Deprimiert... aber ist das Babyblues?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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threnody

Deprimiert... aber ist das Babyblues?

Beitrag von threnody »

Hallo... ich war schon immer von meinen Gefühlen her sehr schwankend... wie das berühmte Fähnlein im Wind eben... ich war Hypochonder und magersüchtig... irgendwann wollte ich dann ein Kind... um die Leere in mir zu füllen... wurde schwanger, hab es verloren, wurde wieder schwanger und hab jetzt einen Sohn. Er ist 11 Monate alt. Ich habe die Schwangerschaft gehaßt. Sie danach vermißt. Die ersten 2 MOnate nach der Geburt nur geheult. Irgendwann wurde es besser. Doch jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher darüber... Das Loch in mir klafft immer noch... das Baby hat es nicht gefüllt... und ich habe begriffen, daß ich mir aus dem falschen Grund ein Kind gewünscht habe... Ich fühle mich wieder sehr deprimiert... manchmal bin ich so eifersüchtig auf ihn... er hat das Leben noch vor sich, er wird Erfolg haben und alles tun können, was er will... all das, was ich nicht tun konnte. Ich bin noch nicht so alt... 24... aber ich fühle mich wie am Ende meines Lebens... Es fällt mir schwer, mit ihm zusammen zu sein... Er will so viel aufmerksamkeit... doch ich will sie auch! ich habe gedacht, mit einem kind würde sich das geben, ich würde mich nicht mehr allein und nutzlos fühlen... doch es ist tausendmal schlimmer geworden! Wer interessiert sich schon noch für mich? Mein Leben ist vorbei und kommt nie wieder... Ich fühle mich wie ein Stein. Wie ein weinender Stein. Unfähig zu lieben; unfähig an Liebe zu glauben... Warum mach ich überhaupt noch weiter? Wegen diesem Klassiker etwa - "dein kind braucht dich"? Ich hab meine Mutter auch früh verloren und bin trotzdem groß geworden... Nein, ich will mich nicht umbringen. Aber manchmal möchte ich weglaufen und nochmal dort von vorne anfangen, wo mich keiner kennt.
aber ich hab Angst davor. Denn wenn ich es tun würde - was würde sich schon ändern? So, wie ich mich kenne, würde ich doch dann auch nur dem Leben nachtrauern, das ich zuvor hatte. So, wie ich es auch jetzt tue.
Ich wünschte, ich wäre so frei wie meine Freundinnen. Die studieren, leben allein, ihr Leben ist eine Party, sie sind frei und ungebunden. Darauf habe ich verzichtet. Ich dachte, es wäre mir nicht wichtig. Ich habe mich wohl geirrt.
Wenn ich jemanden um Hilfe bitte, dann heißt es ja eh nur, ich solle dieses oder jenes Medikament schlucken, dann ging es mir besser. Aber das ist genauso, als würde man Staub unter den Teppich kehren. Ich kann mir keinen Psychiater mehr leisten. Mein Mann hält das für zum Fenster hinausgeworfenes Geld, weil es eh nichts bringt. Und er hat sogar recht. Ich sage A, und die Psychiater sagen B.
Armer Kleiner. Er hätte es besser verdient. Doch ich denke genauso, daß auch ich es besser verdient hätte.
Haltet mich ruhig für eine egoistische Kuh. Das verletzt mich nicht. Die Wahrheit sollte einen nie verletzen.
Ich wollte das nur mal loswerden. Ich weiß, daß es nichts bringt. Aber vielleicht fühle ich mich eine Zeit lang weniger allein.

Threnody
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Threnody!

Erst mal ein liebes Hallo an dich! Es ist unglaublich mutig von dir, alle deine Gefühle so offen uns hier anzuvertrauen. Und ich sehe dich absolut nicht als "egoistische Kuh". Ich denke du bist in einem Prozess, in dem man "Abschied" von seinem früheren Leben nimmt, wenn man Mama wird. Das ist so - auch mir wurde das nach der Geburt von meinem Kleinen schlagartig bewusst. Aber alleine konnte ich mich nicht mehr zurecht finden und holte mir deshalb Hilfe. Man unterschätzt das alles einfach ganz enorm und stellt sich alles wunderbar vor. Aber zum Mama Sein gehört auch die Schattenseite und die dürfen wir auch haben bzw. aussprechen.

Das du diesem Leben nachtrauerst, in ganz normal und auch verständlich -zumindest für uns Frauen. Die Männer tun sich da schwer, sowas zu verstehen. Aber für uns ist "Mama werden" ein massiver Einschnitt in unserem Leben.

Ich würde dir trotzdem empfehlen, einen Psychologen auf zu suchen. Der müßte doch von der Kasse bezahlt werden - oder? Ich bin auch seit 6 Monaten in einer Psychotherpie und sie hat bei mir schon sehr große Erfolge gebracht. Aber es dauert halt seine Zeit. Paralell dazu war ich auch noch zur Nachbetreuung bei einer Hebamme, die mich ganz toll begleitet hat. Mit ihr konnte ich ganz intensiv über das Mama - Sein reden und alle meine Ängste und Gefühle aussprechen. Mir haben auch Medikamente geholfen - dadurch war ich in der Lage, mich voll und ganz auf meinen Psychotherpie zu konzentrieren.

Hey, Kopf hoch. Probier doch nochmal, dir Hilfe zu holen. Es gibt einen Weg, um dir zu helfen, ganz bestimmt. Versuchs nochmal - für DICH und deine kleine Familie! Du hast ein Recht darauf glücklich zu sein und das kannst du auch werden. Dafür ist es nie zu spät.

Lass wieder von dir hören, wir werden dir helfen, wo wir nur können!!!!

Liebe Grüße
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Ava

Beitrag von Ava »

Hallo Threnody,

bei mir war es auch so, dass die Geburt meiner Töchter das "innere Loch" in mir hat aufreißen lassen, und das fühlt sích schrecklich an, ich kenne das, es war ein Abgrund, und ich bekam richtig Angst vor mir selbst.
Du kannst, je größer Dein Kind wird, immer mehr für Dich tun, um Deine innere Leere zu füllen. Ein Kind von 11 Monaten ist superanstrengend, glaube mir, das bleibt nicht so. Dann wirst Du Dein Kind weniger als "Konurrent" empfinden, der alles bekommt, und Du zu wenig. Glaube mir, das geht vorbei, denn Dein Kind wird größer, und zwar von ganz alleine.
Warum kannst Du Dir keine Behandlung leisten? Bist Du nicht krankenversichert? Mir tut meine Psychotherapie sehr gut. Mein Psychotherapeut kann sich sehr gut einfühlen und ich gehe jedesmal gestärkt aus der Stunde raus. Glaube mir, Therapie ist nicht Therapie, auch Du kannst das Richtige für Dich finden, jemand, der Dir hilft, die Leere zu füllen - mit gutem Zuspruch, mit (Selbst-)Liebe, mit kleinen Dingen, die Dich wieder ins Leben hineinbringen, dann hört bestimmt auch die Eifersucht auf Deine Freundinnen auf.
Auch wenn Du diese Zeilen jetzt liest und denkst, das glaube ich nicht, bitte hole Dir trotzdem Hilfe, denn Du und Deine Gesundheit und Dein Leben, das noch vor Dir liegt, sind den Versuch wert. Auch wenn jetzt alles Grau in Grau ist - das geht vorüber. Und schreib´ wieder, wenn Dir danach zumute ist, hier findest Du viele Frauen, die Ähnliches erlebt haben und erleben.

Alles Gute

Ava
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