Frageb, Fragen, Fragen und euer Rat wäre toll

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Mel

Frageb, Fragen, Fragen und euer Rat wäre toll

Beitrag von Mel »

Hallo,

vielleicht habt ihr meinen "Start" in der Vorstellungsrunde mitverfolgt. Lange habe ich nicht mehr geschrieben, heute muss ich mal eine Frage loswerden: sprecht ihr mit euren Angehörigen, im speziellen mit eurem Partner, über die Therapie? Was ihr für Erkennnisse gewinnt oder was ihr für Ratschläge bekommt?

Und ist es auch bei euch so,oder war es so, dass jeder Tag als ein neuer Kampf zurück ins Leben empfunden wird?

Ich nehme jetzt seit 3 oder 4 Wochen Sertralin, und ich kann inzwischen wieder besser denken und sehen - und erkenne, dass es mir echt schlecht ging und geht. Inzwischen bekomme ich auch "Feedback" aus meinem Umkreis, dass man sich seit Monaten Sorgen um mich macht, dass z.B. meine Mama von Omas und Tanten immer wieder gefragt wird, was denn mit mir los sei, ob es mir nicht gut gehen würde, dass man sich Sorgen macht. Eine Bekannte, der ich von der Depression erzählte habe (musste), also eigentlich ist sie so ein zwischen Bekannte und Freundin anzusiedeln, sagte, dass man mir das auch seit Monaten ansehen würden. DAs alles hat mich getroffen, denn ich dachte, dass ich zumindest nach außen hin einigermaßen ein Bild aufrecht erhalten habe, und auf Nachfragen habe ich dann eben erzählt, dass die Schwangerschaften bei mir ja nie so einfach sind, wegen meiner Gelenkserkrankungen...

Freue mich über eure Antworten.... heute ist ein arger Kampftag für mich...

Lg,

Mel
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Marika
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Re: Frageb, Fragen, Fragen und euer Rat wäre toll

Beitrag von Marika »

Hallo Mel,

ja, so war es für mich auch. Anfangs war jeder Tag ein Kampf, ein Kampf klar zu kommen, die Angst auszuhalten, zu warten bis das AD immer mehr gewirkt hat und dann natürlich die Therapie. Auch die war oft genug ein harter Kampf. Denn ich musste viele Übungen machen wegen meiner ZG - das war sehr grausam oft, aber nötig. Es hat sich angefühlt, als müsste ich mir mein "Ich" wieder neu aufbauen, mein Leben zurück erobern.

Auch von Außen bekam ich ganz ähnliches Feedback: Die die mich gut kannten, haben sofort gemerkt, wenn mal ein Tag nicht gut war. Und natürlich haben sie sich Sorgen gemacht, sich aber auch rührend um mich gekümmert.

Zum Vergleich: nach 4 Monaten AD und Therapie hatte ich ein Schlüsselerlebnis: Ich fühlte das aller erste mal diese unbeschreibliche Mutterliebe, ohne Angst, ohne Schatten... das war ein Gefühl ... ich kann es noch heute genau empfinden. Es war soooo überwältigend, dass ich wusste: ich schaffe das, ich arbeite weiter, denn für dieses Gefühl will ich kämpfen. Und es hat sich gelohnt. Es hat gedauert - ja, es war hart - ja, aber der Lohn ist heute, dass ich mich völlig gesund fühle und endlich eine Lebensqualität habe, die ich mein ganzes Leben vor der PPD nie hatte.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Sheego

Re: Frageb, Fragen, Fragen und euer Rat wäre toll

Beitrag von Sheego »

Hallo Mel,

für mich war auch jeder Tag ein Kampf aufs Neue. Ich hatte nicht das Gefühl, irgendwie voranzukommen. Jeder Tag musste neu überstanden werden. Keine Hoffnung in Sicht. Jeden Tag die gleiche Prozedur. Bis eines Tages, wie Marika es auch beschreibt, das erste mal das Gefühl da ist "mir geht es besser". Das war eine unbändige Freude. Wieder erleben zu dürfen, wie es normal sein kann. Klar gibt es am Anfang Rückschläge. Aber die Tage, wo es einem besser geht und wo wieder Normalität einkehrt, werden immer mehr...und mehr ....und mehr :D :D :D

Allerdings habe ich nie meine Krankheit verheimlicht. Ich habe vom ersten Tag an jedem, der mich fragte, wie es mir geht gesagt, dass es mir sehr schlecht geht, weil ich schwere Wochenbettdepressionen hätte. Ich habe es nicht nur meiner Familie und Freunden erzählt, selbst wenn Nachbarn mich fragten, hatte ich kein Problem damit, dieses offen zu erzählen. Ich habe niemanden in meinem ganzen Umfeld erlebt, der darauf "komisch" reagiert hat. Alle waren mitfühlend, verständnisvoll und hilfsbereit. Und ich brauchte mich zu keinem Zeitpunkt verstellen. Das war schon irgendwie eine Erleichterung für mich.

Es tut mir leid, dass Du gerade wieder einen "Kampftag" zu fassen hast. Aber auch diesen wirst Du überstehen und danach einen Tag näher an der vollständigen Heilung dran sein. Jeder überstandene Tag bringt Dich Deinem Ziel näher. Du schaffst das :D

Fühle Dich ganz lieb gedrückt :D
Andrea

Re: Frageb, Fragen, Fragen und euer Rat wäre toll

Beitrag von Andrea »

Hallo Mel,

mich hat Deine Geschichte in Deiner Vorstellung sehr betroffen gemacht und ich hab dir ja auch ein paarmal geschrieben damals. In letzter Zeit habe ich mich etwas aus dem Forum zurückgehalten, weil ich etwas Abstand zum ganzen Thema "Depressionen" etc. gebraucht habe. Hat nichts mit Deiner Geschichte zu tun. Es war mir einfach in meinen Gedanken zu viel präsent, dafür dass ich ja wieder gesund bin. Ich musste meine Vergangenheit praktisch etwas loslassen.

Es freut mich so zu lesen, dass Du Hilfe gefunden hast und dass das AD bzw. eine Therapie mittlerweile Früchte tragen. Du warst so verzweifelt damals, dass Du Dir alles nur einbildest etc. Aber man hat in Deinen Zeilen einfach gelesen, dass da wirklich was tiefer in Dir sitzt und Du nicht nur jammerst. Schön, dass Du das mittlerweile selber sehen kannst. Das ist eine super wichtige Veränderung.

Zu Deinen Fragen :
Ja, ich habe mit meiner Geschichte auch nicht hinter dem Berg gehalten. Ich habe es allen erzählt. Ich konnte es auch nicht geheim halten - es war zu offensichtlich. Ehrlich gesagt wollte ich es auch gar nicht. Ich hatte immer den Gedanken, ich muss den- oder diejenige treffen, wer mir helfen kann. Also - jedem erzählen und hoffen dass er der "Richtige" ist - so hab ich gedacht. Ich habe damit auch durchweg positive Erfahrungen gemacht. Klar kamen mal komische Blicke oder so aber das waren echt Ausnahmen. Ich habe glaube ich mit meiner Offenheit vielen anderen Mamas die Tür geöffnet, um über ihre eigenen Sorgen, Probleme etc. zu sprechen.

Ich habe über die Krankheit hauptsächlich mit meiner Mama gesprochen, weil sie früher auch mal Depressionen hatte und sie das deswegen einfach am Besten versteht und nachvollziehen kann. Für meinen Mann ist das Ganze nach wie vor nicht nachvollziehbar - er kann es sich einfach nicht vorstellen, wie es sich anfühlt oder so. (Er hat mir nie Vorwürfe gemacht oder es runtergespielt, aber er kann sich einfach nicht in so eine Lage versetzen.)
Ich brauchte die Gespräche mit anderen als Feedback über meinen "Zustand" - meine Veränderung, Besserung etc.

Man denkt immer nur "Und täglich grüßt das Murmeltier". Jeden Tag der gleiche Mist auf´s Neue und nichts passiert. Aber so ist es nicht. Die positiven kleinen Schritte fallen einem nicht auf während man sie geht. Aber im Rückblick ist die Summe der kleinen Schritte ein riesen Sprung. Und dafür braucht man meiner Meinung nach schon das Feedback anderer.

Ich freue mich so, dass Du auf einem guten Weg bist !!!
Wie geht es Dir in Bezug auf Dein Kleines ? Was fühlst Du ?

Viele Grüße
Andrea
Mel

Re: Frageb, Fragen, Fragen und euer Rat wäre toll

Beitrag von Mel »

Hallo ihr Lieben,

vielen Dank für eure Antworten und Berichte! Liebe Andrea, deine Worten haben mich besonders berührt.

Aus diesem einem Kampftag ist inzwischen eine echte Kampfwoche geworden. Ich habe 2x mit meiner Therapeutin gesprochen, weil es eben auf ein Mal alles wieder so viel schlechter ist und ich wieder so müde bin. Sie hat gesagt, dass manchmal eine Kleinigkeit ausreicht, um wieder einen Schritt, der nach vorne ging, wieder nach hinten zu gehen.
Es ist unheimlich schwer, darüber nachzudenken und zu lokalisieren, welche Kleinigkeit bei mir der Auslöser war und das zu akzeptieren. Ich glaube, den oder die Auslöser benennen zu können, aber akzeptieren, dass es es mir deswegen wieder schlechter geht, das kann ich nicht. Mein Mann hatte viele Termine in den letzten Wochen, wir haben ziemlichen "Streß" mit seiner Tochter, wobei eigentlich nicht mit ihr, sondern mit der GEsamtsituation. Wir erfahren nur zufällig wichtige Sachen, wie z.B. arge Schulprobleme. Und das scheint gereicht zu haben... Zudem habe ich im Haushalt versucht, mehr zu machen - auch das war zu viel. Ich habe eine "3-Sachen-am-Tag" Strategie entwickelt, und die habe ich nicht eingehalten. Wie kann es einen so fertig machen, 2x am Tag die Spülmaschine aus- und einzuräumen, Wäasche abzunehmen, zu sortieren, zu waschen und aufzuhängen? Badezimmer, aufräumen, Kochen... 3 SAchen am Tag - das erscheint mir so wenig, aber nur dann häng ich anschließend nicht tagelang durch.
Uns ist eine Haushaltshilfe von der KAsse bewilligt worden, 6 Std. die Woche. Eigentlich toll, oder? Und ich fühle mich nur noch mehr wie ein Versager.
Meine Gefühle dem Baby gegenüber: wenn es eine Skala von total negaativ bis total positiv gibt, bin ich irgendwo zwischen leicht negativ und neutral. Immerhin nenne ich es nicht mehr "Parasit"... :cry: Schrecklich von mir, oder? Manchmal misch sich sogar mal so was wie Angst ein, dass man mir das Baby wegnimmt nach der Geburt, noch schlimmer ist dann die Angst, dass man mir meinem Sohn wegnimmt... Ich soll mich nicht unter Druck setzen, aber das ist so schwer bis unmöglich für mich zur Zeit.
Ich kann ja kaum einschätzen, wann etwas zu viel ist oder nicht, oder meine Gefühle einordnen...

Generell ist es besser, ja - aber ich bin noch Lichtjahre von dem entfernt, wie ich eigentlich bin.

Liebe Grüße

Mel
Andrea

Re: Frageb, Fragen, Fragen und euer Rat wäre toll

Beitrag von Andrea »

Hallo Mel,

ich finde es echt toll, dass Du scheinbar gute Hilfe gefunden hast.

Es stimmt, manchmal reichen Kleinigkeiten aus, um wieder einen Schritt zurückzumachen. Aber Du musst nicht wieder von vorne beginnen. Vielleicht zeigt Dir der Schritt zurück auch wieder neue Aspekte oder so, die Dir helfen, die Krankheit zu verarbeiten. Das akzeptieren ist schwer, ich weiß. Aber Du wirst das auch noch können und ich glaube dann geht es erst recht wieder bergauf.

Ich finde Deinen 3-Sachen-am-Tag- Plan super und gar nicht zu wenig. Vergiss nicht, du hast ja noch ein Kind zu versorgen, dass sich nicht an den Plan hält und Du bist schwanger. Nicht dass das ja eine Krankheit wäre, aber vielleicht bist Du deswegen auch einfach mehr müde oder eingeschränkter. Ich finde Du machst das Prima. Du musst Dich nicht schlecht fühlen wegen der Haushaltshilfe. Du wirst das wieder alleine schaffen !

So schrecklich es klingt, was Du über Dein Baby denkst - über die Ängste die Du schreibst zeigst Du dass das Deine Krankheit ist und nicht wirklich Du. Würdest Du das Kind wirklich nicht mögen, hättest Du keine Angst. Tief im inneren, vielleicht auch nur ganz ganz klein liebst Du Dein Baby ! Glaub fest daran und es kann wachsen !

Halte durch, Du hast schon sehr viel geschafft !

Andrea
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