Liebe Christina,
Du wohnst in den Emiraten… das ist ja spannend! Wie ist es, dort als Frau zu leben? Gibt es große Einschränkungen? Geht Deine Tochter dort in den Kindergarten? Hast Du deutsche Freunde dort? Wie lange wollt ihr noch bleiben? Fragen über Fragen…
Du wolltest wissen, wie ich drauf gekommen bin, dass ich eine PPD habe. Ich hatte zwar vorher nichts darüber gelesen, aber meine beste Freundin hatte eine PPP und eine PPD. Auch wenn es meine beste Freundin ist, habe ich sogar von ihr gedacht, dass sie sich anstellt und nur Aufmerksamkeit wollte. Sie hat auch sehr sehr lange damit gekämpft und konnte auch körperlichen Gründen keine ADs nehmen, sie hat die nicht vertragen bzw. extrem schlecht darauf reagiert. Sie musste das Ganze als auch – wie Du – ohne „Hilfsmittel“ durchstehen.
Nach der Geburt habe ich schnell gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich war traurig, lustlos und habe meinem Kind gegenüber keine Gefühle gehabt. Ich habe mir einfach nur gewünscht, dass alles wieder so wird wie vorher, als wir noch zu 2 waren. Ich habe das Gefühl gehabt, dass ich mein Leben versaut habe und dass es nie wieder so schön und gut wird wie vorher. Ich hatte nach einigen Tagen furchtbare Angst, konnte nicht schlafen, wollte einfach nur weg. Selbstmordgedanken habe ich nie gehabt, ich wollte einfach nur irgendwo anders sein, ohne Kind. Meinem Kind wollte ich auch nie etwas antun, aber ich habe schon darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn etwas passierten würde und mein Kind nicht mehr da sein würde… Diese Gedanken fand ich furchtbar.
Mir war dann schnell klar, dass irgendetwas nicht stimmt… Ich habe mit meiner Freundin gesprochen und die sagte mir, dass das was ich ihr erzähle von ihr hätte kommen können. Sie hat die ganzen Gefühle und Gedanken nachempfinden können und die Befürchtung ausgesprochen, dass ich auch eine PPD haben könnte.
Ich habe dann auch mit meiner Hebamme und mit meinem Frauenarzt drüber gesprochen, die haben sehr verständnisvoll reagiert und mich zunächst an den Hausarzt verwiesen, der zumindest eine depressive Verstimmung diagnostizierte. Dann bin ich auf Anraten der Hebamme ins Krankenhaus zum Psychiater gegangen, der mir dann die PPD bestätigte. Anfangs wollte ich keine Medikamente, wollte es ohne aushalten. Dachte, es geht vielleicht schnell vorbei. Dann habe ich es nach einigen Wochen eine Zeitlang mit Johanniskraut versucht. Hat nichts gebracht. Da die Angst, Unruhe und Nervosität mich irgendwann so stark im Griff hatten, bin ich wieder zum Arzt der ein AD verschrieben hat (ca. 3 Monate nach der Geburt). Das hat schon nach 10 bis 14 Tagen angefangen zu wirken und nach insgesamt 4 Wochen waren die extreme Unruhe und Nervosität weg, ich konnte auch wieder besser schlafen. Das war schon mal eine riesige Verbesserung, auch wenn Unruhe und Nervosität nicht weg waren. Ich war dann aber trotzdem ganz optimistisch, dass bald auch die stimmungsaufhellende Wirkung des AD einsetzen würde. Das war aber nicht der Fall, eine Verbesserung der Stimmung habe ich nicht wirklich gemerkt. Ich habe das Medikament noch weitere 7 Monate gekommen und es dann langsam wieder abgesetzt, ohne dass ich eine Verschlechterung gemerkt hätte. Ein anderes Medikament habe ich zum dem Zeitpunkt nicht probiert. Mein Arzt hatte mich (ca. 1 Jahr nach der Geburt) für gesund erklärt. Es war nicht mehr so schlimm und gut auszuhalten und ich habe gehofft, dass der Rest von alleine kommt.
Ganz happy und „normal“ habe ich mich aber immer noch nicht gefühlt, und deswegen habe ich mich (ca. 16 Monate nach der Geburt) hier bei Schatten & Licht angemeldet. Die Mädels waren alle der Meinung, dass ich noch nicht gesund bin und dass ich eine zweite Meinung einholen sollte. Die neue Ärztin meinte, dass es doch noch nicht ganz überstanden sei und hat ein anderes AD und Therapie vorgeschlagen. Von dem AD habe ich nicht viel gemerkt und auch die Therapie war nicht Richtige für mich. Nach 3 Monaten habe ich das AD wieder langsam ausgeschlichen, wiederum habe ich dabei keine Verschlechterung feststellen können.
Ich war 5 Mal bei der Therapeutin, wir haben uns menschlich sehr gut verstanden, ich fühlte mich gut aufgehoben, aber wir waren beide der Meinung, dass eine Gesprächstherapie mir nicht wirklich weiterhilft, da bei mir keine „Altlasten“ vorliegen aufgearbeitet werden müssten. Außerdem habe ich schon sehr schnell nach der Geburt damit positive Aktivitäten zu unternehmen. Ich habe zumindest im Kopf gewusst, was der richtige Weg für mich ist, auch wenn die Resultate nicht so schnell gekommen sind wie ich gehofft hatte.
Ich hatte schon ziemlich schnell klare Vorstellungen, was mir theoretisch gut tun würde oder was mir mehr zumindest mehr helfen würde, als zuhause ab zu warten bis es vorbei ist. Allerdings haben mich Angst und die Unruhe am Anfang zu arg gelähmt.
Als die ganz schlimme Phase dank AD vorbei war und die Angst und Unruhe mich nicht mehr komplett gelähmt haben – habe ich mich gezwungen raus zu gehen und mich mit Freundinnen zu treffen und „schöne“ (das habe ich damals natürlich nicht als schön sondern nur als anstrengend und belastend empfunden) Sachen zu unternehmen. Es hat mir meistens wenig oder gar kein Spaß gemacht, es war eine selbstauferlegte Pflicht, aber ich wusste, dass es besser war als mich zuhause zu verkriechen.
Auch wenn ich wenig Freude an meinen Unternehmungen hatte, war ich zumindest stolz, dass ich es gemacht hatte, zufrieden, dass ich meinem Kind etwas Gutes getan habe und froh eine Ablenkung gehabt zu haben bis mein Mann wieder von der Arbeit nach Hause gekommen ist. Kopfmäßig wusste ich, dass ich das Richtige mache, gefühlsmäßig war es mir komplett egal. Aber da ich schon immer ein Kopfmensch war, hat sich diese Seite durchgesetzt.
Aus dem gleichen Grund bin ich schon nach 8 Monaten wieder arbeiten gegangen. Ich habe die Zeit für mich und meine Gedanken gebraucht, wollte nicht 24 am Tag gefangen sein und mich mal wieder mit anderen Sachen beschäftigen. Ich hatte eigentlich vor 1 Jahr Elternzeit zu nehmen, aber so war es für mich besser. Ich hatte auch kein schlechtes Gewissen meinem Kind gegenüber, denn ich wusste, dass es in der Krippe gut aufgehoben ist und ich gleichzeitig – durch die Arbeit – tagtäglich an meine Stabilität gearbeitet habe.
Meiner Meinung nach unabhängig von der Therapie (5 Gespräche sind ja eigentlich noch keine Therapie

) und des AD habe ich seit einiger Zeit (2, 3 Monate) das Gefühl, dass ich seit langem wieder eine leichte Tendenz nach oben spüre. Davor hat sich gefühlsmäßig wenig getan, sowohl in die eine als in die andere Richtung.
Meine neue Ärztin meint, dass die PPD selbst so gut wie weg ist, dass ich mich aber gerade stabilisiere. D.h. ich bin durch die Erfahrung noch sehr nachdenklich und nicht mehr so unbeschwert wie vorher. Bis das weg ist, dass kann noch dauern. Sie meint, dass es ganz normal ist, dass eine lange Zeit vergeht, bis man wirklich wieder komplett die Alte ist bzw. komplett gesund ist. Auch meine beste Freundin sagt, dass sie sich erst nach 4 oder 5 Jahren wieder komplett gesund gefühlt hat. Ihr Sohn wird heute 7 Jahre alt.
Du sprichst mir oft wirklich aus der Seele…

Ich kann heute auch nicht verstehen, warum ich vor der Geburt meinte, dass ein Kind zu haben ein Kinderspiel ist. Es ist im Grunde nicht mehr als normal, dass eine erwachsene Frau die lange ihr eigenes bzw. ein ganz anderes Leben gelebt hat und damit sehr glücklich war, sich auf eine komplett neue Situation erst mal einstellen muss. Es wäre ja wirklich ein Wunder, wenn das von heute auf morgen ohne Probleme geht. Freunde mit Kindern haben mir während der Schwangerschaft schon „gewarnt“, dass sich alles ändern würde, aber richtig geglaubt habe ich das nicht. Ich hatte bis dahin alles mit Links geschafft, das Leben mit Kind würde ich auch leicht packen. Als unser Baby dann da war, habe ich erst gemerkt, wie recht diese Freunde hatte. Es ändert sich wirklich ALLES…

Und ich wollte mein altes Leben zurück. Von heute auf morgen hat sich alles nur noch um das Baby gedreht. Das hatte nichts mit der Idylle und mit der Romantik zu tun, die ich mir ausgemalt hatte. Ich war fix und fertig. Auch ich hatte keine Eltern in der Nähe. Ich bin eine Weile mit Kind zu meinen Eltern und meine Mutter und Schwiegermutter waren auch einige Zeit bei uns. Das war zwar nur eine körperliche Entlastung, aber das war auch schon ganz wichtig.
Meine Schwangerschaft war ebenfalls bilderbuchmäßig. Ich habe mich noch nie so glücklich und voller Vorfreunde gefühlt. Nicht Du, sondern ICH war die glücklichste Schwangere!!

Es war ein Traum, vor allem weil wir uns schon sehr lange ein Kind gewünscht hatte und uns dieser Wunsch mit ärztlicher Hilfe endlich erfüllt worden war.
Ich hatte das große Glück, im Geburtsvorbereitungskurs und bei Pekip Freundinnen kennen gelernt zu haben, die realistisch waren und mir nicht vorgeschwärmt haben, wie toll und perfekt das neue Leben mit Kind ist. Wie bei Deinen Freundinnen waren die im Endeffekt auch froh und glücklich mit ihren Kindern aber für mich war es zumindest gut zu wissen, dass auch normale Mütter genervt, gestresst und erschöpft sind. Ich habe zwar schon gewusst, dass bei mir mehr los ist, weil keine (große) Freund am Kind hatte, aber es war schon beruhigend, dass die übrigen Faktoren auch bei anderen Mütter vorkommen. Darüber musste ich mir dann keine Gedanken machen. Zwei meiner Freundinnen habe ich irgendwann erzählt, was mit mir los ist. Sie waren überrascht, da ich immer so fröhlich und locker gewirkt hatte, aber waren gleichzeitig sehr lieb und verständnisvoll, haben mich ab und zu mal danach gefragt, mich aber nicht damit genervt. Ich wollte und will auch nicht ständig darüber reden mit Frauen die zwar Verständnis haben, aber es trotzdem nicht wirklich nachvollziehen können, da sie es schlicht und einfach selbst noch nicht erlebt haben. Das ist kein Vorwurf es ist eine Tatsache. Ich habe vorher auch gedacht, dass solche Frauen sich anstellen, da es überhaupt keine Gründe gibt, traurig zu sein wenn ein Kind gesund, süß und sonst auch alles in Ordnung ist.
Ich habe nur wenigen erzählt, dass was mit mir los ist. Ich habe das Bedürfnis nicht gehabt und ich war und bin der Meinung, dass das mich persönlich nicht weitergeholfen hätte. Ich habe also auch heile Welt gespielt und so getan, als ob ich mich über mein Kind freuen würde. Heute muss ich nicht mehr so schauspielern. Ich bin zwar noch nicht ganz da wo ich gerne wäre, aber die Diskrepanz dazwischen ist nicht mehr so groß, dass es mir das Gefühl gibt, Leute etwas vorzuspielen. Ich male es vielleicht etwas schöner als es ist, aber eine Lüge lebe ich nicht mehr.
Abgesehen von dem AD, welches mich in der akuten Zeit sehr gut gegen Angst, Unruhe und Nervosität geholfen hat, waren bzw. sind für mich persönlich die Erfahrungen anderer Betroffenen am hilfreichsten. Eine Gruppentherapie wäre nichts für mich, deswegen ist Schatten & Licht genau das richtige.
Auch wir denken über ein zweites Kind nach!

Das Gute an der ersten PPD ist, dass ich jetzt schon meine Kontakte und Anlaufstellen habe. Mit meiner Ärztin und Therapeutin habe ich schon vereinbart, dass sie mich im Falle einer erneuten Schwangerschaft bereits während der Schwangerschaft intensiv betreuen und „im Auge behalten“ werden um rechtzeitig eingreifen zu können. Außerdem würden wir schon rechtzeitig vor der Geburt gemeinsam ein Notfallplan ausarbeiten, damit mir schnell geholfen wird und ich nicht mehr auf einer akuten Phase warten muss, sondern proaktiv eingreifen kann. Das ist schon eine enorme Entlastung, denn wenn es einem schlecht geht, möchte man einfach nur dass die Hilfe da ist und sich nicht erst um Hilfe bemühen muss. Es ist in Deutschland ja schwer, kurzfristig einen Therapieplatz zu bekommen.
Ui, das war jetzt aber ein halber Roman…
Ich sollte mal wieder etwas arbeiten!
Blöde Frage: wie ist das Wetter bei euch??? Hahaha.
LG
Qwerty