Etwas Halt und Zuspruch gesucht! Bitte!

Austausch alltäglicher Sorgen oder Freuden

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AmoebeMS

Etwas Halt und Zuspruch gesucht! Bitte!

Beitrag von AmoebeMS »

Hallo liebes Forum,

meine Gedanken laufen auf Hochtouren, wie vorausgesehen.

Ich war in dieser Situation schon mal im Januar, allerdings damals noch ohne Medikamente und ohne Therapiebewilligung.

Es ist etwas kompliziert und vielleicht ist es auch meine eigene Schuld, aber jetzt ist es eben so und ich muss da durch und habe einfach langsam Panik.

Mein Vater ist ein Pflegefall. Er hatte vor einem Jahr einen Schlaganfall, ist halbseitig gelähmt und spricht auch nicht mehr richtig. Das war auch mit der Auslöser für meine Depression. Meine Mutter betreut ihn. Hat ihren Job an den Nagel hängen müssen und ist nur für ihn da. Jetzt muss sie wegfahren. Für fünf Tage. Es geht nicht anders. Sie muss. Verstehe ich auch. Das war schon mal der Fall, eben im Januar und ich war mit den Kindern bei meinem Papa. Das war zwar die Hölle, aber zusammen mit meinem Mann haben wir das gut gemeistert. Nun muss ich wieder „ran“. Dieses Mal kann mich allerdings mein Mann nicht so unterstützen, da er viele wichtige Termine hat. Eigentlich geht´s mir gut, denn die Angst und die Panik, die mir bekannt sind, habe ich unter Kontrolle, aber ich fühle mich jetzt schon überfordert. Und morgen Abend muss ich dort antanzen.

Eigentlich wollte ich mal Ärztin oder Psychologin werden. Gott sei Dank hat das nicht geklappt, denn die Welt wäre mit einem weiteren Quacksalber gesegnet gewesen. Das hätte ich nie durchgestanden. Aber einen Pflegefall zu betreuen, macht mir Angst. Mehr Angst als dass ich durch meine zwei Buben kenne. Warum fühle ich mich so hilflos? Eigentlich kenne ich diese Situation vom Anfang des Jahres und ich habe sie auch überstanden. Um es deutlich zu formulieren: ein Bauchkatheter oder ein Urinbeutel macht mir keine Angst, aber das Hintern-Abwischen schon. Ach Sch… ich kenne das doch eigentlich von den Scheissern namens Kinder. Mensch, ich bin so durcheinander. Ich habe Angst, dass ich ihn fallen lasse beim Aufstehen, beim Rausgehen muss ich immer jemanden um Hilfe bitten. Ja, ich bin nicht auf den Mund gefallen, sicher, aber da sind noch zwei Kleinkinder, auf die ich achten muss. Nein, ohne die Kinder fahre ich nicht. Sie akzeptieren ihren Opa so wie er ist. Warum kann ich das nicht?

Wenn ich in letzter Zeit hier viel schreibe, dann ist das unter anderem auch der Punkt. Ich wusste von dieser kommenden Situation ja schon länger. Daher meine Unsicherheit. Die Ablenkung, der Zuspruch, den hier suche und nirgends anders finden kann. Ich habe morgen früh noch einen Termin bei meiner Psychologin. Natürlich werde ich das mit ihr besprechen, obwohl sie morgen gerne mal eine Sitzung einschieben möchte mit der Überschrift „Perfektionismus“. Super! Ein Zusammenhang besteht, natürlich, aber ich bin so unendlich nervös und deprimiert, dass meine Gedanken über mich rollen wie eine Sinnflut.

Ich benötige einfach etwas Zuspruch. Bin einfach erschöpft vom ständigen Stark-sein-müssen. Ich kann mich nicht drücken; ich weiß, dass ich Sonntag (wenn ich wieder zu Hause bin) alles hinter mir habe, aber HEUTE habe ich alles noch vor mir und solchen Respekt vor dieser Aufgabe, dass ich mich heute Abend am liebsten „absetzen“ möchte. Die Kinder geben mir Halt. Ich bitte einfach nur um etwas Zuspruch und gut gemeinte Worte, die ich sonst von niemandem höre. Danke fürs Lesen.

LG Eure AmoebeMS

P.S. Ich denke oft daran, dass ich keine PPD hatte und den meisten von Euch in der Not keine richtige Stütze sein konnte, aber ich fühlte mich noch nie so richtig aufgehoben, wie hier. Bitte einfach mal ein "Denk an dich" oder ein"hör-auf-so-ein-Scharm-zu-reden" senden, dann geht´s mir sicher besser und ich weiß, jemand denkt an mich.
P.P.S. Ich habe noch nicht mal gepackt.
P.P.P.S. Und ich bin nicht mal die leibliche Tochter und die beiden anderen machen gar nix. Verstehe einer diese Welt. Aber dieser Mann, mein Stiefvater, war eben immer mein Ein-und-Alles. Ist er auch noch heute. Nur kann ich heute nicht mehr mit ihm so kommunizieren wie früher und wenn doch, dann weiß ich nicht was ich glauben kann und was nicht. Eine Situation, die ich keinem wünsche. Und ich liebe ihn so sehr. Jetzt wo, ich das schreibe, seltsam, ich fühle mich besser. Ich liebe ihn nämlich wirklich abgöttisch.
omi 50

Hier kommt Trost

Beitrag von omi 50 »

meine liebe Amoebe,
Kann deine Angst gut verstehen !! es ist doch ein Unterschied ob mann seinen Kinder den Popo wischt oder seinem Vater ...
weißt du gerade weil du ihn so liebst ist es auch so ein Problem für dich
es macht einen hilflos und traurig weil man nicht mehr tun kann !!!
Aber du wirst das schaffen den du bist stark!!!!!
Und die Kinder haben da etwas gutes sie nehmen den Opa so wie er ist
und machen sich keine Gedanken wie wir Erwachsenen .....das ist auch gut so!
So pack jetzt deine Koffer und denk noch mal an ihn dan Spürst du wieder diese Liebe -- und du wirst hinfahren zu ihm und alles Richtig machen
davon bin ich Überzeugt..Liebe macht alles richtig ,meistens wenigstens" Grins
Ich drücke Dich ganz LiebTina
Maike

Beitrag von Maike »

Hallo liebe Amoebe,

zunächste einmal fühl Dich mal ganz doll von mir gedrückt!

Ich finde, dass Deine Bedenken, gerade in Deiner Situation, dass Du damals in die Depression gerutscht bist, total normal sind. Ehrlich! Denn mal ganz abgesehen davon gehört zu dem Pflegen einer Person ganz viel Mut und Kraft! Das macht nicht jeder....das kann gar nicht jeder!
Deine Panik ist einfach nur menschlich! Auch wenn Du das schon einmal gemacht hast, so ist es immer wieder eine neue Situation. Und dass Dein Vater ein erwachsener Mensch und kein Kind ist, das ist auch noch mal ein riesen großer Unterschied.
Ich kann hier gut reden...aber ich kann es WIRKLICH nachvollziehen, in was für einer Lage Du Dich fühlst. Denn, wie ich Dir ja schon in der PN geschrieben habe, hat meine Mutter meiner Tante bis zum Tod (2005 gestorben) 12 Jahre gepflegt und sich um sie gesorgt..dann wenn es mal wieder ganz schlimm war. Ich habe wirklich nur ansatzweise gespürt, was meine Mutter geleistet hat...Und zwar als meine Mutter 2005 selber mit einem Darmverschluß im KH lag und auch später dann zur Kur war und ausfiel. Ich hatte das Bedürfnis meiner Mutter zu helfen und meiner Tante beizustehen...wirklich, ich habe nichts gemacht, ausser bei ihr zu sein und vielleicht einige Kleinigkeiten gemacht. Ich hatte das "Glück" dass meine Tante ins KH kam und dadurch dort gut aufgehoben war. Aber es war für mich eine riesen Belastung und ich habe meine Mutter für jeden Moment bewundert!
Was ich Dir damit sagen möchte, liebe Amoebe, Du bist unwarscheinlich stark und kannst wirklich stolz auf Dich sein! Und wenn Du das schon einmal geschafft hast, dann schaffst Du es dieses mal auch! Und darfst trotzdem Deine "Panik" haben! Ich kenne Dich nicht :-), aber ich glaube das wirklich und will hier nicht nur ein paar aufmunternde Worte los lassen.

Das Wickeln eines erwachsenen Menschen kannst Du wirklich so rein GAR NICHT mit dem Wickeln Deiner Jungs vergleichen! Und ich glaube auch nicht, dass das jemand von Dir verlangt!

Kannst Du im äussersten Fall nicht auch auf einen Pflegedienst zurück greifen? Dann, wenn Du glaubst, dass Du das nicht schaffst?

Eine ganz dicke Umarmung und liebe Grüße senden Dir
mici

Beitrag von mici »

Hallo, liebe AmoebeMS,

es wird Dich zwar am ersten Tag noch Überwindung kosten, aber dann merkst Du, wie Ihr vier ein eingespieltes Team werdet und hinterher (am Sonntag) wirst Du ein Gott-weiß-was-für-ein-tolles-Gefühl haben, weil Du etwas sehr, sehr wichtiges für einen geliebten Menschen tun konntest. Auch Deine Mutter wird es Dir danken und Euer Verhältnis stärken. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass die Pflegebedürftigkeit Deines Vaters Auslöser für Deine Depressionen gewesen ist, und gerade deshalb wird es Dir langfristig gut tun, wenn Du diese Herausforderung annimmst und meisterst. Meine Mutter hat immer gesagt: Wenn es einem selber schlecht geht, soll man einem anderen Menschen etwas Gutes tun. Dieser, wie ich finde, sehr altruistische Anspruch kann Dir über die schwierigen Tage helfen, das wünsche ich Dir.

Herzlichst, MICI
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Marika
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Beitrag von Marika »

Liebe Amoebe,

jetzt ergibt für mich alles einen Sinn: Deine "Befindlichkeitsstörungen" in letzter Zeit.... schlecht Schlafen, dann wieder dauermüde, Unruhe usw.... die ganze Zeit war doch dieser Termin in deinem Kopf!!!! Und diese Situation ist genau die, die damals deine Erkrankung - DEIN TRAUMA!!!! ausgelöst hat!!! Dein gliebter Papa wurde schwerst krank, Angst ihn zu verlieren, Angst die KONTROLLE und die SICHERHEIT - sprich IHN zu verlieren.... haben damals deine Depression ausgelöst und jetzt kommst du in genau dieselbe Situation wieder. Du pflegst ihn, aber du hast keine KONTROLLE ODER SICHERHEIT in dieser Situation - denn DU mußt die jenige sein, die genau DIESE Dinge (Kontrolle und Sicherheit) geben mußt!Das MUSS ja Anst und Panik in dir erzeugen - es kann gar nicht anders rum sein!!!

Es ist absolut normal, dass so reagierst, denn du kommst jetzt wieder in deine ureigene Traumasituation!!! Das ist das selbe, als ich damals immer Angst, Panik und ZG hatte, wenn ich mein Baby alleine vesorgen sollte! Das war meine Traumasituation - ich hatte Angst, ich hatte keine Kontrolle und Sicherheit in dieser Situation, sondern ICH war die jenige, die genau DAS geben sollte. Die Reaktion??? Angst, Panik, ZG! Siehst du die Zusammenhänge? Es ist ganz klar und logisch, dass du so reagierst - du konfrontierst dich so zu sagen mit deiner Angstsituation! Weißt du auch die gute Nachricht? Genau DAS brauchst du, um deine Angst kleiner und kleiner werden zu lassen - die Konfrontation mit der urauslöenden Situation deiner Depression, deiner Ängste, deiner Panik! Du hast jetzt die CHANCE dazu, auch wenn das Gefühl jetzt, total grauslig ist. Ich weiß wie das ist, wenn man am liebsten davon rennen würde, weil einem die immer stärker werdende Angst fast die Luft zum Atmen nimmt. Aber du wirst das durchstehen und wirst sogar noch gestärkt wieder raus kommen!!! DAS IST KONFRONTATION MIT DER ANGST UND DAS IST WIE THERAPIE IN DER PRAXIS!!!!

Ich finds eine gute Idee, mit deiner Thera da drüber zu reden - ihr könnt den "Perfektionnismus" auch ein ander mal behandeln. Jetzt ist eine Akutsituation da und da kann und soll sie jetzt aktiv mit dir sprechen und Tipps geben.

Hast du bei deinem Papa Internt? Wenn ja, dann berichte wie es dir geht, du weißt wir sind immer hier um dich zu stützen, wenn es mal schwer wird. Speziell ich verspreche dir, ganz aktiv immer nach diesem Thread hier zu sehen, ob du geschrieben hast, ob ich dir helfen kann. Du bist nicht alleine, ich bleibe hier, warte auf eine Nachricht von dir und werde dich unterstützen, so gut ich kann!

Ganz liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
ubure

Beitrag von ubure »

Liebe Amoebe,

ich glaub, ich kann ein bisschen verstehen, wie es Dir grade geht. Zuerst mal eine relativ neue Situation, weil Dein Mann nicht so richtig dabei sein wird - für mich ist alles Neue, jede Pflichtaufgabe auswärts immer wieder neu ein Problem, es verdirbt mir schon den ganzen Tag, wenn ich einmal in der Woche meinen Italienischkurs halten muss, oder einen Arzttermin habe, oder sonstwas in der Art.
Aber wenn ich mal da bin, ist das Unwohlsein vorbei, weil man dann beschäftgit ist, und Dir wird's genauo gehen. Natürlich kann man die Pflege eines älteren Mannes nicht mit einem Sprachkurs vergleichen, aber ich denke, der Auslöser für Deine Unruhe und Nervosität ist derselbe.

Als mein Papa damals für 2 Monate im Krankenhaus war, weil er ein Gehirnaneurisma hatte und operiert werden musste (das Aneurisma war Auslöser für mehrere Schlaganfälle bei ihm), war ich auch diejenige, die ihn fast täglich nach der Arbeit besucht hat (er war ja in München-Großhadern und ich hab damals ja in München gewohnt und gearbeitet). Nicht nur, dass damals meine Depressionen so richtig angefangen haben, ich bin in der Zeit auch noch schwanger geworden (nur habe ich das 3 Monate nicht gemerkt, so beschäftigt war ich..). Dann kam auch mal eine Situation, in der mein Papa wohl nachts sehr hohes Fieber bekommen hat und fast gestorben wäre. Allerdings hat das die Ärzte nciht sehr gekümmert, sie haben noch nicht mal das mit dem Fieber geglaubt. Dazu musste ich erst quasi gewaltsam mit hoch erhobenem Fieberthermometer ins Arztzimmer eindringen. Ich habe echt ein Riesentheater veranstaltet, und da sind sie schließlich doch in die Gänge gekommen. Zuvor war ich aber ncoh bei ihm im Zimmer und er bat mich, ihm mit der Urinflasche zu helfen. Tja, das habe ich natürlich auch, ohne lange nachzudenken. Aber danach habe ich das oft im Kopf gehabt. Einerseits war es mir total peinlich, andererseits hatte ich das Gefühl, er war wirklich dankbar, dass ich da war.

Mein Mann hat damals Zivildienst geleistet und er hatte wirklich viele Patienten, bei denen die Arbeit alles andere als agenehm war. Trotzdem: er hat immer gesagt, dass die Arbeit eben einfach gemacht werden muss und er auch nicht lange drüber nachdenkt. Er sagte aber auch, dass die Leute so dankbar waren, dass da jemand war, der ihnen hilft.

Und so wird es bei Dir auch sein. Die 5 Tage gehen wieder vorbei, und nachher wirst Du ganz stark da rausgehen.

Viele Grüße,
Inez
AmoebeMS

Das größte Danke der Welt

Beitrag von AmoebeMS »

Hallo Ihr Lieben,

ich kann nur kurz schreiben, entschuldigt. Ich habe bei meinen Eltern Internet und ich werde zu jedem etwas schreiben, ganz sicher. Ich sende Euch das größte Dankeschön und den größten Drücker, die ich je empfunden habe.

Der Tag der Wahrheit ist also heute. Die Therapiestunde hätte ich mir gerade schenken können, denn ich habe hier im Forum genau alles in Euren Worten wiedergefunden. Ich sehe es als zusätzliche Stärkung.

Ja, mein Herz rast wie wild. Arschbacken zusammenkneifen und durch. Werde tief atmen. Und an das Stärker-sein denken, dass ich dann hoffentlich am Sonntag auch verspüre. Werde jetzt den letzten Koffer packen und dann die Kinder abholen. Habe noch den erwähnten Termin beim Kinderchirurgen heute. Endlich. Oder auch nicht. Diesen Tag würde ich am liebsten schon hinter mir haben. Wenn meine Mutter mich am späten Nachmittag sieht, bekommt sie sicher einen Schreck, weil sie sofort erkennen wird, dass man mein Gesicht nicht mehr von einer weißen Wand unterscheiden kann.

Kein Selbstmitleid mehr, AmoebeMS, gehe jetzt packen und werde mehr an Euch denken als ihr es für möglich haltet. Ja, Marika, DAS war es. Wußte ich auch. Und ich dachte, dass es dieses Mal einfacher wird.

LG AmoebeMS
smaugerl

Beitrag von smaugerl »

Liebe Amoebe,

ich halt mich kurz :D ich wünsch dir viel Kraft für die kommenden Tage und alles Liebe! Du weißt, das wir für dich da sind -

lg
smaugerl
rowan

Liebe Amoebe

Beitrag von rowan »

Ich kann sehr gut verstehen,wie Du Dich fühlst.Von Berufs wegen weiß ich wie schwierig" pflegen "sein kann.Und da war irgendwann Feierabend und ich konnte heim und,manchmal,abschalten.Umso schwerer ist es Angehörige zu pflegen,die man in und auswendig kennt und liebt und genau weiß,wie es war,als sie noch gesund waren.Ich wünsch Dir alles Gute für diese Tage und gaaaanz viel Kraft.Und schau auch auf Dich und Deine Kräfte.
Liebe Grüße und vielen Dank,daß Du uns an Deinem großen Verantwortungsbewußtsein und Deiner noch größeren Liebe für Deine Familie teilhaben lässt.
AmoebeMS

Beitrag von AmoebeMS »

Guten Abend Mädels,

AmoebeMS is twittering (so komme ich mir tatsächlich etwas vor zur Zeit).

Zunächst einmal muss mein Sohn nicht unters Messer bzw. wir warten noch ab. Erstes Problem vom Tisch. Zweitens habe ich mein Auto und meine kostbare Fracht unbeschädigt zu den Großeltern befördert. Sind heil und am Stück angekommen. Ich fühle mich aber dennoch komisch, weil ich nicht weiß, was die nächsten Tage so bringen und ob die Erinnerung an Angst und Panik mit der Zeit einsetzt bzw. größer wird. Meine Mutter ist noch hier, nahm mich vorhin in den Arm und fragte, ob ich Angst habe. Habe ihr auch ehrlich geantwortet. Ich habe sie nur gebeten hier nicht wie ein aufgescheuchtes Huhn herumzulaufen und mich mit gutgemeinten Anweisungen zu zutexten. So was kann ich nicht haben. Meine Psych hat mir geraten alles in meinem Tempo zu machen, was ich auch vor habe.

Ihr wisst gar nicht, was Ihr alles Wahres geschrieben habt. Ich lese die Texte bereits zum xten Mal und sauge alles in mich auf. Ich weiß, ich wollte auf alles gerne detaillierter eingehen, aber ich glaube, ich lebe mich hier erst mal wieder etwas ein. Verzeiht bitte. Meine Konzentration läßt etwas zu wünschen übrig heute Abend. Aber eine Sache stimmt voll und ganz: ich sehe die Dankbarkeit in den Augen meines Vaters. Und das tut sooooo gut.

LG von Eurer "müden" AmoebeMS, die bestimmt in einer Stunde wieder wacher sein wird
AmoebeMS

Ein Roman

Beitrag von AmoebeMS »

Hallo,

ich schon wieder. Was für eine Überraschung.
Das Huhn, meine Mutter, rennt hier immer noch herum und irgendwie scheint es mir, sie erreicht die erste Sprosse zur Demenz. Ja, ich scherze, ich sollte so nicht reden, aber ich nehme es mir heraus, weil ich eine Großmutter habe, die ganz stark an Demenz erkrankt ist. Ich kenne das also. Nettes Gefühl, wenn man als Enkelin nicht mehr erkannt wird. Ich lasse gerade die Hosen so richtig runter, merkt Ihr das?

@omi50, ja, ich hoffe wirklich, dass ich alles richtig mache. Liebe macht stark. Meine Kinder machen es mir bestens vor. Ich wurde von Opa so liebevoll empfangen, dass ich einfach nichts falsch machen kann, oder?

@Maike, mein Vater hatte einen der schlimmsten Schlaganfälle, die ein Mensch leider erleben kann (Verzeihung, es sei denn er stirbt daran). Daher ist natürlich ein Pflegedienst auch da. Meine Mutter nutzt diesen nicht immer, aber jetzt, wo die Kinder und ich hier sind, kommt er morgens sehr früh und abends auch. Natürlich ist dies eine große Beruhigung für mich. Da wird mir viel abgenommen. Der Punkt ist für mich die Angst und die Panik, mit der ich immer einen Besuch bei meinem Vater in Verbindung bringe. Es fing an im KH auf der stroke unit und war ganz schlimm im Januar. Die Pflege ist sozusagen nur das kleinste „Übel“, eine Hürde, die in meinem Kopf stattfindet und ich sie ausbaue. Ja, und ich bewundere meine Mutter auch. Da wären wir schon wieder beim Bild der perfekten Mutter, was ich weiter aber gar nicht ausführen möchte, weil es unendlich lang werden würde. Danke dir.

@mici, ja, ich nehme die Herausforderung an. Gar keine Frage. Dein altruistischer Spruch ist in mein Hirn eingebrannt! Wirklich. Er passt.

@Marika, als ich das mit dem „Sinn“ las, musste ich zunächst schmunzeln. Der Ur-Instinkt alles allein schaffen zu wollen und erst sehr spät mit der Sprache herausrücken liegt mir im Blut. Weißt du, da ich von dieser Sache hier schon länger wusste, dachte ich, ich würde mit dem AD jetzt ruhiger an die Sache herangehen. In der Therapie konnte ich das ja auch besprechen, was wir ja auch getan haben. Der Perfektionismus wurde vertagt bzw. nur am Rande besprochen, weil er mit meiner Mutter zusammenhängt, meiner Bewunderung für sie. Aber ich bin nun mal ich und nicht sie. Außerdem sehe ich hauptsächlich das Gute in ihr und überblende ihre Schwächen. Konfrontation, ja, meinst du???? Oh Mann, noch glaube ich an gar nichts und bin durch den Wind. Aber im Grunde weiß ich ja, dass genau diese Situation mich weiter bringt in meiner Entwicklung. So wie bei Euch das Zusammensein mit einem Kind. Man fühlt sich zunächst allein gelassen, meint die Kontrolle über sich zu verlieren und das Selbstwertgefühl schwindet von Minute zu Minute. Und genau daraus entnehme ich folgendes: man MUSS sich der Situation stellen, denn sie wird einen ja das Leben lang begleiten, bei mir mein Vater, bei Euch die Kinder. Wir können also gar nicht anders, als mit aller möglichen Hilfe versuchen, unser Leben wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.

@ubure, Inez, du sprachst auch die Dankbarkeit an. Das sage ich mir minütlich. Dein Ehemann hat Recht. Versuchen nicht drüber nachzudenken. Das fällt ihm leichter als mir, aber er hat Recht. Machen, tun, anpacken und die Dankbarkeit spüren. Gedanken darüber machen sollte man sich später, aber nicht so wie ich VORHER. Ich werde nicht mehr wie im Januar die Stunden zählen, bis meine Mutter wieder da ist, nein, ich werde versuchen diese Zeit hier zu geniessen. Außerdem hat mein Göttergatte mir gesagt, dass wenn es mir ganz viel bedeutet, er auch am Donnerstag Nacht noch hier hin kommt. Ich weiß schon, warum ich ihn geheiratet habe. 18 Jahre haben wir jetzt zusammen auf dem Buckel und er schafft es mich immer noch zu überraschen.

@smaugerl, Danke, Liebes. Ich beneide dich immer noch. Grins.

@rowan, Du sprachst etwas an, was mich traurig stimmte im ersten Moment, aber es traf GENAU die Wahrheit. Man kennt die Person, wie sie früher einmal war. Meine Kinder kennen Opa nicht mehr so wie früher. Die Erinnerung setzt bei ihnen aus. Bei mir nicht, schließlich ist er mein Papa und ich kenne ihn ganz anders. Trotzdem habe ich ihn mir heute genau angeschaut und ich sah das LEBEN WOLLEN in seinem Gesicht. So wie er ist!!! Mit Katheter, kaum Sprache, im Rollstuhl, er zeigte mir trotzdem begeistert, was er erlernt hat und das eingespielte Team mit meiner Mutter ist beeindruckend. Wenn er mir das SO vermittelt, dann kann auch ich hoffentlich ganz bald diese Erkrankung endlich akzeptieren und ihn dann noch viel besser unterstützen. Er zeigt mir Vertrauen. Er vertraut auch MIR. Schönes Gefühl. Aber leicht ist es immer noch nicht für mich.

So Ihr Lieben, jetzt habe ich das erfüllt, was ich mir vorgenommen habe und es hat mich erfüllt. Gut, meine Mutter hat mich schräg angemacht, weil ich nur am Rechner saß, aber ab jetzt geht´s hier nach meinen Spielregeln und nicht nach ihren. Vielleicht wollte ich mehr Anweisungen ausweichen und auch einem Gespräch, denn ich versuche mich hier auf meinen Papa und auf mich zu konzentrieren und kann mich dann nicht auch noch JETZT damit beschäftigen, dass ich eine Großmutter habe, die an schlimmer Demenz erkrankt ist und weshalb meine Mutter auch weg muss. Hilfe, gerade überflutet mich mein ganzes verfluchtes Leben. Kacke, eine Baustelle nach der anderen.

Aber eins kann ich Euch versichern: ohne das Cipralex würde ich heute hier nicht schreiben. Höchstens mit vollkommener Panik. Und das bleibt alles aus. Es sind extreme Gefühle, ja. Aber Attacken bleiben aus. Mein Trauma gehe ich heute hautnah an. Ich stelle mich. Keine Frage. Mit sehr gemischten Gefühlen.

Ich danke für Zuhören und Eure immer lieben Worte, auf die ich stets zählen konnte. Ich kann nicht schlafen heute. Weiß ich jetzt schon. Hätte mich vor Stunden hinlegen sollen. Aber ich kenne mich ja. Habe ich schon vorausgesehen. Egal. Heute darf ich alles.

XXX AmoebeMS
AmoebeMS

Beitrag von AmoebeMS »

Guten Morgen,

der Mann mit dem Hammer steht neben mir.

Die Nacht war viel zu kurz. Selbst schuld. Nummer 2 wachte um 6.20 Uhr auf. Er will spielen, Mama will schlafen. Doch dann setzte die Angst ein, ein Picksen hier und dieses reichte, um es sich anfüllen zu lassen, als wenn mich ein Adrenalinschub packt. Panik! Ich habe sofort das Kind gepackt und mich bewegt. Das genügte erst mal, um die Panik beiseite zu schieben, aber nicht ohne ein bekanntes „Guten Morgen“ an sie.

Sitze jetzt hier, habe direkt den Rechner angemacht und warte jetzt auf den Pflegedienst. Wieder halbwegs ruhig, aber angespannt und ich habe mein Buch vergessen. Mist. Hat einer eine Übung aus der VT parat, die mir gerade nicht einfällt? Atmen? Finger? Ich sollte gleich goggeln.

LG AmoebeMS
mici

Beitrag von mici »

Guten Morgen, AmoebeMS,

Du hast die erste Nacht geschafft - und etwa doch ein bisschen geschlafen?!
Ich kenn diese Panik sehr gut, sie trifft mich immer unvermittelt. Ich bin noch nicht drauf gekommen, warum dies so ist. Ich muss mir dann was vornehmen für den Tag, mich ablenken, irgendwas anpacken. Kannst Du mit Deinem Papa und den Kindern vielleicht raus bei dem Wetter? (Ich gehe mal davon aus, dass ihr auch so tolles Sommerwetter habt, hoffentlich!) Ich kann mir gut vorstellen, dass die Pflege Deines Vaters an sich schon sehr viel Kraft kostet, aber vielleicht bleibt noch ein Fitzelchen Kapazität übrig für etwas Schönes und ihr geht zusammen Eis essen (auch, wenn er vielleicht keins Essen kann) oder in den Park, so dass er den Kindern beim Toben zusehen kann und ein bisschen Familienleben schnuppert. Vielleicht hat er sich gar gefreut, dass Du mit den Enkeln kommst; das reicht ihm vielleicht schon an Betreuung, seine Ansprüche bezüglich seiner Pflege sind vielleicht auch gar nicht so hoch, wie Du vermutest (der Perfektionismus lässt grüßen ) :-)
Weißt Du, was ich noch glaube?!! Ich glaube, dass Deine Panik und Angst eigentlich ein Ausdruck ist für Trauer. Trauer darüber, dass Dein Vater so schwer erkrankt ist. Nur bleibt im Alltag meist kaum Zeit, zu trauern, insbesondere nicht, wenn zwei Kinder erwarten, dass man fröhlich ist. Deswegen transformiert sich Deine Trauer in Angst und Panik, denn schließlich braucht sie eine Ausdrucksform, um Dich nicht (organisch) krank zu machen. Angst und Panik lassen sich auch nicht mehr so gut ignorieren, sie fordern ihre Aufmerksamkeit, die die Trauer nie bekommen hätte. Vielleicht hast Du bald noch etwas Zeit zum Trauern?!!
Ich hoffe, ich habe Dich nicht zu sehr verwirrt. Mir geht es manchmal so, dass ich froh bin, wenn ich etwas zum Grübeln / Nachdenken habe; dann habe ich nicht ganz so sehr das Gefühl, im Hamsterrad zu sein, sondern irgendwie geht irgendwas weiter. Das reicht mir manchmal schon.

Alles Liebe,

MICI
ubure

Beitrag von ubure »

Liebe Amoebe,

atme mal ins Zwerchfell, das kannst Du ja. Bei Panik wird doch die Atmung ganz flach und die Versorgung bis ins Hirn wird schlechter. Also, tief nach unten atmen, ein paar Minuten lang. Das wird Dir helfen.

Es ist alles in Ordnung und es wird nichts passieren. Mach Dir einen Tee und gut is'. Eins nach dem anderen. Nicht alles auf einmal sehen.

LG,
Inez
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Marika
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Beitrag von Marika »

Guten Morgen liebe Anna!!!!

Hey Süße - trotz Angst und Panik - die erste Nacht hast du überstanden, der Anfang ist gemacht. Angst und Panik sind selbstverständlich dabei, sie sind ganz eng mit dieser Situation verbunden - sie sind dein Trauma - und daher ganz "normal" dass beide "Herrschaften" jetzt da sind. Natrülich ist es gemein und doof und fühlt sich einfach nur sch.... an, aber normal!

Du könntest dir einen Plan für jeden Tag machen - schriftlich - also z.B.

6:30 - 7:00 Uhr: Aufstehen, nach Kindern und Papa schauen

7:30 Uhr: Frühstück machen, essen

8:00 Uhr: Anziehen

bis 9:00 Uhr: Papa versorgen, mit ihm reden, ihn streicheln...

9:00 Uhr: Pflegedienst kommt - Amoebe hat PAUSE!!!!!!

.... so machst du dir auch für Nachmittag einen schriftlichen Plan


Die Zeitangaben sind natürlich dir überlassen, dass war jetzt nur ein Beispiel. Diesen Plan hängst dir dir gut sichtbar auf - dann hast du STRUKTURIERTE TAGE, die dir helfen werden! Man "hangelt" sich dann quasi von "Termin zu Termin" und das gibt Sicherheit und das Gefühl, die Kontrolle zu haben.

Gegen die Panik kannst du dich hinsetzen, tief einatmen, die Beine fest in den Boden stemmen, alle Muskeln gaaaaaaanz fest anspannen, Spannung halten. Dann langsam ausatmen und dabei alle Muskeln langsam wieder entspannen. Das ein paar Mal hintereinander machen. Es mindert die Angst und die Panik.

Mir hat auch immer geholfen, die Fenster aufzumachen, den Fernseher und/oder Radio anzumachen. Das gab mir das Gefühl die "normale Welt" da draußen ist ganz nah - ein gutes Gegenstück gegen meine "verrückte Angst und Panik". Es gab mir das Gefühl, nicht alleine zu sein, wieder ein Stück Normalität und Sicherheit kamen dadurch zurück.

Dann: Hast du deine Rescue Tropfen dabei? Feste nehmen, wenn die Panik ganz arg wird, alle paar Minuten nehmen.

Und - hier her kommen, auch das fix in deinen Plan mit reinschreiben!!!! Gut, dass du den Rechner immer an hast!!! Ich komme heute und die anderen Tage so oft es geht her, lasse den Rechner auch an. Bin also fast "hautnah" bei dir, liebe Anna!!!!

War der Pflegedienst schon da? Wie gehts dir jetzt?

Ganz liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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