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Lilly77

Möchte mich vorstellen

Beitrag von Lilly77 »

Hallo,

ich heiße Kerstin, bin 31 Jahre alt und habe eine PPD.

Meine Tochter erblickte am 2. April 2008 das Licht der Welt. Schon in der Schwangerschaft war ich oft unglücklich, was ich aus heutiger Sicht auf äußere Umstände zurückführe. Ich wollte so gern spontan entbinden. Ich war fünf Tage über dem Termin als die Ärzte mir rieten eine Sectio vornehmen zu lassen. Warum? Es tat sich nichts was auf eine Geburt hinweisen könnte - Muttermund fest zu, Kind noch nicht ins Becken gerutscht. Meine Kleine wurde auf 4500 Gramm geschätzt und es wurde gemutmaßt dass sie auch recht groß ist. Kurzum, die Ärzte meinten dass das Kind womöglich nicht durch mein Becken passen oder mit den Schultern steckenbleiben könnte. Ich bekam Angst, und stimmte völlig verzweifelt der Sectio zu. Wollte eigentlich dabei wach sein. Ich war noch nie im Krankenhaus, wurde noch nie operiert. Ich hatte Riesenangst, und man riet mir zur Vollnarkose - ich willigte ein. Hannah kam mit 52cm und 4080 Gramm zur Welt. Filmriss. Ich werde wach und frage nach meinem Baby. Der Pfleger sagt mir dass es ein gesundes Mädchen ist, und dass meine Familie mit meiner Tochter im Kreißsaal auf mich wartet. Man schiebt mich in den Raum, ich bin noch total benebelt von der Narkose. Meine Hebamme (sie hat mich zur OP begleitet) legt mir mein Kind auf die Brust, aber ich bekomme das irgendwie alles nicht richtig mit. Naja. Nach der OP geht es mir körperlich ganz gut, habe kaum Schmerzen. Dennoch kann ich schlecht aufstehen und bin viel im Bett. Wir haben ein Familienzimmer, mein Mann kümmert sich überwiegend um unser Baby. Ich erwische mich dabei eine Art Eifersucht zu entwickeln. Überhaupt komme ich mir vor wie eine unbeteiligte, fremde Person, die das Treiben beobachtet. Schon die ersten Tage nach der Entbindung ging es mir psychisch nicht so gut, das mit dem Stillen klappte auch nicht. Ich dachte damals dass ich alles falsch mache, noch nicht einmal vernünftig gebären kann ich...naja, mein Zustand wurde wöchentlich schlechter, aber ich habe es verdrängt. Ich muss doch funktionieren! Und wo, verdammt, bleibt die Mutterliebe? Ich wusste dass etwas nicht stimmt, habe es zu dem Zeitpunkt aber einfach ausgeblendet. Es war in der 6. Woche nach der Geburt, da bekam ich urplötzlich Herzrasen und Todesangst. Da brach ich irgendwie total zusammen und von da an ging es mir sehr schlecht. Mochte nichts mehr essen oder trinken. Hatte Angstzustände wenn ich mit meiner Kleinen alleine war. Wollte nur im Bett liegen, nichts sehen oder hören. Am Besten nur schlafen, um aus der Realität auszubrechen. Es war meine Nachsorgehebamme die das Kind "Depression" beim Namen nannte und sich für mich um einen raschen Arzttermin bemühte. Ich bin fast ausgeflippt, hatte das Gefühl für verrückt gehalten zu werden. Zuvor hatte ich oder mein Umfeld nie etwas mit psychischen Erkrankungen zu tun, ich habe so etwas nie richtig ernst genommen. Und nun sollte ich davon betroffen sein? Ich, die immer alles im Griff hatte? Nein! Doch. Heute weiß ich dass viele Faktoren dazu geführt haben - der ungewollte Kaiserschnitt, Stillen klappte nicht, immer alles perfekt machen wollen usw. Naja, mir wurde von meiner Hausärztin Citalopram 20mg verschrieben. Nach drei Wochen und mittlerweile 40mg ging es mir noch immer sehr schlecht. Hatte Angst davor mit meiner Tochter allein zu sein, es irgendwie nicht zu packen. Habe meinen Mann angewinselt er möge mich bitte nicht allein lassen und der Arbeit fern bleiben. Ein paar Tage war es möglich, aber Arbeitgeber sehen sich das nicht lange mit an. Ich selbst bin Kauffrau, und kann dies natürlich nachvollziehen. Wenn ich irgendwo im Haus ein Messer oder eine Schere liegen sah bekam ich Angst und legte diese Dinge schnell in eine Schublade. Ich wollte mich eigentlich nicht umbringen, aber ich hatte Angst davor dass "Es" mich irgendwie dazu verleitet es doch zu tun. Schlimm. Naja, ich erfuhr von der Mutter-Kind-Ambulanz der LWL-Klinik in Dortmund und fuhr dort hin. Die Ärztin verschrieb mir 60mg Citalopram und gab mir ein paar Tabletten Tavor mit für die schlimmsten Tage. Tavor - ich weiß von der Gefahr der Abhängigkeit bei längerer Anwendung. Ich nahm Tavor ungefähr zwei Wochen. Etwa sechs Wochen nach dem ersten Termin bei meiner Hausärztin fing ich an mich besser zu fühlen. Es gab aber auch immer wieder mal schlechtere Tage. Außerdem fuhr ich etwa drei Monate lang einmal wöchentlich nach Dortmund in die Klinik, wo meine Psychiaterin eine Gesprächsgruppe für betroffene Frauen leitet. Das tat mir gut. Ich hatte eine Anlaufstelle wo ich meine Gefühlswelt nicht lange erklären musste. Jede dort wusste was in mir vorging, weil es ihnen selbst so ging. Ich würde sagen dass es mir etwa seit Oktober 2008 recht gut geht. Manchmal habe ich immer wieder Mal einen Tag wo ich traurig bin, aber es geht. Das geschieht meistens wenn ich meine Periode habe. Seit drei Wochen bin ich runter auf 40 mg Citalopram und es geht mir gut dabei. Ich bin sehr glücklich, dass ich mein Kind lieben kann. Von fehlenden Muttergefühlen kann keine Rede mehr sein. Ich habe wieder Spaß am Leben, kann wieder lachen. Trotzdem beschäftige ich mich sehr oft mit meiner Depression, das Thema lässt mich nicht los. Zudem ist unsere Familienplanung noch nicht abgeschlossen, und im Hinterkopf geistert die Angst die schlimmste Zeit meines Lebens nochmal durchleben zu müssen. Auch wenn dies, den medizinischen Meinungen nach, eher unwahrscheinlich ist.

Denen, welche gerade mittendrin stecken, möchte ich sagen dass Ihr die Hoffnung nicht verlieren dürft. Ich dachte immer dass ich nie wieder gesund werde. Es braucht einfach Zeit die Wunden zu heilen, und die dauert bei jeder Frau unterschiedlich lang. Plant Euren Tagesablauf - verabredet Euch, oder bummelt durch die Stadt! Auch wenn Ihr Euch überhaupt nicht danach fühlt, macht es trotzdem. Und redet offen über Eure Situation. Scheut Euch nicht davor ärztliche und psychologische Hilfe anzunehmen, wenn Ihr eine Grippe habt dann geht Ihr ja auch zum Arzt.
Es wird wieder gut.

Liebe Grüße,
Kerstin
Dora

Vorstellrunde

Beitrag von Dora »

Hallo Kerstin,
herzlich willkommen im "Club" :-)
Es tat Dir sicherlich gut, Dir endlich mal Deine Geschichte von der Seele zu schreiben, oder? Es ist einfach schön, sich hier mit Gleichgesinnten auszutauschen. Du wirst sicherlich durch Deine Erfahrung vielen eine große Hilfe sein.
Ich gehöre "glücklicherweise" auch zu denen, die es geschafft haben. Meine Angsterkranung (war schon vor der Schwangerschaft leicht vorhanden) ist zwar an einigen Tagen noch präsent, aber durch meine Erfahrung und meine pflanzlichen Mittelchen :D , kann ich ganz gut damit leben.
Im Nachhin muss ich sagen, hat der Zusammenbruch auch sehr viel Positives hinterlassen. Ich weiss mein Leben, die Beziehung zu meinem Sohnemann und viele, viele andere schönen Dinge wirklich zu schätzen. Und, ich hab gelernt, auf meinen Körper und deren Signale zu achten.
Geht es Dir ähnlich??
Tja, das zweite Kind. Ist bei uns auch so ein Thema...
Im Moment ist es für mich noch zu früh, aber vielleicht wagen wir es irgendwann nochmal. Mal schauen...Ich hab aber auch Angst davor.
So, das reicht jetzt auch :-) Ich wünsche Dir einen guten Start in diesem
Forum
LG Silvia
P.S. Ich hatte auch einen Kaiserschnitt mit Vollnarkose :evil:
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