NEU HIER und ich stelle mich vor! - traurig oder depressiv?

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Artemisia

NEU HIER und ich stelle mich vor! - traurig oder depressiv?

Beitrag von Artemisia »

Ihr Lieben,

jetzt bin ich auf dieses wunderbare Forum gestoßen und möchte mich gleich mal vorstellen. Ich habe vor etwa 10 Wochen eine Tochter geboren, unser zweites Wunschkind. Mein erstes Kind, ein Junge, ist jetzt zwei Jahre alt.

Seit der letzten Geburt bin ich viel traurig. Ich kenne das schon ein bisschen von der Zeit nach der ersten Geburt vor zwei Jahren. Da hatte ich es total schwer, von der Schwangerschaft Abschied zu nehmen und mich im Alltag einzufinden. Hab mich so zwischen den Welten bewegt und kam erst nicht so richtig im neuen Leben an. Nach drei Wochen ging es dann.

Jetzt dauert es länger. Freude über die Kinder und Trauer liegen oft sehr dicht beieinander und ich weine viel. Manchmal weiß ich nicht recht was jetzt los ist, oft sind es kleine Auslöser, die einen Tag sehr trüb machen. Und ich grübel so viel und kann immer wiederkehrende Gedanken nicht abstellen.
Und ein Thema ist: ich bin immer noch total viel mit der letzten Geburt beschäftigt, ich kann das irgendwie überhaupt nicht verstehen und gleichzeitig das Thema nicht loslassen. Zum zweiten Mal wollten wir eine außerklinische Geburt und es hat wieder nicht geklappt. Nach einer Nacht und einem langen Tag mussten wir am Abend die Hausgeburt abbrechen, weil die Herztöne schlechter wurden und leider doch in die Klinik. Unsere vertraute Hebamme zurücklassen. Ich war so enttäuscht über den Bruch in dem Geburtsablauf. In der Klinik war der Spuk mit den Herztönen komischerweise vorbei und es ging wider Erwarten plötzlich schnell und war alles in Ordnung, auch wenn ich letzte Geburtsphase noch sehr schmerzhaft fand (hatte ich von der ersten Geburt nicht so in Erinnerung..). Aber unsere Tochter ist ohne Eingriffe als Wassergeburt geboren und ich hatte keine Geburtsverletzungen. Nur die Klinikhebamme fand ich doof und wenig unterstützend.

Mir ist es wirklich fast unangenehm davon zu schreiben, denn was ich so von euch gelesen habe, da hatten viele ja echte Horrorgeburten – dagegen ist mein Erlebnis ja geradezu schön. Aber genau das ist es was mich so belastet und ich kann kaum mehr jemandem davon erzählen… weil ich es nicht begreife damit noch so verhaftet und traurig zu sein. Hab mittlerweile das Gefühl, das ist nicht mehr „normal“ und es hindert mich, im Hier und Jetzt richtig anzukommen.
Ich versuche noch mehr davon zu beschreiben. Ich wünsche mich manchmal zurück, die Geburt am liebsten nochmal erleben (- und dann als Hausgeburt wie erhofft-) und das erste Wochenbett, ist ja auch eine besonders intensive Zeit, daneben der jetzige Alltag oft trostlos. Nach beiden Geburten hatte ich so am 10. Wochenbetttag besonders zu kämpfen, als der Abschied von der Nachsorgehebamme anstand, das Umsorgt werden und der beginnende Alltag.
Jetzt hab ich oft das Gefühl, wie eine Trauer, die nicht endet, ich kreise um mich selbst und fühle mich so unendlich sensibel – und denke immer andere haben doch viel schlimmeres erlebt, warum stelle ich mich so an. Die Erinnerung an die Geburt ist allerdings nicht das einzige Thema, insgesamt ist es noch vielschichtiger was mich belastet…

Noch zu meinem Alltag: ich bin mit beiden Kindern z.Zt. zu Hause, mein Großer kommt im Januar in die Kita, das wird sicher eine Entlastung, und mein Mann ist zum Glück viel unterstützend und präsent, aber ich finde den Alltag mit zwei kleinen Kindern schon oft krass. Oft so einschränkend, man kommt kaum vor die Tür, und eintönig, mir fehlt Ausgleich durch Arbeiten und die Perspektive, wann ich das mal wieder tun kann. Und vor allem fühle ich mich viel einsam, hab hier vor Ort wenig Austausch und Kontakte – wir sind erst ganz kurz vor der Schwangerschaft umgezogen. Oft fällt mir die Decke auf den Kopf und ich drehe mich um mich selbst.
Ich hab mal den Selbsttest zu Depression gemacht und bin so an der Grenze. Ich weiß einfach oft nicht wo ich stehe, wie gesagt, mal gibt es schöne Zeiten, und mal denke ich die Traurigkeit hört gar nicht auf und ich reiße mich zusammen für die Kinder und lenke mich ab. Dieses Stimmungsschwankungen sind sehr anstrengend.

Meine Frage an euch: kennt das jemand, noch so stark mit dem Geburtserlebnis beschäftigt zu sein (auch wenn das nicht sooo traumatisch ist)? Wann hört Traurigkeit auf und fängt Depression an? Wie weiß ich das? Ich werde jetzt mal anfangen Bachblüten zu nehmen, vielleicht hilft das mehr in der Gegenwart anzukommen.

Vielen Dank euch fürs Lesen, Artemisia
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Marika
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Beitrag von Marika »

Ein Herzliches Willkommen, liebe Artemisia hier bei uns!!!

Vielen Dank für deine Geschichte, sie hat mich sehr berührt. Besonders der Wunsch nach einer Hausgeburt mit der vertrauten Hebamme - da konnte ich deine Traurigkeit ganz heftig spüren. Und die Erfahrung, dass die KH Hebamme wenig unterstützend war, kann ich mit dir teilen. Auch deine Traurigkeit, als deine Nachsorgehebamme nach 10 Tagen ging, kann ich absolut nachvollziehen. Denn so sollte ein Wochenbett eigentlich sein - eine Unterstützende Kraft sollte da sein, die Mutter und Kind in den Alltag langsam hinein gleiten läßt.

Ich denke, du hast viel was dich belastet und deine Traurigkeit scheint nahe an der Grenze zur Depression zu sein. Bachblüten sind schon mal gut. Was mir auch geholfen hat (neben Psychotherapie und Medikamenten, denn ich hatte eine schwere PPD), waren Gespräche mit einer Hebamme in einer Hebammen Praxis. Ich habe zusammen mit ihr, die Geburt nochmal durchlebt und durchatmet, sodass ich sie akzeptieren, annehmen und somit abschließen konnte (meine Geburt war nicht schön). Sie war es auch, die mir erklärte, dass sich bei einer Geburt nicht nur der Körper "öffnet" um das Kind zu gebären, sondern auch die Seele!!!! Und daher ist die Frau danach auch "offen" in jeder Beziehung!!!! Der Schutzschild, der einen sonst gegen vieles von Außen kommende schützt, ist aufgebrochen durch die Geburt - denn wenn die Seele sich nicht öffnet, kann ein Kind nicht geboren werden. Bei mir hatte sich die Seele nicht geöffnet, ich hatte große Angst vor der Geburt, aber meine Seele sagte irgendwann "Stopp" und es mußte ein Notkaiserschnitt gemacht werden. So wurde meine Seele und mein Körper "gewaltsam" geöffnet - und das hat Wunden aufgerissen, die mich in die Depression schlittern ließen. Natürlich bin ich trotzdem dankbar, dass es die Möglichkeit eines Kaiserschnitts gibts, denn sonst wären weder ich noch mein Sohn heute noch am Leben.

Die Geburt ist immer ein ganz einschneidendes Erlebniss einer Frau - besonders, wenn sie sensibel ist und eine Wunschvorstellung hat, die nicht so eingetreten ist. Vielleicht kannst du ja auch nochmal zu deiner Nachsorgehebamme Kontakt aufnehmen und sie kann das ganze nachmal mit dir durchleben - ähnlich wie ich es in der Hebammen Praxis erfahren habe. Meine Hebi dort hat auch nach TCM (traditionelle chinesiche Medizin) meine KS - Narbe entstört, mir Bachblüten gemacht, viel Gespräche geführt und eben nochmal meditativ die Geburt verarbeitet.

Liebe Artemisia, du befindest im Moment auf einer Gratwanderung. Ganz wichtig wäre auf jeden Fall dass du dir schnell Hilfe holst, damit aus deiner Traurigkeit keine Depression wird. Bitte zögere auch nicht, wenn du dich schlechter fühlst, schulmedizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen -also etwa Hausarzt oder FA, der/die dich dann ggf. an einen Psychologen/in weiter vermitteln kann. Du hast die große Chance, das Ruder noch herum zu reißen - aber bitte warte nicht zu lange. Hold dir aktiv Hilfe - am besten wirklich in Form deiner vertrauten Hebamme!!!!

Ganz liebe Grüße und schön, dass du da bist!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Artemisia

Beitrag von Artemisia »

Liebe Marika!

Vielen Dank für deine herzliche Antwort!! Das, was du zum Geburtszustand schreibst finde ich absolut auch so. Dass die Seele sich öffnen muss. Und dass das danach einfach noch länger immer so ist. Frau ist durchlässig und sensibel für alles. Andere Kulturen sind uns da echt was voraus, dass in den den ersten 6 Wochen nach der Geburt die Mutter total entlastet wird, von anderen Frauen umsorgt wird, die ihr komplett den Haushalt abnehmen und sie sich nur ums Baby kümmern muss. Und dann erst gehen Mutter und Baby hinaus in die Welt. Bei uns gibt es ja gar nicht solch eine "Wochenbettkultur", gar keine Übergangsrituale. Das einzige sind echt die anfänglichen Hebammenbesuche, die aber dann schnell wieder vorbei sind. Und danach muss alles wieder wie vorher funktionieren.

Ich mache gerade den Rückbildungskurs bei meiner Hebamme und kann so nochmal mit ihr in Kontakt treten. Gerade geht es mir auch wieder eine Spur besser, vielleicht einfach dadurch, weil ich wachsamer bin für mein Befinden und jetzt schon viel geschrieben und gelesen und geredet habe.

Aber du hast recht, wie eine Gratwanderung fühlt es sich an, immer noch schwankend zwischen der einen oder anderen Seite. Ich versuche für mich zu sorgen!
Bis bald herzliche Grüße, Artemisia
claudia

Beitrag von claudia »

Liebe Artemisia,

habe nochmal "schnell" in´s Forum geschaut und bin dabei über Deine Vorstellung "gestolpert"...

Aus Deinem Beitrag spricht sooooo viel Sensibilität ,Gespür für den eigenen Körper und die Seele-das hat mich schwer beeindruckt!

Vielleicht magst Du einen Buchtip aufgreifen:"Es war eine schwere Geburt" von Viresha J.Bloemke ,im Kösel-Verlag erschienen."...Die Autorin unterstützt sie sehr einfühlsam darin,ihre Erfahrungen aufzuarbeiten.Sie schildert psychologische Hintergründe und zeigt eine Fülle von konkreten Hilfen,mit denen Sie die belastenden Erlebnisse verarbeiten können..."
So steht es auf dem Buchrücken-auch wenn Du,verglichen mit anderen,meinst keine schwere Geburt gehabt zu haben.In diesem Buch wird auch die Art der Begleitung einer Geburt als evtl.traumatisierend angesprochen...

Du kannst das Buch sicherlich über den Buchhandel beziehen.Es besteht aber auch die Möglichkeit,das Du es über eine SHG-Leiterin über den Verein "Schatten-und-Licht" ausleihen kannst.Wir SHG-Leiterinnen haben dieses Buch nämlich,neben einigen anderen in einem Buchpaket vom Verein zur Verfügung gestellt bekommen.
Schau doch mal auf die Liste der SHG auf der Menueliste der homepage,ob jemand in Deiner Nähe ist.

Du kannst mir sonst auch gerne eine "PN" schicken,dann kann ich es dir auch gerne zuschicken.

LG,Claudia
Ava

Beitrag von Ava »

Liebe Artemisia,

ich möchte Dir sagen, dass mich Dein Geburtsbericht sehr an mich erinnert hat. Ich konnte auch die Geburt nicht loslassen, war immer wieder damit beschäftigt.
Ich fühlte mich so "offen", so als würde sich die körperliche Dehnung und das Aufmachen bei der Geburt auf meine Seele niederschlagen, als wäre alles durchlässig - so schutzlos, wie wenn man im Gebirge ohne Sonnenschutz rumläuft und sich tierischen Sonnenbrand und Verbrennungen holt!!!
Heute bin ich davon überzeugt, dass diese Wochenbettzeit in unserer Kultur nicht ernst genug genommen wird - wir brauchen viel Zeit, um wieder eine "geschlossene Persönlichkeit" zu werden, das Geburtserlebnis kann einen so richtig aus der Fassung bringen, es kann einen so unglaublich tief berühren und aus der Bahn werfen...ich glaube, es wird nicht darüber geredet, und es wird erwartet, das wir das "abhaken".
Ich finde es TOTAL verständlich, wenn man es nicht "abhaken" kann. Schließlich werden wir durch dieses Ereignis Mutter - das ist ein riesengroßer Schritt - ich fand diesen Schritt eingreifender als meine Hochzeit, zum Beispiel.
Ich möchte Dir Mut machen, dazu zu stehen, dass dieses Thema Dich weiter beschäftigt. Es muß verarbeitet werden - und jede, die eine Geburt erlebt hat, wird bestätigen können, dass es mit das Extremste und Außergewöhnlichste an Zustand ist, was man erleben kann, dieses ganze Unkontrollierte, die Schmerzen, einfach alles.
Die Haut um Dein Ich wird sich wieder schließen. Gib´ Dir Zeit!!!!
B ei mir und bei vielen anderen hier ist diese riesengroße Sensibilität nach der Geburt auch wieder zurückgegangen. Sie bildet sich allmählich zurück, und das hat auch viel damit zu tun, dass Dein Kind wächst.
Bei mir war der Moment, als mein Baby größer wurde, noch einmal sehr schmerzhaft, und als ich realisiert hatte, dass es irgendwann einfach zu groß war, um noch in meinen Bauch hineinzupassen, konnte ich auch das Geburtserlebnis immer mehr loslassen.
Ich hatte eine sehr schwierige une eine gute Geburt - bei beiden waren die seelischen Nachwehen groß. Aus heutiger Sicht finde ich es - angesichts des Erlebnisses - angemessen und normal, auch wenn ich es damals quälend fand und mir dieselben Fragen gestellt habe wie Du jetzt.
Alles Gute

Ava
Artemisia

Beitrag von Artemisia »

Liebe Claudia, liebe Ava,

danke für eure Antworten! Claudia, das Buch hab ich mir gleich bestellt. War ein guter Tip, ich kannte es vom Titel her übrigens schon, hab aber jetzt in dieser Situation vergessen, dass es das gibt. Jetzt bin ich sehr gespannt drin zu lesen.

Ava, es tat echt sehr gut zu lesen, dass du das kennst, dass eine Geburt noch so sehr "nachklingt". Und noch lange lange Traurigkeit oder Wehmut mitschwingen können. Und dass es einfach ganz viel Zeit und Verständnis braucht, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. So ist es. Ich glaube, indem ich das akzeptiere, geht es schon einen Schritt weiter.

Liebe Grüße von Artemisia
Eva

Beitrag von Eva »

Ich werde die Gelegenheit mal nutzen und mich hier vorstellen. Ich bin auch neu hier in diesem Forum, ich hab zwar noch nich entbunden aber in 6 Wochen ist es dann bei mir auch sowweit! Seit der 28.SSW habe ich Schwangerschaftsdepressionen und seitdem bin ich auch bei einer Therapeutin in behandlung und nehme auch Medikamente. Es ist zwar schon besser geworden aber an manchen Tagen überkommen mich all diese Gefühle wieder am schlimmsten empfinde ich es zur Zeit das ich mich selber und meine Gefühle so sehr unter die Lupe nehme und mir ständiig Gedanken machen wieso,weshalb,warum ich so empfinde!
Was ich noch sehr seltsam finde an den Tagen an denen es mir ganz gut geht kommt mir das aber irgendwie nich real vor....ich denke dann immer das kann doch nich sein was da grad mit dir passiert!
Ich hoffe einfach das sich mit der Geburt alles ändert und ich langsam wieder ins Leben zurück finde
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