto wg. der medis.), und Arztbesuche, Haushalt, "Kindbelustigung", langweilig ist mir nicht :wink: ! Nur zuviele Menschen kann ich im Moment nicht ertragen!
Liebe Tili, ich bin mal auf die Website deprix gegangen, ich habe es mit der Registrierung nicht ganz verstanden. Ich habe ihnen eine E-Mail geschrieben. Danke für den Tip.
Kennt ihr das Schamgefühl, schwach zu sein?
Euch wünsch ich von Herzen viele Lichtblicke Sonnenblume
mama4

Beitrag von mama4 »

Hallo Sonnenblume,

danke für deine lieben Worte. Auch wenn Eigenlob stinkt: Ich bin verd... stolz auf mich und das, was ich jeden Tag leiste. Und das sollten alle Frauen in unserer Situation sein. Für mich war es ein langer Weg dahin. Ich hatte das große Glück, vor dem jetzigen Ausbruch meiner Depressionen über 6 Jahre vollständig gesund zu sein. In dieser Zeit hat man die Gelegenheit, die eigene Erkrankung aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ich habe dadurch sehr viele Dinge über mich selber erfahren. Letzendlich hat mich meine PPD stärker gemacht, und ich kann mit der erneuten Krise besser umgehen. Leiderändert das nichts an den eigentlichen Symptomen :cry: . Aus der gesunden Phase weiß ich, dass ich nicht schwach bin. Ich konnte offen über die Krankheit reden. Seit ich wieder darin stecke, fällt mir gerade das unendlich schwer.
Ja, ich kenne diesen Gedanken schwach zu sein, und schäme mich dafür :oops: . Aber das Wissen, dass dies (genauso wie die ganzen Aufs und Abs) ein Symptom der Krankheit ist, lässt es mich besser ertragen.
Und,- und das ist mir besonders wichtig -, ich habe gelernt auf mich und meine innere Stimme zu hören und mir selber zu vertrauen. Ich entscheide, was ich an Hilfe und Behandlung benötige, damit es mir besser geht. Auch ich bin auf die Hilfe von außen angewiesen z.B. durch meinen Mann, meine Eltern, Freunde und meine Ärzte. Ich höre gerne gut gemeinte Ratschläge an, aber letzendlich entscheide ich, welche ich davon annehmen möchte, auch wenn sich der ein oder andere dadurch vielleicht im erstem Moment vor den Kopf gestoßen fühlt. Bis jetzt sind alle darüber hinweg gekommen :wink: .
Der durchgeplant Tagesablauf ergibt sich bei vier Kindern automatisch :lol: und hilft mir ungemein.

Wünsche dir, dass deine Medikament bald anschlagen. Empfinde sie selber auch als furchtbar lästig, aber in meiner derzeitigen gesundheitlichen Lage leider auch als notwendig. :( .

Ganz liebe Grüße mama4

P.S.: Die guten Tage scheinen heute in der Luft zu liegen. Hatte einen sehr schönen und entspannten Nachmittag mit meiner ganzen Familie bei der Tanzaufführung meiner Großen. Das erste mal seit meinem erneuten Tief vor zwei Wochen :lol: !
nic

Beitrag von nic »

Hey Sonnenblume...

ich heiß Dich erstmal herzlich willkommen.

Es ist manchmal sehr verzwickt mit dem Absetzen.

Welches AD hast Du genommen, in welcher Dosis und in welchen Schritten hast Du abdosiert?

Ich würde jetzt erstmal mit dem Arzt die Dosis finden, mit der Du Dich zuletzt wohl gefühlt hast und diese beibehalten bis Du wieder stabil bist...

Das ist ja auch ein Hammer, was Du da zu wuppen hast, ist doch klar, dass Du aufgewühlt bist, oder nicht?

Wenn man einmal an so einer PPD erkrankt war, muss man glaube ich zeitlebens mit dieser dünnen Haut zu leben lernen.

Hast Du denn eine Therapie gemacht?

Viele liebe Grüße

N!c
sonnenblume

Beitrag von sonnenblume »

Liebe mama4 und liebe nic,
Mama4 , ich freue mich, dass du einen schönen Nachmittag hattest.
Ob ich aus meiner ppd etwas gelernt habe, weiß ich nicht, ich neige dazu sehr viel Energie in meine Arbeit zustecken und habe mir keinen Ausgleich gesucht, ich konnte immer schwer abschalten, 1-2 Gläschen Wein, wenn das Kind schlief, war wohl nicht die adäquate Idee. Aufgrund der medis trinke ich im Moment keinen Alkohol, möchte es auch in Zukunft nur auf besondere Anlässe beschränken. Ja und Sport treiben zum Druckabbau.
Liebe nic, ich habe 20 mg citalopram genommen und es selbständig in 4 Wochen abgesetzt. Ich habe an meinem Leben (Sport) nichts geändert und einfach weiter gemacht. Ich bin zum neuen Schuljahr zu einer neuen Schule gekommen, als erste Förderschullehrerin für die Integration und wollte es besonders gut machen. Ich war schon recht dünnhäutig, nervös und unter Strom, habe die Gefahrensignale nicht wahrgenommen. Nun heißt es wieder rauskrabbeln. Ich bin seit ca 8 Wochen wieder in Therapie und er hilft mir großartig. Vom citalopram nehme ich im Moment 30mg.
Wie geht es euch? Viele liebe Grüße sonnenblume
mama4

Beitrag von mama4 »

Hallo Sonnenblume,

hatte heute einen anstrengenden Tag. Mein Mann muss Zeugnisse schreiben und so hatte ich heute morgen alle 4 Kinder beim Einkauf im Schlepptau. Zu allem Überfluss sind sie auch noch alle dick erkältet und zumindest die drei Kleinen dementsprechend nölig. Heute Nachmittag waren wir dann auf einer Familienfeier. 10 Kinder und 14 Erwachsene. Eigentlich immer ganz nett, aber heute war es mir irgendwie einfach zu viel. Als mein Mann dann noch heute Abend Bilder von den Kids hat anschauen wollen, hab' ich beim Anblick der Zwillinge, wie sie da damals im Inkubator als halbe Portionen mit all den Kabeln und Schläuchen liegen, dann auch noch das heulende Elend gekriegt.

Apropos Arbeit. Das mit dem alles besonders gut machen wollen und dann nicht abschalten können kenne ich auch. Habe dann mal eine Vertretungsstelle an einer Schule gehabt, an der die Anforderungen von seiten der Schulleitung an den Einsatz des Kollegiums einfach vollkommen überzogen waren. Habe dort gelernt mich echt diesbezüglich zurück zu nehmen, weil ich ansonsten kaputt gegangen wäre.
Habe dann lange bis kurz vor der Schwangerschaft mit den Zwillingen an einer integrativ arbeitenden Grundschule gearbeitet. Hatte manchmal das Gefühl, dass die Arbeit für unsere Sonderpädagogin ganz schön anstrengend war. Besonders weil sie sich ständig auf andere Lerngruppen und Kollegen einstellen musste. Außerdem fehlt es glaube ich manchmal auch an fachlichen Austauschmöglichkeiten, wenn man alleine an einer Schule ist. Das ist u.a. auch ein Grund, weshalb mein Mann so lange wie möglich an einer Förderschule unterrichten möchte.

Wie ist es eigentlich damals zu deiner PPD gekommen? Bei mir waren in beiden Fällen die sehr traumatischen Geburtserlebnisse und eine hohe Stressbelastung in den Wochen und Monaten nach der Geburt ausschlaggebend.
Freue mich für dich, dass du einen Therapeuten hast, mit dem du so gut klar kommst. Das ist schon die halbe Miete.

LG mama4
sonnenblume

Beitrag von sonnenblume »

Liebe Mama4,

da hattest du ja wirklich einen strammen Tag, mit 4 nöligen Schnupfnasen einzukaufen zu gehen, das ist ja unter normalen Umständen schon anstrengend genug. Ich hatte mir schon mal überlegt, die schweren Lebensmittel liefern zu lassen, da ich aufgrund der medis nicht Auto fahre, bisher ist immer eine liebe Freundin mit mir gefahren. Eine große Familienfeier wäre im Moment auch zu viel für mich, ich hätte das Bedürfnis normal zu sein und keinen Nerv Fragen zu beantworten.

Sind deine Zwillinge sehr viel zu früh geboren? Das ist doch schon emotional sehr belastend, die kleinen Würmchen im Inkubator liegen zu sehen! Ach Mama4 fühle dich gedrückt.
Meine ppd war fast voraussehbar. Ein wenig schäme ich mich immer noch für mein damaliges Verhalten. Ich kannte den „Erzeuger“ grade mal drei Monate und wurde ungeplant schwanger. Auf Anraten meines Hausarztes habe ich mein AD, das ich schon über 4 Jahre genommen habe abgesetzt (wie ich jetzt weiß hätte ich ein AD weiternehmen können). Anfangs war noch alles gut, der werdende Vater (fast 10 Jahre jünger als ich) freute sich, zog zu mir und ich habe nach dem ersten Schock mich auch gefreut. Im Laufe der Zeit wurden unsere Differenzen immer größer. Er ist Koch und arbeitet bis spät abends und zum Feierabend trank er eine Menge Alkohol zum Runterkommen. Wenn er morgens um vier betrunken nach Hause, war ich wach und sauer. Ich habe ihn unter Druck gesetzt sein Leben zu ändern und er hat sich dem widersetzt. In der 26 SSW hat er sich schließlich von mir getrennt. Die restliche Schwangerschaft habe ich mich Wohnungsuche verbracht, liebe Freunde haben sie renoviert. 48 Tage vor dem errechneten Termin bin ich eingezogen, 21 Tage später (drei Wochen zu früh) ist mein Sohn geboren. Der Erzeuger hat sich über die Geburt drei Monate ins Ausland geflüchtet. Ich war sehr unsicher im Umgang mit meinem Winzling und hatte ständig Angst etwas falsch zu machen. Nach ca 5 Tagen fingen die ZG an, das war so fürchterlich. Erst war meine Mutter 5 Wochen bei mir und hat mir in allem geholfen, dann war ich mit ihm eine Woche alleine und dann zwei Wochen mit ihnen im Urlaub, dann waren wir kurz noch einmal alleine und schließlich 6 Wochen bei meinen Eltern, dort bin ich dann auch endlich medikamentös eingestellt worden. Meine Eltern haben großartiges geleistet, sie haben mit ihm gelächelt und geredet, ich habe seine Grundbedürfnisse wie Stillen befriedigt. Aber auch meine Eltern sind in große Not geraten mich so zu sehen und es hat viele Konflikte zwischen uns gegeben. Der behandelnde Psychiater hat von einer Klinik abgeraten, aber genau da hätte ich mit meinem Sohn hingehört.
Inzwischen hat mein Sohn einen guten Kontakt zu seinem Papa, er sieht ihn einmal in der Woche für 5 Stunden. Wir kommen auch ganz gut klar, wenn er mich nicht grade mit fehlenden Unterhaltszahlungen nervt.
Richtig gesund bin ich dann zu Hause alleine mit ihm geworden und war stabil bis zum Sommer dieses Jahres, bis ich AD abgesetzt habe. Ich habe in einer neuen Schule in der Integration angefangen, Umfeld und Arbeitsbedingungen sehr positiv, bin mit 22 Stunden in einer Klasse, 4 Stunden für je einen Schüler aus Parallelklasse und habe noch zwei Stunden zur Beratung. Sehr nette Kollegen, die natürlich Förderschüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen noch schwer einschätzen können. Ich wollte es besonders gut machen und habe kein Ende gefunden. Die Inklusion steckt einfach noch in den Babyschuhen. Ich kann deinen Mann gut verstehen, dass er so lange wie möglich an einer Förderschule arbeiten möchte, organisatorisch können die meisten Schüler dort besser gefördert werden. Ich wünsche deinem Mann viel Erfolg beim Zeugnisschreiben, Berichtszeugnisse sind ja eine Menge Arbeit.

Wenn ich wieder arbeiten gehe, werde ich die Bälle wirklich flachhalten. Natürlich ist es mir unangenehm so lange zu fehlen, aber meine Co-Klassenlehrerin und die Rektorin reagieren sehr verständnisvoll.

Heute ist mein dritter Tag an dem ich noch keine Angstzustände hatte.

Wie geht es dir? Welche Symptome hast du? Und wird es langsam besser? Das wünsche ich!

LG Sonnenblume
mama4

Beitrag von mama4 »

Liebe Sonnenblume,

ich freue mich zu hören, dass es dir nun schon seit drei Tagen so gut geht. Hoffe, dass deine Medis endlich greifen und das Schlimmste für dich überstanden ist.
Du hast da ja ganz schön was mitgemacht in deiner Schwangerschaft und nach der Geburt. Kein Wunder, dass es dich da erwischt hat. Fühl' dich auch von meiner Seite aus ganz doll gedrückt.

Mein Grundproblem bei den Depressionen ist, dass ich nach extremen psychischen Belastungen nicht mehr umstellen kann, das heißt, dass meine Hirnchemie weiter im Ausnahmezustand funktioniert, obwohl der Stress vorbei ist. Reagiere dann mit extremer Unruhe, Angst- und Zwangsgedanken, Schlaf- und Appetitlosigkeit sowie Panikattacken. Also das ganze Programm.

Meine erste PPD hatte ich nach meiner Großen. Die Schwangerschaft war sehr stressig, da ich mich damals in der Schussphase meines Referendariats befunden habe. Auch ging es mir von Beginn an nicht sonderlich gut. Wir hatten zwar an Kinder gedacht, aber dann ging es doch schneller als geplant mit der Schwangerschaft. Ich habe die ersten Monate sehr mit Übelkeit und Stimmungsschwankungen zu kämpfen gehabt. Meine Frauenärztin speiste meine Ängste bezüglich der Schwangerschaft lediglich damit ab, dass ich das Kind ja nicht bekommen müsste :x . Eigentlich hätte ich da schon wechseln sollen. Letztendlich hat sie dann auch noch meine Schwangerschaftsvergiftung übersehen. Meine Tochter musste dann in der 34 Woche per Notkaiserschnitt geholt werden. In dieser Zeit habe ich lange mit einem Nieren- und Leberversagen auf der Intensivstation gelegen. Keiner konnte sagen, ob ich oder meine Tochter, die ziemlich unterversorgt war, überleben würden. Es ging dann alles gut und nach 2 Wochen wurde ich und zwei weitere Wochen später meine Tochter entlassen. Ich war dann viel mit ihr alleine. Mein Mann hatte noch ein Jahr Referendariat vor sich, meine Eltern und Schwiegereltern waren noch voll berufstätig und unsere Freunde ( damals noch alle kinderlos) auch. Meine Tochter hatte dann noch im Alter von 8 Wochen ein ALTE (akut lebensbedrohliches temporäres Ereignis) und musste wieder in die Klinik und wurde für das erste Lebensjahr mit einem Herz-Atem-Monitor versorgt. Langsam wurde es dann bei uns ruhiger. Bei mir jedoch schlich sich eine stete Unruhe ein. Hinzu kamen vage Ängste, was alles meiner Tochter passieren könnte. Irgendwann habe ich dann von jetzt auf gleich eine Panikattacke bekommen und hörte nicht mehr auf. Ich konnte mit dem Kind nicht mehr alleine bleiben, schlief nicht mehr und nahm immer mehr ab. Letztendlich habe ich mich dann 4 Monate später in eine Mutter-Kind-Klinik einweisen lassen, weil ich nur noch Angst hatte mir und meinem Kind etwas anzutun. Dort war ich für über 3 Monate. Danach brauchte ich noch ziemlich lange bis ich mich vollständig stabilisiert hatte. Nach 5 Jahren konnte ich dann endlich die ADs absetzen. Habe einfach zu lange gewartet, bis ich mich habe behandeln lassen :? .

Habe dann lange keinen Mut für Kind Nummer zwei aufbringen können, obwohl der Wunsch immer da war. So hat es dann neun Jahre gedauert, bis ich meine zweite Tochter bekam. Die Schwangerschaft war unkompliziert und sie kam termingerecht, wenn auch wieder per Kaiserschnitt. Das Wochenbett war auch sehr schön, denn meine Eltern waren inzwischen pensioniert und haben mir in der ersten Zeit sehr geholfen. Auch mein soziales Umfeld stimmte. Freunde und Bekannte hatten ebenfalls Kinder in dem Alter unserer beiden und mein Mann und ich inzwischen eine feste Stelle. Ich blieb gesund. Das Thema Kinder war damit für uns durch, denn wir wollten das Schicksal nicht noch einmal herausfordern.

Dann wurde ich knapp zwei Jahre später ungeplant schwanger. Hatte gerade erst meine Dienststelle gewechselt und dann noch Zwillinge!!! Zwillinge waren für mich immer schon eine Horrorvorstellung. Mir ging es die ersten paar Wochen psychisch echt dreckig. Dazu kam eine extreme Übelkeit und Müdigkeit. Auch ansonsten war die Schwangerschaft psychisch und physisch sehr anstrengend. Die Zweijährige war ständig krank und musste operiert werden. Ich hatte vorzeitige Wehen und meine Großmutter starb. Die Schwangerschaft endete auch hier in der 33 SSW mit HELLP und Kaiserschnitt. Nach der Entbindung ging es mir so dreckig, dass ich die Zwillinge erst 3 Tage später auf der Frühchenintensivstation besuchen konnte. Den beiden ging es zum Glück gut. Ich jedoch bekam Fieber und meine Gebärmutter bildete sich nicht zurück. Meine Blase war verletzt worden und ich musste erneut operiert werden. Danach war ich körperlich und psychisch am Ende. Die erste Zeit mit den Zwillingen zu Hause war trotz der Unterstützung meiner Eltern und einer Haushaltshilfe sehr anstrengend. Die Beiden waren ziemliche Schreikinder und schiefen schlecht ( später wurde bei beiden KISS diagnostiziert). Die Mittlere trotzte vom Feinsten. Ein guter Bekannter von uns und Vater dreier kleiner Kinder verstarb plötzlich an einem Herzinfarkt und die Mutter der besten Freundin meiner Größen verstarb innerhalb von drei Monaten an Krebs. Die drei Kleinen waren im ersten Jahr ständig krank, die Mittlere musste weitere zweimal operiert werden und die Zwillinge brauchten zusätzlich wegen des KISS und der Frühgeburtlichkeit regelmäßig Krankengymnastik. Auch unsere Ehe war zu diesem Zeitpunkt nicht einfach ( das hat sich auch bis jetzt noch nicht ganz eingerenkt :( ). Mein Mann hilft unheimlich viel mit, jedoch haben wir einfach viel zu wenig Zeit für uns. Bin selber erstaunt gewesen wie lange alles gut ging. Doch dann wurde es endlich ruhiger, die Kinder waren nicht mehr so häufig krank und die Zwillinge schliefen mit 13 Monaten endlich durch.
Ich nicht!!! Wie schon nach meiner Großen kamen wieder diese Unruhe, Schlafstörungen, diffuse Ängste und Panikattacken auf. Diesmal habe ich mich sehr fix in Behandlung bei meinem alten Doc begeben. Mit den Medikamenten bin ich jetzt relativ stabil, jedoch ist der Alltag noch sehr anstrengend für mich. Auch leide ich zunehmend unter den Nebenwirkungen eines der ADs (Gewichtszunahme & Müdigkeit ). Ein Ausschleichversuch endete vor zwei Wochen sehr unschön :oops: . Mache zudem eine Traumatherapie (EMDR), um die Geburtserlebnisse der Großen und der Zwillinge zu verarbeiten. Ist hölleanstrengend, tut aber auch unheimlich gut.
Versuche mich in Geduld zu üben und hoffe, dass ich ab nächster Woche in der Mutter-Kind-Kur mit meinen drei Kleinen ein bisschen Erholung finde.

Sorry, ist ein sehr langer Bericht geworden. Tat aber gut nochmal alles Revue passieren zu lassen.
Hoffe, dir geht es auch weiterhin so gut wie die letzten 3 Tage.

LG mama4
sonnenblume

Beitrag von sonnenblume »

Liebe Mama4, ich drücke dich ganz fest. Es ist fast unvorstellbar, was du ertragen musstest. Zweimal eine Schwangerschaftsvergiftung und zweimal Frühgeburt, deine OP und die Krankheit deiner Kinder. Wenn du dich schwach fühlen solltest, denk bitte daran, du bist unglaublich stark!!! Ich habe Hochachtung vor dir! Kein Wunder, dass dein Gehirn so reagiert/e, irgendwann sucht sich die seelische Belastung einen Ausweg in Panik, ZG usw. Ich habe die Symptome nur mit einem Kind erlebt und du mit vieren, das ist eine unglaubliche Leistung. Hast du mal an ein AD-Wechsel gedacht?
Ich nehme z.B. Citalopram und habe keine Nebenwirkungen. Nur als Idee, dein Doc weiß bestimmt was das Richtige ist. Ich werde mein AD, wenn es sein muss lebenslänglich :wink: nehmen, nach dem Absetzen im Sommer und dem Absturz Anfang des Jahres akzeptiere ich es, dass ich es erstmal grundsätzlich brauche. Ach Mama4, ich wünsche dir von Herzen, dass du eine erholsame, entspannende Mutter-Kind-Kur erlebst! Ich wünsche dir auch, dass du und dein Mann ein wenig Zeit für euch findet, es ist sehr verständlich, dass eure Ehe kein Kinderspiel ist, ihr müsst ja vor allem erstmal funktionieren! Habt ihr weiterhin Unterstützung durch Großeltern oder andere Bezugspersonen? Ich habe jetzt einmal in der Woche einen "Babysitter" sonntags für 4 Stunden, mein Sohn ist ganz begeistert von ihr und ich kann mich ein wenig erholen. Letzten Sonntag ging es mir grippemäßig so dreckig, dass ich sie gebeten habe, ihm das Abendbrot und ihn bettfertig zu machen, welch eine Hilfe :-) . Ich habe jetzt schon vier Tage keine Angstzustände mehr :D , habe gestern abend nur eine viertel Tavor genommen und ohne Schlaftablette 7 Stunden geschlafen :D . Ob es am AD oder am Lyrica liegt, ich weiß es nicht, ich genieße es einfach. Ich wünsche dir, dass du ruhige und vielleicht sogar fröhliche Momente erlebst und freue mich über einen weiteren Austausch mit dir. Alles Liebe Sonnenblume
mama4

Beitrag von mama4 »

Liebe Sonnenblume,

die Sache mit dem Babysitter leisten wir uns auch 1x die Woche, damit mein Mann und ich wenigstens einen Abend komplett abschalten können. Gehen dann einfach Essen, zu Freunden oder ins Kino. Luxus pur!!!

Meine Eltern sind auch unheimlich lieb und nehmen uns das ein oder andere Kind gerne einmal stundenweise ab. Auch springen sie betreuungstechnisch ein, wenn wirklich Not am Mann ist. Allerdings sind sie eher im "Unruhe"stand, als im Ruhestand :wink: . Eigentlich sind sie immer unterwegs, engagieren sich ehrenamtlich und haben einen großen Freundeskreis. Auch unsere Nachbarin nimmt schon mal unsere Vierjährige und sittet das Babyphone, wenn ich sie vom KiGa abholen muss und die Kleinen gerade schlafen. Kann mich eigentlich diesbezüglich nicht beschweren. Alle vier zusammen wird man aber nur ganz selten los.
Meine Mutter kommt auch die erste Woche mit zur Kur, damit ich von Anfang an meine Anwendungen machen kann und mich nicht um die Eingewöhnung der Zwillinge in der Betreuung kümmern muss.
Denke, das ist eine feine Sache. Bin dann aber auch froh, wenn ich die restlichen zwei Wochen alleine bin.
Du hast ja auch in einer deiner letzten Nachrichten geschrieben, dass du wahrscheinlich damals besser in einer Klinik aufgehoben gewesen wärst. Ich muss echt sagen, dass mir der Schritt damals sehr schwer gefallen ist. Im Nachhinein war es aber genau richtig. Es ist natürlich schön, wenn einen die eigenen Eltern unterstützen können. Aber es sind eben auch die eigenen Eltern, die sich Sorgen machen, wenn es einem schlecht geht oder mit dem ein oder anderen lieb gemeinten Ratschlag einem gehörig auf die Nerven gehen. Dann gerät man schnell wieder in die Kinderrolle, möchte seine Eltern mit den eigenen Sorgen und Nöten verschonen und nicht vor den Kopf stoßen. Das kann dann schon schnell wieder stressig werden.

An einen Wechsel des ADs habe ich auch schon einmal gedacht. Habe aber ein wenig Bammel davor wieder in ein Loch abzurutschen, weil ich im Moment recht stabil bin. Werde wohl nach der Kur nochmal versuchen das Mirtazapin abzusetzen. Dann aber nochmal vieeeeeel langsamer :roll: .

Hoffe, du hast die Grippe wieder einigermaßen überstanden. Habe mich und die 3 Kleinen letzte Woche noch schnell impfen lassen, damit es uns nicht in der Kur erwischt.

Wünsche dir von hier aus gute Besserung und dass es bei dir weiter so gut voran geht.

Ganz liebe Grüße
mama4
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