Dauermedikation

Erfahrungen mit Medikamenten, Fragen, Infos, Tipps, ...

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Michelle
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Dauermedikation

Beitrag von Michelle »

Hey,

Ich wollte gern eure Erfahrungen zum Thema dauermedikation wissen.
Ich wollte ja die ganze Zeit weg vom sertralin. Immer weiter reduzieren und dann ganz absetzen. Ich habe vor der Geburt nie Medikamente genommen und es fiel mir schon super schwer sie überhaupt zu nehmen. Jetzt wo ich wieder dieses auf und ab habe, überlege ich es noch sehr lange zu nehmen, oder gar nicht abzusetzen . Aus Angst, dass die Symptome wiederkommen oder schlimmer werden. Meine Psychiaterin hat ja das Ziel zum Frühling weiter zu reduzieren und es dann auch abzusetzen . Aber je mehr ich darüber nachdenke , desto unsicherer werde ich.
Wie würdet ihr das machen?

Ich muss sagen, ich hatte seit ich 13,14 bin schon mit Panikattacken zu tun und rückblickend auch mit Ängsten und Zwangsgedanken.

Wäre froh über eure Meinungen
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Marika
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Re: Dauermedikation

Beitrag von Marika »

Hallo Michelle!

Ich kann deine Gedanken gut verstehen. Du weißt ja wahrscheinlich, dass ich Escitalopram als Dauermedikation habe und damit schon sehr lange völlig stabil und Beschwerde frei lebe. Auf jeden Fall sollte man genau das sein, bevor man reduziert oder absetzt: stabil und Beschwerde frei. Ich habe dieses Ziel schon öfter in der Vergangenheit erreicht und tatsächlich 2 x versucht ganz abzusetzen. Das ist leider jedesmal gescheitert. Mein Psychiater und Studien sehen darin einen Indikator für eine dauerhafte Einnahme. Mein Gehirnstoffwechsel kann sich ganz ohne Stütze nicht mehr von alleine stabil halten. Das ist wahrscheinlich der schwere meiner Erkrankung geschuldet und meiner Vorbelastung.

Genau wie du hatte ich schon in meiner Jugend und sogar Kindheit eine Zwangsstörung mit starken Ängsten, nur wurde es nicht erkannt und ich habe mich niemandem anvertraut. Auch dieser Umstand spricht für eine Dauermedikation. All das zusammen ist bei mir ganz klar gegeben und daher lebe ich mit 10 mg Escitalopram.

Ich mache jährlich Vorsorge Untersuchungen um alles gut im Blick zu halten. Ich ernähre mich gesund, bewege mich, sorge für eine gute Balance zwischen Anspannung und Entspannung.... sprich ich mache alles, damit mein Körper die 10 mg gut stemmen kann und gesund bleibt. Das ist mir gut gelungen bisher. Ich habe eine tolle Lebensqualität und die lasse ich mir nicht mehr nehmen.

Selbstverständlich wäre auch ich gerne gesund ohne Medikament. Aber ich habe akzeptiert, dass es nunmal nicht so ist....wie viele andere Menschen eben mit einer chronischen Erkrankung und Medikamenten leben müssen. Mein Arzt sieht daran überhaupt kein Problem.

Rückblickend bin ich sehr dankbar: ich hatte eine sehr schwere PPD mit 3 Medikamenten in hoher Dosis. Erreicht habe ich völlige Stabilität und Gesundheit mit nur noch 10 mg Escitalopram. Ich habe lange Therapie gemacht und an mir gearbeitet. Ich war also sehr erfolgreich traue ich mich stolz zu sagen. Und die 10 mg helfen mir, damit es so bleibt. ❤️
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Tami84
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Re: Dauermedikation

Beitrag von Tami84 »

Hallo liebe Michelle, auch ich möchte dir antworten, weil es bei mir seit vielen Jahren um Medikamente geht. Ich habe in Summe die letzen 15 Jahre Antidepressiva genommen (Fluoxetin und Venlafaxin). Ich möchte dir rückwirkend aus 20 Jahren Angsterkrankung meine persönliche Meinung mitteilen. Ich bin seit einem Jahr ohne Medikamente und es war die beste Entscheidung. Es ist ab und zu noch wackelig, aber ich kann von mir aus sagen, dass es „nur“ der Kopf ist (bei mir). Die Gedanken haben eine gewaltige Macht und man muss sich intensiv mit dem Thema beschäftigen. Die Angst hatte mich so im Griff, dass ich ich mein Leben in keiner Weise mehr genießen konnte und mich sogar zu Entscheidungen gedrängt, die ich mit gesundem Geist niemals getroffen hätte. Hierzu kann ich dir gerne Lukas Rick oder Peter Beer ans Herz legen (YouTube), falls du Interesse hast. Ich kann für mich rückblickend sagen, dass die Medis mich nur ruhig gestellt, aber keineswegs meine Probleme bzw. Denkstrukturen geändert haben. Das habe ich nur selbst mittels intensiven Coachings geschafft. Keine Tablette kann Probleme lösen. Wenn ich heute noch schlechte Tage habe , nehme ich nur kurzfristig was zur Beruhigung. Das lasse ich mir auch nicht nehmen und muss halt bei mir manchmal sein. Aber ich bin froh, dass ich von ADs weg bin zumal das Absetzten von Venlafaxin mir kostbare Jahre gestohlen hat, weil ich nicht davon los kam ohne schlimme Absetzsymptome. Aber das ist ja auch bei jedem anders. Ich verstehe aber, wenn andere wie z.B. Marika eine kleine Erhaltungsdosis benötigen, um sich stabil zu fühlen. Alles ist in Ordnung.

Du kannst es ja auch einfach mal probieren und schauen wie es dir geht. Nur Mut. Und wenn es nicht klappt, kannst du dich ja wieder einstellen lassen, wennndu denkst, dass die Tabletten dir helfen. Egal wie du dich entscheidest, ich wünsche dir alles Gute.
Sternschnuppe2023
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Re: Dauermedikation

Beitrag von Sternschnuppe2023 »

Liebe Michelle,

ich habe sowieso noch ein Auf und Ab, wenn ich neuen stressoren ausgesetzt bin, also kommt für mich ein Reduzieren eh noch nicht in Frage. Aber ich würde es erst versuchen, wenn ich wirklich sicher wäre und mindestens ein Jahr stabil. Mein Therapeut hatte das Ausschleichen auch scjonmal angebracht, aber das Risiko ist mir einfach zu hoch. Den Betablocker konnte ich allerdings schon ausschleichen, aber auch mit gutem Gewissen.
Höre auf dein Gefühl und lasse dich zu nichts drängen. Du musst dich gut mit deiner Entscheidung fühlen.
💚
Liebe Grüße
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Marika
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Re: Dauermedikation

Beitrag von Marika »

Hallo nochmal!

Also einem Reduzieren oder Absetzen sollte wirklich eine Beschwerdefreiheit und Stabilität von mindestens 4 Monaten (die WHO hat das neu definiert) oder noch besser 1 Jahr voraus gehen (lt. WHO). Und natürlich immer nur in Absprache mit dem Arzt!
Liebe Grüße von
Marika

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Anne 861
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Re: Dauermedikation

Beitrag von Anne 861 »

Tami ,wie hast du gemerkt, dass es ohne besser ist ? Ich bin immer so hin und her gerissen .
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Marika
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Re: Dauermedikation

Beitrag von Marika »

Tami, was für ein Notfallmedikament hast du wie oft brauchst du es durchschnittlich?
Liebe Grüße von
Marika

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Tami84
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Re: Dauermedikation

Beitrag von Tami84 »

Marika hat geschrieben: 03:02:2025 11:55 Tami, was für ein Notfallmedikament hast du wie oft brauchst du es durchschnittlich?
Hallo Marika, in dem Jahr ohne AD bisher nur einmal über ein paar Tage. Ich nehme aber tatsächlich „nur“ was zum Schlafen, da wenn es mir schlecht geht immer der Schlaf bei mir beeinträchtigt ist. Wenn ich wieder schlafen kann, dann geht es mir auch psychisch besser. Ok jetzt wird es etwas komisch, denn ich nehme dann ein AD 😅 Es heißt Duloxetin. Es wird auch eingesetzt in einer ganz niedrigen Dosierung zum Schlafen bei Bedars. Es hilft mir ganz gut. Ich habe aber auch Tavor zu Hause. Da habe ich allerdings Respekt vor wegen der Abhängigkeit. Hast du in den letzten Jahren auch mal Bedarf gebraucht oder kommst du gänzlich ohne aus? Liebe Grüße
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Marika
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Re: Dauermedikation

Beitrag von Marika »

Hallo Tami!

Danke für die Infos, ist immer interessant. Ja, manche ADs sind gut zum schlafen und können auch als Bedarf eingesetzt werden. In hatte damals zu Beginn das Mirtazapin dafür.

Nein, ich brauche nie ein Notfallmedikament, habe auch gar keines da. Ich nehme ausschließlich 10 mg Escitalopram.
Liebe Grüße von
Marika

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Re: Dauermedikation

Beitrag von Tami84 »

Anne 861 hat geschrieben: 03:02:2025 10:37 Tami ,wie hast du gemerkt, dass es ohne besser ist ? Ich bin immer so hin und her gerissen .
Hallo Anne, tatsächlich hat der Prozess bei mir schon vorher begonnen. Ich habe mich viel belesen und AD ist ja ziemlich in der Kritik. Zurecht wie ich persönlich finde. Die Serotonin Hypothese wackelt. Es gibt viele Studien, die belegen, dass Serotoninmangel nicht der Auslöser von Depressionen sind. Was ich allerdings selbst bestätigen kann ist, dass sie dämpfend wirken. Und durch das gedämpft sein ist man ja ruhiger und hat auch weinger Gedanken. So zumindest bei mir. Also eine gewisse „Wirkung“ hatten die Dinger schon. Aber alle meine Probleme bzw. negativen Denkstrukturen, negativen Verhaltensmuster waren trotzdem noch da. Und als ich das verstanden habe, fing sozusagen der Prozess an. Dann bin ich erst nicht losgekommen von dem Zeug wegen schlimmen Absetzsymptomen. Man hat mich dann umgestellt auf ein anderes AD, dass eine seeeehr lange Halbwertszeit hat und damit konnte ich dann ausschleichen ohne Probleme.

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich völlig stabil bin. Bin ich nicht. Ich bin sogar viel näher an meinen Ängsten dran, weil ich ja keine Dämpfung mehr habe. Aber ich kann viel besser mit meinen Ängsten arbeiten und daran wachsen. Und ich bin viel näher an an meinen positiven Gefühlen. Ich kann viel intensiver Freude empfinden. Bin emotionaler und das ist schön. Ich finde es großartig das zu spüren.

Ich hatte ja hier im Forum berichtet, dass ich Ende 2023 einen Schwangerschaftsabbruch hatte. Das war nochmal hart, weil da meine Ängste „gesiegt“ haben. Ich war ihnen vollkommen ausgeliefert. Man kann sich sicherlich drüber streiten, ob das mit AD nicht passiert wäre. Weiß ich nicht. Aber Trotz, dass es zu diesem schlimmen Ereignis kam und ich wirklich fassungslos war/bin was meine Ängste da mit mir gemacht haben, weiß ich innerlich, dass ich ohne AD auf dem richtigen Weg bin.

Wie gesagt ich kann nur von mir sprechen. Ich habe eine generalisierte Angststörung. Depression stand bei mir nicht im Vordergrund es war „nur“ eine Nebenerscheinung der Ängste, weil die mein ganzes Leben vereinnahmt haben. Wie es jetzt bei Personen ist, bei denen eine Depression oder eine Zwangsstörung oder eine Psychose im Vordergrund steht kann ich nicht beurteilen.

Ich glaube man findet es nur heraus, wenn man es probiert……. Und es ist keine Schande, wenn es nicht klappt. Ich weiß was der Kopf alles kann und wie machtvoll die eigenen Gedanken sein können. Die Ängste haben mir 20 Jahre meines Lebens geraubt und auch jetzt ist es nicht immer einfach.

Liebe Grüße
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Marika
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Re: Dauermedikation

Beitrag von Marika »

Hallo zusammen!

Ich habe eine Zwangsstörung, die so richtig im Rahmen der PPD zum Ausbruch kam. Bei mir war das AD nie dämpfend. Es hat meine ZG und durch die Angsthemmende Wirkung wirksam bekämpft. In der Therapie habe ich weitere wichtige Verhaltensverändrungen lernen können. Ohne AD wäre ich nicht in der Lage gewesen eine Therapie zu machen.

Man kennt heute noch immer nicht die Vollständige Wirkung von ADs. Neueste Studien allerdings zeigen, dass das Serotonin Thema nicht der einzige Hauptansatzpunkt ist, sondern daneben neue Nervenverbindungen gebildet werden. Das wird dann wiederum durch die Therapie verstärkt. Mir hat das AD nicht nur mein Leben wieder gegeben, es geht mir damit so gut wie davor nie, da ich mein Leben lang latent vom Zwang gequält wurde. Das gebe ich nie mehr her.

Ich denke es ist wichtig, gut mit dem behandelnden Arzt in Kontakt zu bleiben und für sich den passenden Weg zu finden. Was für die eine Betroffene passt, kann für eine andere falsch sein. Jede Erkrankung ist individuell. Ich kann nur Gutes über mein AD berichten und stehe den Medikamenten sehr positiv gegenüber.

Deswegen liebe Michelle: such dir das beste und passendste aus unseren Antwort raus und bleib eng in Kontakt mit deiner Ärztin.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
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Mayte
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Re: Dauermedikation

Beitrag von Mayte »

Ich habe viel über eure Berichte nachgedacht.
Ich bin auch eher auf der Seite, dass ich es nicht so empfinde, dass das AD etwas in mir „geheilt“ hätte. Aber trotzdem bin ich sehr dankbar gewesen dafür, denn es hat mich stabilisiert und anders hätte ich werde einen therapeutischen Prozess weiter machen können noch mein Baby versorgen und ich hätte unglaublich gelitten. Ich frage mich, ob zum Absetzen neben dem Wunsch, ohne Medikamente zu sein, auch ein gutes Begleitnetzwerk gehört und damit meine ich was medizinisches. Also Personen, die einen dann wirklich auch gut begleiten zum Beispiel wieder näher dran an die eigenen Ängste ohne dieses schwarz-weiß denken, das nur das ein oder andere (mit/ohne) „richtig“ ist. Und wenn wirklich traumatisches (und zwar auch entwickelungstraumatisches) dabei ist dann sind das halt sehr langwierige Prozesse. Und auch super schwer in der Kombination mit dwe Bedürftigkeit von kleinen Kindern… Und: PPD deckt ja ein riesiges Spektrum an Phänomenen ab… das geht es neben vielen Ähnlichkwiten, die wir hier zwischen uns feststellen, ja auch um sehr unterschiedliche Dinge in sehr unterschiedlichen Lebenskontexten und Ressourcen…
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