Hilft es den anderen "reinen Wein einzuschenken"?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Nachtschatten

Hilft es den anderen "reinen Wein einzuschenken"?

Beitrag von Nachtschatten »

Hallo ihr Lieben,

ich hoffe, meine Frage passt hier auch hin. Bin mir da nicht so sicher.

Es geht um folgendes. Mein näheres Umfeld weiß, dass ich wegen PPD in Therapie bin. Allerdings wissen nur mein Freund und meine beste Freundin um die genaue Symptomatik die ich zeige.

Zu den Eltern meines Freundes und auch zu dem Rest seiner Familie haben wir sehr sehr engen Kontakt (wohnen fast alles in der Siedlung). Wennn ich Therapie habe, ist der Kleine immer bei Oma und Opa. Immer wieder kommt dann die Frage von denen, wann denn die Therapie vorbei ist, das würde ja jetzt schon fast ein Jahr gehen. Und ab und zu kommt die Frage, was denn bei Therapie so passiert und was ich denn habe. Ich weiche diesen Fragen immer aus und sage, dass es keinen etwas angeht.

Aber in der letzen Zeit frage ich mich immer wieder, ob ich diesbezüglich offener sein sollte. Damit sie verstehen, dass ich wirklich krank bin und nicht dahin gehe um "Spaß" zu haben.

Ich habe mir ja nun vorgenommen, mit meiner Therapeutin über AD's zu sprechen. Wäre es da sinnvoll, auch die engen Angehörigen mit ins Boot zu nehmen wenn ich diese Medis tatsächlich nehme? Auf der einen Seite ist es mir schon ein Bedürfnis den anderen zusagen was mir fehlt und das ich AD's nehmen möchte oder auch bald werde. Aber auf der anderen Seite habe ich Angst, dass sie es nicht wirklich verstehen und mich als "gaga" abstempeln. Es ist irgendwie eine total Zwickmühle :(

Wie geht ihr mit dem Thema um und welche Erfahrung habt ihr diesbezüglich gemacht?

Liebe Grüße,
Nachtschatten
Shatura

Beitrag von Shatura »

ich habe meinem umfeld reinen wein eingeschenkt. und bin damit bisher nur gut gefahren. habe oft zu hören bekommen, dass ich ja gar nicht "depressiv" wirke. kannste mal sehen, wie gut ich theater gespielt habe. wobei es ja nun wirklich nicht so ist, dass man den ganzen tag nur heult.

weißt du, wer sich noch nie mit dem thema auseinandergesetzt hat, weiß eben nicht, wie sich das so genau äußert, welche symptome, etc. und dann weiß man natürlich auch nicht, wie man sich am besten verhält oder dem betroffenen hilfestellung geben kann. die fragen nach, weil sie besorgt um dich sind, weil sie wissen wollen, wie es dir geht.

ich halte es daher für richtig, zumindest dem engen umfeld offen die karten auf den tisch zu legen.

wegen den ADs? kann sein, dass du nebenwirkungen hast, kann sein dass nicht. für diesen fall wäre es vielleicht nicht schlecht, damit du notfall-babysitter hast, auf die du zurückgreifen kannst. ich hab bis jetzt gar keine nebenwirkungen, da ist jeder unterschiedlich. mach dir also da nicht zu viele gedanken, das muss man einfach abwarten.

im allgemeinen: wenn man die leute aufklärt (insofern sie einem zuhören), dann werden sie dich kaum für "gaga" halten können. so eine meinung kommt nur wider besseren wissens zustande.

meine meinung :-)

drück dich!

shatura
mici

Beitrag von mici »

Hallo Nachtschatten,

das ist eine schwierige Frage, die man nicht pauschal beantworten kann!
Manchen Mitmenschen ist es wirklich ein Anliegen, MEHR über die Erkrankung in Erfahrung zu bringen. Wenn ich das Gefühl habe, dass sie mit den Infos umgehen können, dann schenke ich ihnen reinen Wein ein (dreimal die Woche Therapie, AD, kurz vor Klinik etc.) Wenn ich das Gefühl habe, sie halten mich nicht für depressiv und "ich solle mich mal nur nicht so anstellen", dann behalte ich die Sache für mich. Das führt in mir drin aber nicht mehr zu Groll und Wut darüber, dass die anderen mich nicht ernst nehmen, sondern ich habe mittleriweile akzeptieren können, dass das Thema "Depression" für manche einfach so weit weg und so unfasslich ist, dass es sich für mich nicht lohnt, mich daran abzuarbeiten und es ihnen mit mir, als Lebendbeispiel, näher zu bringen.
Prinzipiell sind Depressionen allgemein ja eine regelrechte Volkskrankheit. Für Menschen, die das anzweifeln und die uns Depressive als Weichlinge abstempeln, können manchmal Statistiken helfen, um begreiflich zu machen, dass eine Depression nicht schlichtweg Einbildung ist.
Ich nehme schon seit 10 Jahren immer mal wieder AD, konnte sie zwar auch zwischenzeitlich absetzen, aber ob ich sie nehme oder gerade nicht, ist etwas, was ich mit meiner Umwelt (außer meinem Mann) eigentlich nicht bespreche. Auch, wenn meine Eltern wissen, dass ich mit Depressionen zu tun habe, erzähle ich ihnen nicht, ob ich aktuell gerade etwas nehme oder nicht.
Insgesamt habe ich das Gefühl, eine Mischung zwischen "reinem Wein" und "Diskretion" gefunden zu haben, die mir gut tut! Ich will damit sagen, dass es nicht UNBEDINGT dazugehören muss, seine Mitmenschen, will man ihnen "reinen Wein" einschenken, auch über die EInnahme von AD in Kenntnis zu setzen.
Entscheide für Dich, was Du glaubst, was Deine Mitmenschen vertragen / verstehen!
Lass Dich nicht auf Diskussionen ein, ob Du es "auch wirklich nötig" hast, das entscheidest Du gemeinsam mit Deinen Ärzten.
Sei nicht enttäuschst, wenn Du Unverständnis erntest, in Zeiten der Depression ist man ja besonders sensibel und es kann einfach sein, dass Dich manche Kommentare runterziehen.
Ein schönes Erlebnis hab ich noch beizutragen: Ich habe früher auch viel weniger offen über Depressionen gesprochen, aber als ich mich plötzlich einer Freundin gegenüber mal geoutet hatte, da hab ich sehr viel Verständis erfahren und wir sind viel intensiver miteinander ins Gespräch gekommen. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar!

Lieben Gruß,

MICI
Nachtschatten

Beitrag von Nachtschatten »

Hi ihr beiden :-)

vieln Dank für eure Antworten.

Ja, man muss wohl wirklich genau hinschauen und abwägen, wen man etwas sagt oder eben besser nicht bzw. nur eingeschränkt.

Auf der einen Seite ist es mir schon ein Bedürfnis zu sagen, was genau los ist. Aber auf der anderen Seite habe ich Angst vor Unverständnis und, wie du schon schreibst mici, auf Aussagen a la "stell dich nicht so an". Es ist ein Dilemma, irgendwie. Die Eltern von meinem Freund sich wirklich tolle Leute. Sie unterstützen mich/uns wo sie nur können aber ob sie wirklich "bereit sind für die ganz Wahrheit"?! Ich werde das einfach nochmal mit meinem Freund besprechen. Er kennt sie ja schließlich am besten und wir mir mit Sicherheit sagen können ob sie "sensibel" genug sind zu erkennen, dass ich wirklich krank bin.

Liebe Grüße und einen feinen Tag,
Nachtschatten
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