Ich falle gerade - was kann ich tun?

[Merle89]

Hallo ihr lieben
Ich mal wieder ich fühle mich gerade wieder wie im freien Fall nach unten. Nachdem ich im Frühjahr mein sertralin auf 100 mg hochgesetzt hatte ging es mich 2,5 Monate echt gut- teilweise wesentlich entspannter als das ganze letzte Jahr im Elternzeit mit 75 mg. Vor ca einem Monat hatte ich auch eine mehrtägige sehr anstrengende Dienstreise die geklappt hat und dann ach habe ich mich grandios gefühlt und war soooo stolz auf mich und ein paar Tage später bin ich in ein mittleres Tief gerutscht für eine Woche und dann ging’s in den Urlaub. Auch da war ich erstmal 2 Tage super angespannt (erstes Mal Ausland mit dem kleinen, ich bin die einzige Fahrerin, gerade erst ein Tief etc) aber dann lies der Stress nach und wir hatten 5-6 sehr schöne Tage! Und dann hatte ich wieder die ersten deprigefühle und habe einen Riesenschreck bekommen und für drei Tage ging’s mir so mittel mit einer heftigen nächtlichen Panikattacke. Dann ging’s Montag wieder nach Hause und bis Mittwoch ging’s mir ganz okay und seit Donnerstag bin ich total erkältet und bin in einem Mega Tief. Gestern war’s tagsüber total gut und ab 16 Uhr hat es mich so richtig umgehauen mit völliger Erschöpfung. Abends saß ich dann da und dachte nur noch: ich kann nicht mehr. Ich war sooo ko und habe das erstmal seit Monaten wieder eine tavor genommen um zu schlafen. Heute fühle ich mich auch noch erschöpft und habe das Gefühl gerade prasselt alles an Gefühlen aus dem letzten Jahr auf mich ein - der Umzug, der Rückfall der Krankheit, die ganzen schönen und intensiven Momente mit meinem Sohn, der unerwartete Tod von meinem Schwiegervater, der Wiedereinstieg in den Beruf (der momentan mit viel Druck verbunden ist weil so viele betriebsbedingt entlassen wurden), der Tod meines Katers, die traurigen Gefühle über die Krankheit und auch die krassen Verarbeitungen so man immer stemmen muss wenn die süßen kleinen schon wieder gewachsen sind und sich mein Rollenwechsel mit den Schuldgefühlen weder für den Job noch für den kleinen perfekt da zu sein. Und davon bin ich gerade einfach ko. Ich hätte gerne einfach mal wieder ein bisschen Zeit für mich einfach so ohne schlechtes Gewissen.
Was denkt ihr denn? Was denkt ihr denn - gehts euch in euren Tiefs auch so? Meint ihr es war einfach zu viel die letzten Tage oder habe ich gar das ganze letzte Jahr an den falschen Themen gearbeitet sodass es jetzt wieder so auf mich einprasselt? Ist das echt normal nach 1,4 Jahren mit dem Medikament? Kann es mich noch halten?
Liebe Grüße
Merle

[Mayte]

Liebe Merle ich kann dir deine Frage nicht beantworten will aber teilen dass ich zweimal, in den letzten beiden Jahren, jeweils durch den Urlaub im Sommer eine totale Krise hatte. Im ersten Jahr war es ein paar Monate nach dem Absetzen der Medikamente (also bei mir war es zweimal ohne AD), aber jedes Mal war ich komplett fertig und saß wieder bei meiner Psychiaterin und hab mich gefragt ob ich mit der Medikamentierung von vorne beginnen muss.
Bei mir war der Weg anders, aber heute sehe ich, wie sehr ich mich in diesen beiden Sommern überfordert habe. Dass das, was für mich früher und vor dem Kind Urlaub war heute für mich überfordernd war und quasi im Nachgang mich urlaubsreif gemacht hat. Ich hab mit Promathazin und verhaltenstherapeutischen Routinen die Kurve gekriegt, aber dieses Jahr auch den Urlaub anders eingerichtet. Bisher, eine Woche nach Rückkehr, geht’s mir gut. Aber auch dieses Jahr bemerke ich wie der Schlaf seit ein paar Wochen unruhiger und fragiler ist.
Lange Rede: deines klingt auch alles sehr anstrengend und als hättest du dich ein bisschen übernommen? Und als wäre es daher ganz logisch dass deine Symptome jetzt durchbrechen?
Kannst du auf die Bremse treten und dir einen Alltag aus Entlastungen schaffen? Das war zumindest für mich damals der Weg, wodurch es langsam bergauf ging.

[Lil4ik]

Hallo liebe Merle

Ich kann dich so gut verstehen ….
Bei mir ist es momentan sehr ähnlich…
Bei mir ist es jetzt 1, 8 Jahre her … das es bei mir angefangen hat . Nehme immer noch 100 mg Sertralin .
Mir ging es die letzten Monate sehr gut , jetzt aber die Ferien,die Kids zu Hause … mein Bruder ist am umziehen und wir helfen fleißig mit .
Momentan ist wirklich sehr viel Stress …
Und schwub schon habe ich wieder Symptome… wieder so komische Gefühle und Angst Gefühle kommen hoch ….
Und jedes Mal im Tief denke ich es geht wieder von vorne los …. Und bei diesen ganz vielen Tiefs, die Ich jetzt hatte, war es immer so.Nur Abstand und Ruhe hilft so gut es geht und es ist echt schwer … mit zwei Kindern.

Bis wann wieder Vertrauen bekommt .

Aber diese Gedanken machen einen kaputt jedes Mal die Angst da wieder von vorne durchzu müssen .

Wir fahren jetzt auch in zwei Wochen in den Urlaub und ich hoffe das Ich’s bis dahin wieder auf die Reihe kriege

Also du bist nicht alleine .
Und ich kann mir sehr gut vorstellen das viele jetzt von uns wieder ein Tief bekommen könnten alleine wegen denn Sommerferien .

Liebe Grüße an alle
Lili

[Stephie17.02]

Hallo Merle, auch ich bin nach zwei Jahren wieder in einem Tief, kann aber an den ganzen Dingen die in der Zeit passiert sind, ablesen woher es kam. Das System ist voll! Wir haben generell eine sehr hohe Belastung und jedes Ereignis hat noch ein paar Tropfen ins Fass gespült, und nun ist es voll. Ich kann dir nur raten, nimm dir so viel Zeit und Ruhe wie es irgendwie geht! Und hab Vertrauen, dass es vorbei geht. Dein Kopf muss nachverarbeiten, das tut er in jedem Augenblick. Wenn er aber nicht genug Energie mehr hat, setzt er die Systeme auf Off um Energie zum Heilen zu haben. Vielleicht hilft dir der Gedanke, dass Deine Seele heilen möchte, und sich deshalb Ruhe holt. Und sie wird heilen, ganz ganz sicher!

[Merle89]

Hallo ihr drei, vielen Dank für eure super schnellen Antworten! Euer Zuspruch hilft mir sehr!
Ich bin auch echt so verwirrt von den ganzen Therapie Ratschlägen - früher wurde mir immer gesagt mit Angst muss man in die Exposition - raus raus raus. Und wenn man es nicht macht lernt das Gehirn das da noch mehr Gefahr ist. Nun mache ich so viel und bin glücklich das ich es schaffe um dann erstmal in ein Tief zu fallen - irre - und dann kann ich erstmal wieder weniger machen
@Mayte - wie meinst du das du hast das mit promentazin wieder hinbekommen? Ich versuche mich nächste Woche auf jeden Fall krank schreiben zu lassen um auch erstmal die Erkältung wegzubekommen und dann wird hoffentlich auch der Rest. Mich schockt aber schon die Wucht der Gefühle :/

Findet ihr eigentlich das ihr aus den Tiefs (die ihr überwunden habt) stärker oder schwächer hervorgeht?
VG Merle

[alibo79]

Hallo merle,
Du hast es dir selbst schon gesagt bzw erklärt, es war einiges los bei dir mit Dienstreise, Urlaub und jetzt krank. Dein System bzw dein Körper ist im Moment überlastet und zeigt dir das. Natürlich fühlt man sich toll wenn man etwas geschafft hat und es gibt neues Selbstbewußtsein, trotzdem sind das manchmal gleichzeitig auch Dinge, die einem in diesem Moment Stress bereiten wie deine Dienstreise. Und wenn das System wie bei dir vielleicht noch nicht ganz stabil ist, kommt danach gerne ein tief. Das heißt nicht, dass du dir nichts zutrauen kannst bzw darfst, denn wir wachsen ja mit solchen Aufgaben, aber es macht Sinn sich selbst zu hinterfragen ob man das besser einteilen kann. Denn in der Regel macht nicht die eine Situation im Alltag ein tief sondern die Summe der Dinge.
Urlaub ist ohne Kinder was ganz anderes als Urlaub mit Kindern. Seit ich Mutter bin, und mit meinen Kindern in Urlaub fahre ist das für mich keine Erholung, es ist schön mal was anderes zu machen, aber ich komme meistens ziemlich ko zurück. Unser normaler Alltag ist für mich entspannter als ein Urlaub wo ich einen anderen Rhythmus habe.
Und zu der Exposition bei Angst. Bei mir ist es so, dass ich selbst bereit sein muß und Kraft haben muss, um mich meinen Ängste zu stellen. Bin ich zu kraftlos und erschöpft, bringt das bei mir gar nichts, sondern stresst mich einfach noch viel mehr. Um welche Ängste geht es bei dir?
Und dann schreibst du, dass du erkältet bist, das oben auf dein gestresstes System bringt alles zum überlaufen. Was du brauchst ist wahrscheinlich einfach Pause, ruhe und Erholung.

[Marika]

Hallo auch noch von mir!

Ich kann mich zu 100 % meinen Vorrednerinnen anschließen. Zu deiner Frage ob ein so heftiges Tief vorkommen kann: ich hatte ein ganz schlimmes Teif damals 2 Jahre nach Ausbruch der PPD und mit AD.

Aus den Tiefs bin ich gestärkt heraus gekommen, ich habd dabei immer etwas gelernt. Dieses Tief jetzt zeigt dir glasklar, dass du so massiv nicht über deine Grenzen gehen darfst.

[Stephie17.02]

Hallo Merle, ich wollte noch was sagen zu den therapieansätzen. Ich habe in meiner Therapie auch gelernt, dass ich nein sagen soll wenn ich was nicht will. Also habe ich mich immer überwunden nein zu sagen (was richtig war!). Es hat mich unglaublich viel Mut und Kraft gekostet, weil ich aber auch dachte, ich muss immer ehrlich sagen warum ich nicht will. Ich habe völlig beratungsresistenten Menschen aus meiner Familie erklärt, warum ich nicht zu Feiern komme. Um dann noch mehr Diskussionen und Belehrungen zu ernten, was falsch mit mir ist. Auch ein learning, ich sage nun nein, aber erfinde auch mal Ausreden um es mir leichter zu machen. Ich muss nicht mehr alles erklären, mache das nur noch bei Menschen die mir wichtig sind (und die konstruktiv diskutieren können). Also ja, ich gehe gestärkt aus dem Tief. Ich setze mich an erster Stelle, oder ich versuche zumindest besser darin zu werden. Man versteht sich selbst nach solchen Tiefs besser, weil man durch das Tief gezwungen ist hinzugucken was schief lief.
Lass dich fest drücken, es wird wieder besser, versprochen!

[alibo79]

Stephie, mit dem nein sagen habe ich mich immer schwer getan aus Angst vor Ablehnung. Als ich dann besser nein sagen konnte, habe ich mich dabei immer wieder erwischt, dass ich anschließend mich direkt gerechtfertigt habe, warum ich etwas nicht will oder kann etc. Ich habe mich immer vor den anderen erklärt und gerechtfertigt und anschließend in meinen Gedanken auch noch. Bis ich mal genau darüber mal einen Post gelesen habe, dass man sich nicht rechtfertigen muss, nicht vor anderen Menschen und auch nicht vor sich selbst. Seitdem versuche ich das immer wieder zu üben. Es ist nicht einfach, aber ein weiterer Schritt für mich in meiner Entwicklung und Genesung.

[Mayte]

Liebe Merle
Zu deiner Frage: ich hatte eine Angststörung und konnte nicht schlafen. Das ist bis heute die Archillesferse. In beiden Krisen (ohne AD) war das das Einfallstor und hat sich für michnsofort existenziell angefühlt so dass ich zweimal dachte: ich will das nicht aushalten müssen, sollte ich nicht aufs AD zurück. Und einmal hab ich mit meiner Psychaterin einen Plan gemacht mit Promethazin für zwei Wochen zu schauen ob es besser wird (wurde es) und das zweite Mal mit meinen Therapeuten und Serotoninvorstufen. Ich meinte es hat geklappt nicht zum ad zurück zu kehren aber ich war beide Male schon im Gespräch darüber.
Ich weiß nicht ob ich sagen würde ich bin stärker nach oder durch eine Krise. Ich finde man kann Dinge über sich lernen, vielleicht zu neuen Formen der resilienz und stärke finden die mehr mit dem z tun haben, wer man wird / geworden ist. Aber so dieses klassische Denken: ja bin ich so tough geworden würde ich für mich nicht in Anspruch nehmen. Fühle mich manchmal schon auch ganz schön fragil. Dann denke ich an brene browns „Verletzlichkeit macht stark“ und ja, vielleicht ist das denn eben das neue Gleis, das es zu befahren gilt….
Und dieser expositionsgedanke ist Verhaltenstherapie oder? Mmm ja ich glaube da gibt es sehr unterschiedliche Haltungen zu.

[Merle89]

Hallo ach wie lieb das ihr alle so schnell antwortet!
Bei meinen Ängsten geht es oft um Platzangst - zum Beispiel Angst vorm Zug fahren. Daher sind Dienstreisen für mich besonders anstrengend :/ aber die muss ich ja machen. Und ich war auch jahrelang stabil da ging das alles problemlos…
Bei der letzten Dienstreise bin ich mit dem Auto gefahren damit ich nicht in so große Panik gerate und es waren mehrere Tage und da ich noch Stille habe ich meinen Mann gebettelt mitzukommen und auf den kleinen aufzupassen. (Hat er lieberweise auch gemacht). Aber so lange Dienstreisen sind doch eher selten. Normalerweise früh hin abends zurück.

Ich muss euch gleich noch etwas anderes fragen. Letzte Nacht habe ich 10 mg Promethazin genommen und richtig gut geschlafen und heute hatte ich auch wirklich viele sehr gute Stunden (ich war aber auch nur zu Haus und im Garten bin ja auch noch körperlich angeschlagen). Gegen Abend habe ich nun wieder Panik bekommen. Also richtige Panik - allerdings konnte ich sie aushalten und handeln und auch meinem Mann streckenweise zuhören und habe in die Ängste mal reingehört statt sie wegzudrücken und es fühlt sich an wie meine gaaaanz alten Panikattacken die ich mit 17/18 hatte als in meiner Familie vieles zu Bruch ging und die ganze Misere losging. Ich fühle in diesen panikminuten blanke Verzweiflung und die Angst das ich es zu Hause auf keinen Fall schaffe. Nun geht es schon wieder ein bisschen besser bin ich habe geatmet und mir gesagt ich kann für heute abschalten und muss nicht mehr auf die Angst schauen. Und ich nehme heute auch nochmal was zum einschlafen. Habt ihr das in euren Tiefs auch? Also das Gefühl das gerade Nix mehr geht und ihr wieder am Anfang steht? Ich mache mir Sorgen das ich jetzt schon wieder aufdosieren muss oder das gar nix mehr hilft.

LG Merle

[Lil4ik]

Hallo liebe Merle

Ich habe momentan auch genau das gleiche … hatte jetzt so Angstgefühle die ich damals in meiner ersten Episode hatte , das kam nach der schlimmen Erkrankung meiner Mutter .

Und dann denke ich oh nein das fühlt sich so an wie damals am Anfang, dann kriegt man direkt Angst das es wieder so wird wie damals , aber Ich denke das sind dann einfach Flashbacks und das Gehirn vergisst es nicht und automatisch wird es damit verknüpft.

Ich hoffe und denke das es einfach ein Tief ist … und mehr nicht. Das wir da durch müssen und es dann auch wieder besser wird .

Ich führe ja Kalender …. Und bis jetzt sind alle Tiefs auch verschwunden und es wurde immer wieder noch ein wenig besser.

Dieses reinsteigern macht es so schlimm und vergleichen mit allem was man davor so hatte.

Wenn Ich so vergleiche waren alle Tiefs irgendwie verschieden. Immer irgendwelche anderen Ängste und Symptome.

Was Ich hoffe das es einfach Irgendwann einfach aufhört. Ich bin bald im 2 Jahr und werde immer noch nicht verschont. Ja die Abstände werden größer, aber es trifft mich immer noch

[Merle89]

Hey
@Lil4ik ach Mensch das tut mir leid, toll das du Tagebuch führst ich versuche es auch ein bisschen - und lese mir dann mal alte Beiträge durch :) ich hoffe du hast schon wieder ein paar gute Stunden?

Ich hab nochmal eine allgemeine Frage an euch: bei mir waren die letzten Tage von krassen Angstzuständen und Anspannung geprägt die langsam nachlassen. Letzte Nacht konnte ich sogar gut schlafen ohne Medikamente :) Heute waren auch ein paar schöne Stunden aber alles ohne Anstrengung - zu Hause zur Kita und das war’s. Abends hat sich dann aber plötzlich ein trauriges Gefühl eingeschlichen und dann gleich wieder Angst. Nun wollte ich euch fragen ob ihr das auch aus Tiefs kennt- also dass auf Tage der Anspannung noch ein paar Tage der Traurigkeit folgen, meist ein bisschen zeitverzögert? Die Traurigkeit hatte ich nämlich die letzten Tage gar nicht - nur Panik oder Erholung und dann wieder Angst.

Viele liebe Grüße, Merle
Ps: Ich finde es krass wie viel ich schon aus diesem Forum gelernt habe! Danke euch allen!

[Stephie17.02]

Hallo Merle,
das was Du beschreibst, sind die Wellen in denen die Erkrankung verläuft. Der Körper verharrt nicht in einem Zustand, sondern heilt wellenartig. Jeder Zustand geht dann vorbei, und kommt in einer (meistens) kleineren Welle noch mal wieder, bis es ganz vorbei ist. Bei viel Stress können die Wellen auch noch mal größer werden, ebben dann aber trotzdem irgendwann ab.

Liebe Grüße
Stephie