vielleicht erinnert sich noch der ein oder andere an mich.
Lange Zeit war ich aus dem Forum abgemeldet und habe nur still mitgelesen.
Nach dem Aufruf an die "gesundeten" Mütter sich mal zu melden, habe ich mich erinnert, wie gut es mir in meiner schlimmen Zeit getan hat, von schon wieder gesunden Müttern zu hören, dass es vorbei geht, um durchzuhalten.
Das möchte ich gerne an euch weitergeben, besonders an die verzweifelten, die gerade nicht glauben können, dass es jemals wieder gut werden wird.
Für alle, die mich nicht kennen, möchte ich gerne kurz erzählen, was mir passiert ist und wie ich wieder gesund geworden bin.
In der Schwangerschaft mit einem Wunschkind ging es mir sehr gut. Ich war bis zum Schluss richtig fit und habe mich sehr auf mein Baby gefreut.
Leider hatte ich im Geburtsvorbereitungskurs von meiner Hebamme und aus meinem Freundeskreis von einigen Horrorgeburten gehört.
Dadurch bekam ich immer mehr Angst davor eine schwere Geburt zu haben. Andererseits hatte ich bis dahin alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte und war mir recht sicher, dass ich "stark" genug bin, die Geburt zu meistern.
Leider kam alles ganz anders als ich es mir in meiner perfekten Vorstellung ausgemalt hatte.
Es wurde leider der Horror, vor dem ich mich gefürchtet hatte.
Fünfzehn Stunden erfolglose Wehen, weil sich, wie sich später herausgestellt hat, das Kind falsch ins Becken eingedreht hat, mit Wehentropf, PDA, die dann auch noch verrutscht war, so dass ich auf einer Seite gelähmt und auf der anderen wahnsinnige Schmerzen hatte, viele, viele Medikamente und schließlich ein Kaiserschnitt mit dem ich genau 5 Minuten Zeit hatte, mich anzufreunden.
Zuvor hatte ich noch nie, trotz meiner Ängste vor der Geburt, nur im Ansatz darüber nachgedacht, dass mein Kind per Sectio auf die Welt kommen könnte.
Zu diesem Zeitpunkt war eine Sectio für mich keine "richtige" Geburt. Totaler quatsch, aber ich fühlte mich gescheitert und als habe ich versagt bei der Geburt.
Als ich dann mein Sohn im Arm hatte, überkam mich ein ganz befremdliches Gefühl und ich habe mir die Frage gestellt, ob das wirklich jetzt mein Kind sein sollte, was ich mir so sehnlich gewünscht hatte.
Dieses viel umschriebene Glücksgefühl stellte sich nicht ein.
Seit dem ersten Tag nach der Geburt konnte ich plötzlich nicht mehr schlafen.
Im Krankenhaus lag ich nachts wach trotz totaler Erschöpfung.
In der Nacht auf den vierten Tag bekam ich plötzlich eine Panikattacke mit Todesangst. Völlig aus dem Nichts.
Ab da ging es mir immer schlechter. Ich bekam so ein unbeschreibliches Gefühl der Leere, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit.
Ich wurde immer antriebsloser und merkte, dass etwas mit mir nicht stimmt, konnte aber nicht genau sagen, was es war. Diese Gefühle waren mir völlig unbekannt.
Ich habe dann darum gebeten, einen Neurologen sprechen zu dürfen, noch auf der Wöchnerinnenstation, der aber nach einem dreiminuten Gespräch festgestellt hat, dass ich wohl etwas fertig sei wegen der stressigen Geburt aber dass sich schon alles wieder normalisieren wird.
Zuhause wurde es dann zunehmend schlechter.
Ich hatte dauernde Angstzustände, die irgendwie rein körperlich waren und keinen wirklichen Grund hatten. Der ganze Körper war bis zum Zerbersten gespannt, ohne Anlass. Denn mit meinem Baby klappte alles Prima. Es war so ein pflegeleichtes Kind, ein richtiger Sonnenschein.
Aber ich hatte ständig Ängste um ihn, dass ihm etwas passieren könnte, z.B. dass er sich anstecken könnte, bei irgendwelchen Verwandten oder dass die Henkel vom Tragekorb abreißen könnte und das Kind zuboden stürzen würde.
Ich habe mich nicht getraut Auto zu fahren, weil ich soviel Angst davor hatte, das uns jemand reinfahren würde und mein Kindchen stirbt.
Ich habe nichts mehr gegessen, nicht mehr geschlafen und hatte riesengroße Probleme mit viel zu viel Milch, wodurch ich ständig Milchstau und irrsinnige Schmerzen hatte.
Daraufhin gab mir meine Gynäkologin ein Abstillmedikament (Pravidel), um die Milchmenge zu reduzieren.
Als ich das genommen hatte wurde alles ganz schlimm. Ich saß völlig erstarrt vor Angst und Depressionen auf dem Boden und war stundenlang nicht mehr in der Lage mich zu bewegen.
Während der ganzen Zeit, wo es mir so schlecht ging, hatte ich jeden Tag mit meinen völlig aufdringlichen Schwiegereltern zu kämpfen, die mir am liebsten das Kind für immer abgenommen und es selber behalten hätten.
Sie haben nur ein Kind nach größten Schwierigkeiten und jahrelangen Versuchen bekommen und mein Sohn war sozusagen, dass ersehnte zweite Kind.
Alles in allem eine prima Kombination, um eine postpartale Depression auszulösen und zu unterhalten

Fünf Wochen nach der Geburt ging dann gar nichts mehr und ich habe nur noch auf dem Bett gesessen und geheult und nach Hilfe telefoniert.
Als mein Mann dann nach hause kam, saß ich bereits auf gepackten Koffern mit meinem Kind unter dem Arm auf dem Weg in die Psychiatrie.
Dort angekommen wurde ich das erst Mal mit der Diagnose postpartale Depression konfrontiert. Obwohl ich selbst Krankenschwester war, hatte ich noch nie vorher davon gehört!!!
Ich musste in der Klinik sofort abstillen, damit ich Medikamente nehmen konnte. Mein Psychiater war leider schlecht informiert, dass es auch stillverträgliche Medikamente gab und ich fühlte mich zum zweiten Mal total gescheitert. Jetzt war ich eine Mutter, die nicht mal ihr Kind stillen konnte. Das war ganz schrecklich für mich.
Zumal das eine ganz wichtige Sache zwischen meinem Sohn und mir war, weil ich zwar wusste, dass ich meinen Sohn unendlich liebe, aber es nicht spüren konnte. Das hat so eine wichtige Verbindung geschaffen, die dann plötzlich weg war.
Ich bekam dann wieder Abstilltabletten und durch das ganze Hormonchaos wurde alles noch viel schlimmer.
Ich bin ich eine ganz schrecklich Depression gestürzt und war überzeugt, dass mein Leben vorbei war und ich niemals mehr gesund werde.
Ich habe nur noch geweint, gezittert vor Angst und konnte mich zeitweise stundenlang nicht bewegen.
Es wurden zahlreiche Medikamente ausprobiert und nichts half.
Ich habe die Hoffnung immer mehr aufgegeben. Auch die Therapie brachte nichts zum Vorschein, was eine mögliche Ursache war, dass ich nicht gesund wurde.
Nach sieben Monaten, unzähligen Medikamenten und einer entsetzlichen Elektrokrampfbehandlung, war ich wenigstens in der Lage meinen Alltag wieder etwas zu bewältigen, allerdings nur mithilfe meiner so schrecklich aufdringlichen Schwiegereltern.
Ich wurde nach Hause entlassen und kam nur noch zur ambulanten Behandlung in die Klinik.
Weiterhin wurde an den Medikamenten herumgeschraubt und es besserte sich nichts.
Vor lauter Hoffnungslosigkeit und weil ich fast alle Freunde verloren hatte, habe ich versucht mich umzubringen.
Meine Freund waren in mir eine Person gewöhnt, die immer alles im Griff hatte, nicht klagte und erfolgreich war, in dem was sie sich vorgenommen hatte. Das vertrug sich nicht mit monatelangem Psychiatrieaufenthalt. Viele wollten nichts mehr mit einem Menschen zu tun haben, den schon fast alle aufgeben hatten.
Das war meine schlimmste Erfahrung mit der Krankheit.
Etwa ein Jahr nach Beginn der Erkrankung hat mein behandelnder Arzt vermutet, dass Hormonschwankungen die Ursache für das Nichtgesundwerden sind und hat sich mit meiner Gynäkologin zusammengesetzt.
Ich bekam dann eine Kombination aus mehreren Medikamenten (Trevilor, Nortrilen, Lamotrigin) und Hormonen.
Binnen von zwei Wochen war ich dann aus der Depression raus. Ich konnte wieder alleine meinen Alltag meistern.
Es gab noch viele Schwankungen und viele Restsymptome, aber ich war wieder in der Lage zu leben!!!
Mir ist in dieser Zeit der schlimmen Krankheit klar geworden, dass ich, wenn ich gesund würde mit meinem Leben etwas anfangen möchte, was mich wirklich glücklich macht. Für alles andere ist das Leben viel zu kurz und zu schade.
Also habe ich beschlossen, mir meinen Lebenstraum zu verwirklichen und Medizin zu studieren. Das hatte ich mir vor der Erkrankung niemals zugetraut. Erst durch die Erkrankung und die Erfahrungen, die ich dabei gemacht habe, bin ich innerlich stärker geworden und habe begonnen mir das zuzutrauen.
Als ich dann das Studium angetreten habe, war ich noch ziemlich eingeschränkt und habe mir das erste Semester auf zwei Semester aufgeteilt, damit ich es schaffe.
Am schlimmsten waren die Restsymptome Müdigkeit und Konzentrationsprobleme, die mir den Alltag und das Studieren schwer gemacht haben.
Während der Depression hatte ich solche starken Gedächtnisstörungen, dass ich mich teilweise am Nachmittag nicht mehr daran erinnern konnte, was ich am Vormittag getan hatte. Mein Arzt sagte mir, das sei eine depressive Pseudodemenz, ein häufiges Symptom bei so schweren Depressionen.
Deshalb bin ich weiter auf Ursachenforschung gegangen und habe meine Schilddrüse untersuchen lassen.
Es stellte sich heraus, dass ich eine Schilddrüsenunterfunktion hatte und als ich daraufhin in die Klinikakten Einsicht genommen habe, war zu sehen, dass sich die Schilddrüsenwerte sich direkt nach der Geburt verschlechtert hatten und in jeder Laboruntersuchung etwas schlechter wurden.
Da sich die Sache aber noch lange im unteren Grenzbereich lag, hat dem wohl keine Beachtung geschenkt.
Inzwischen war aber eine handfeste Unterfunktion feststellbar und ich bekam L- Thyroxin verschrieben.
Schon nach einer Woche Einnahme war ich ein anderer Mensch. Ich fühlte mich wie früher. Fit, fröhlich, unternehmungslustig, die Müdigkeit verschwand und ich konnte mich besser konzentrieren. Auch meine so lange vermissten Muttergefühle kamen plötzlich und ich konnte mein Kind richtig lieben!!
Seit dem läuft mein Studium sehr gut. Inzwischen habe ich das Grundstudium abgeschlossen und bereite mich gerade auf das erste Staatsexamen (früher: Physikum) vor, was ich dann im August haben werde.
Warum ich meine ganze Geschichte hier aufgeschrieben habe ist, um euch Mut zu machen: egal wie schlecht es euch momentan geht, egal wie lange die Krankheit dauert und wie hoffnungslos ihr seid, ihr werdet wieder gesund werden!!!!!
Wichtig ist Ursachenforschung und eine konsequente Behandlung, egal wie diese aussieht.
Und wenn eines oder mehrer Medikamente nicht wirken, sagt dass gar nichts, denn jeder reagiert anders und manchmal ist der Weg das richtige Medikament oder die richtige Medikamentenkombination zu finden, lang und sehr ätzend.
Ich habe bestimmt über 10 Medikamente ausprobiert und es hat ein ganze Jahr mit dauernden Wechseln gedauert, bis die richtige Kombination gefunden wurde.
Inzwischen konnte ich alle Medikamente ausschleichen und nehme nur noch 10 mg Fluctin zur Rückfallprophylaxe.
Also haltet bitte durch, es wird wirklich wieder gut, auch wenn es manchmal sehr lange dauert!
Viele, liebe Grüße
Kate