Das Huhn oder das Ei ...?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Julia73

Das Huhn oder das Ei ...?

Beitrag von Julia73 »

Hallo Mädels,

hier geht es ja gerade viel um die Tatsache, dass Depressiven in irgendeiner Form bestimmte Hormone fehlen, z.B. Serotonin. Was mich interessiert ist, was war denn wohl zuerst da? Der Mangel an Hormonen oder – ich nenne es jetzt mal ganz allgemein – unbewältigte Probleme, die dann den Mangel auslösen, so dass man sich schlecht fühlt und somit gezwungen ist, etwas zu verändern ...? Versteht ihr was ich meine, und was meint ihr?

Würde mich über anregende Diskussionsbeiträge freuen.

Ganz lieb
Julia
Micha

An Julia

Beitrag von Micha »

mmmhhhhhhhhh............ gute Frage aber um das ganze mal nur auf mich zu beziehen, waren sich die Ärzte schon einig, dass meine Depris eben durch diese Stoffwechselstörung hervorgerufen wurde.

Ich wollte auch eine Therapie machen aber nach einer Stunde wusste die Therapeutin nichts mehr zu fragen und ich nichts mehr zu antworten. Sie dachte ich hätte irgendwelche "Leichen im Keller", wie schlechte Kindheit, schlechte Ehe usw. Aber es war eben nichts da wo man ansetzen konnte.

Das einzige war nur, dass ich glaubte niemals mit meinem Kind zurechtzukommen. Meine Therapeutin versicherte mir aber, dass, wenn die Tabletten wirken und ich wieder im Gleichgewicht wäre, sich alles fügen würde und so war das dann auch.

Na ja und eben weil meine Depri durch den Stoffwechsel kommt und ein Absetzversuch ein riesen Griff ins Klo war, werde ich meine Medis lebenslang nehmen müssen im Gegensatz zu den Frauen, bei denen unbewätligte Probleme der Auslöser waren.

Womit die Frage mit dem Huhn oder dem Ei immer noch unbeantwortet wäre, oder?

Gruß Micha
Julia73

Beitrag von Julia73 »

hmmm, scheint ja jetzt nicht soooo interessant zu sein, meine Fragestellung :).

Hallo Micha,

ich glaube die Frage ist auch sehr schwer zu beantworten, aber ich finde es sehr interessant, was du über deine Situation berichtest. Ich mache ja "nur" eine Gesprächstherapie und mir hat sie sehr geholfen, obwohl ich auch keine "Leichen im Keller" habe. Es sind eher die "kleinen" Dinge, die bei mir auslösend sind ... Der Umgang mit mir selbst sozusagen und familiäre Rollenvergaben. Was aber nicht heißt, dass ich eine schwere Kindheit oder ähnliches hatte – eher im Gegenteil.

Helfen denn deine Medis? Bist du jetzt wieder völlig "gesund"? Und hast du die Therapie dann gleich abgebrochen? Bei mir hat es einige Sitzungen gedauert, bis wir meine Problematik so langsam einkreisen konnten ... nach nur einer Stunde gleich auf den Kern zu kommen ist ja auch schwierig, oder?

Und was heißt, dass der Absetzversuch in die Hose gegangen ist? Und warum kann man das jetzt nie wieder versuchen? Fragen über Fragen ... :)

Sei lieb gegrüßt
Julia
Kate

Beitrag von Kate »

Liebe Julia,

lies dir dochmal die folgenden Beiträge durch: "Serotoninmangel", "Periode und Tief" und "Lese gerade Mutterglück und Tränen" (Unterforum Medikamente)

Dort gibt es tolle Diskussionen und Beiträge zu dem Thema Hormone und vielleicht gibt es dir etwas Aufschluss darüber, ob Huhn oder Ei zuerst waren.

Meine persönliche Meinung dazu ist, dass bei uns PPD Erkrankten durch den Hormonabsturz nach der Geburt, nach dem Abstillen, Umstellungsphase nach der Geburt, und Stress durch schlaflose Nächte, Schreibaby, Erinnerungen an kindliche Traumata durch die plötzliche Sicht aus der Mutterrolle, Perfektionismus, zu hohe Ansprüche an sich selbst, Probleme plötzlich nur noch als Mutter zu funktionieren usw, usw.. die Depression ausgelöst wurde.
Also dies alles bedeutet enormen Dauerstress für den Körper und das Stresshormon Cortisol wird ständig ausgeschüttet, was dann die Transmittersysteme (Serotonin,Noadrenalin,Dopamin,Gaba) angreift und einen Störungskreislauf in Gang setzt.
Dass die körpereigenen Regelsysteme nicht mit dem Hormonabsturz fertig werden und aus dem Gleichgewicht geraten, liegt meiner Meinung nach an erblicher Disposition und an der Menge der stressenden Faktoren die zu diesem Hormonchaos dazu kommen z.B. auch traumatische Geburt und Stillprobleme (so war es bei mir)
Dazu kam noch die Übergriffigkeit meiner Schwiegereltern, die mich erdrückt und erstickt hat.

Soviel zu meiner Meinung.. aber ich bin da ja eher immer der biochemische Möchtegernwissenschaftler.

Wer hat noch andere Ansätze?
Jenny

Beitrag von Jenny »

Hi Kate,

da du schon fragst: Ich bin mit meinem handgestrickten Ansatz immer sehr belächelt worden, aber okay:
Bei mir trat die PPD jeweils nach Bilderbuchschwangerschaften, sehr einfacher Geburt und nach einer Zeit nicht enden wollenden Glücksgefühls auf. Ich hatte mich total auf meine Babies gefreut (auf die anderen beiden auch aber nicht so sehr, aus verschiedenen Gründen).
Und da erwischte mich die PPD.
Könnte es nicht etwas Ähnliches sein wie bei den Dauer-Kokain-Konsumenten? Die fluten ihr Gehirn ja auch derart exzessiv mit glücklich machenden Neurotransmittern, bis das Gehirn den Dauerbeschuss an Happyness einfach nicht mehr aushält und die Schutzschilde ausfährt.
Dauerkonsumenten von Kokain sind deshalb irgendwann nur noch mit Kokain "normal gut drauf", ohne die Droge stürzen sie in schwerste Depressionen und empfinden keinerlei Lebensfreude mehr.
Könnte es sich nicht um etwas Ähnliches handeln?
Immerhin war es bei mir nach jeweils einem guten halben Jahr wieder so ziemlich vorbei mit der PPD, als hätte das Hirn regeneriert.
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo ihr Lieben!

Also mein Doc hat das genau so wie Kate formoliert - bei manchen ist wohl schon eine ehrbliche Komponente da, bei anderen nicht, mache reagieren stärker auf den Hormonsturz als andere Frauen und bei dann noch der Dauerstress... kurzum - ich denke Kate hat recht. Ich finde mich da total wieder.

Mein Arzt sagte auch, dass es immer eine Reihe von Auslösern gibt und ist es dann einer zuviel, kippt man in die Depression.

Ob das Huhn oder das Ei zuerst war :-) ist wahrscheinlich bei jeder Frau anders. Ich habe jedenfalls heute aus all den Diskussionen - und besonders auch durch deine Frage liebe Julia - gemerkt, dass ich zusehr nach dem "Huhn" gesucht habe und darauf auf das "Ei" vergessen hatte. :wink: Ich glaube, ich habe bisher zuwenig auf die "von aussen kommenden Aspekte" der Depression (die Geburt, der Dauerstress, Schlafmangel... wie Kate so treffend schreibt) geschaut und vernachlässigt. Werde jetzt mal da drüber schlafen und nach dem "Ei" gucken! :wink:

Ganz liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

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schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Julia73

Beitrag von Julia73 »

Liebe Mädels,

danke schon mal für eure Meinungen. Ich finde das alles sehr aufschlussreich.

Ich habe die Threads, Serotoninmangel und auch die anderen natürlich gelesen, darum bin ich ja auf die Fragestellung gekommen, bzw. das beschäftigt mich schon länger ...

Ich habe ja jetzt nicht eine "klassische" PPD, sondern litt ja auch schon vor und während der gesamten Schwangerschaft (und heute auch noch ein bisschen) unter Zwangsgedanken. Also fällt für mich die Begründung mit dem enormen Hormonsturz nach der Geburt flach ... :). Aber natürlich sehe ich die Zusammenhänge des enormen "Erfolgsdrucks", dem man als junge Mutter ausgeliefert ist. Und der große Schlafmangel, Stress, etc. tut natürlich sein Übriges, und das hat dann Auswirkungen auf die Psyche und den Körper ... Ach ja, das ist schon ein bisschen ein Fass ohne Boden. Es ist wohl ein Mischung aus beiden – aus Huhn und Ei, vielleicht ein Omelette mit Hühnerbrust, oder so ähnlich ... :).

Schön, dass man hier so eifrig diskutieren kann.

Ganz lieb
Julia
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Julia - ich nochmal!

Ich war vor meiner SS auch schon immer ein bissl Stimmungsschwankungen unterworfen und auch ein klitze kleines Bisschen zwanghaft - habe das aber nicht als solches erkannt. Erst durch die Therapie habe ich das so richtig gesehen.

Nach der Geburt dann, als die Hormone in den Keller sanken und Stress dazu kam, ist das Fass (ohne Boden :wink: ) übergelaufen. Ich könnte mir vorstellen, dass Frauen (wie du und ich z.B.) die schon vor der SS und Geburt ein bissl "unausgeglichen" waren, länger brauchen bzw. es schwerer ist, wieder beschwerdefrei zu werden. Denn latent war es bei uns ja schon vorhanden.

Deshalb wäre es doch möglich, dass bei manchen Frauen wie z.B. Jenny, die PPD von selber nach 6 Monaten weg geht (weil sie nicht vorbelastet waren) und bei uns eben nicht so schnell.

Wie du so schön schreibst - bei manchen ist es das Ei, bei anderen das Huhn und bei uns vielleicht das Hühnerbrüstchen.... :wink: :-)

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Julia73

Beitrag von Julia73 »

Hey Marika,

ich glaube auch, dass es so ist wie du sagst. Wir Zwängler brauchen halt einfach etwas länger, um den Zwang hinter uns zu lassen. Zumindest so, dass das Leben wieder Spaß macht, gell?! Und wir wissen doch, dass es so sein wird ... Nur manchmal geht die Einsicht dann wieder flöten.

Außerdem denke ich manchmal, was sind schon 2 schlechte Jahre in einem 32-jährigen Leben? Nicht so viel eigentlich ...

Ganz liebe Grüße
Julia
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