Urvertrauen??

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo liebe Kathrin,

ja, ich bin auch immer wieder aufs Neue erstaunt, wieviele Ähnlichkeiten unsere aller Lebensgeschichten aufweisen. Ich denke, dass es ALLE Gründe, die du aufgezählt hast, sind, warum es Männer weniger erwischt.

Wir alle haben schon sehr früh Erfahrungen mit Angst und nicht vorhandenem Vertrauen machen müssen. Das Ergebniss sehen wir ja leider heute. Aber es ist irgendwie tröstlich, dass man wenigstens dadurch einen Ansatz hat, seinem Leben wieder etwas Positives zu geben.

Ich finde es so toll, wie wir durch unsere Diskussionen zum Teil auf Lösungen stossen. Dieses Forum ist einfach Gold wert!

Liebe Grüße
Marika
martina65

Beitrag von martina65 »

Hallo,
eure Forschungen für das WARUM ist schon sehr interessant. Vorallem das, warum Männer nicht oder weniger davon betroffen sind. Ich glaube bei uns Frauen fängt der Psychokampf meistens nach einer Geburt an. Nicht nur wegen dem Durcheinander der Hormone, sondern weil ich denke, ab dem Tag der Geburt lebt man einfach mit der Angst. Bei mir war das jedenfalls so. Ich hatte plötzlich ein Kind und ohne mein Dazutun ist es nicht lebensfähig. Dieses Bewusstsein über soviel Verantwortung macht einem schon Angst. Und Muttergefühle sind auch nur für Mütter nachvollziehbar. Männer lieben zwar auch ihre Kinder, aber ich bin der Meinung, sie können niemals nachempfinden wie es in uns aussieht. Und wenn dann zu niemanden ein (Ur)vertrauen da ist, beginnt ein Gefühlschaos. Das macht uns als Frau so einzigartig und so verletzbar. Dass es Möglichkeiten gibt, all diese Dinge aufzuarbeiten, finde ich schon toll. Macht so weiter, das ist der richtige Weg und wie du, Marika schon sagtest, das Forum bringt uns ganz vielen Lösungen immer näher. Seid alle ganz lieb gedrückt.
Petra

Beitrag von Petra »

Hallo!!!

Meine gestrige Therapie hat sich um dieses Thema hier gedreht! Wir sind besonders auf die Situation eingegangen wie sich ein Neugeborenes Baby wohl fühlt dass von seiner Mutter wegkommt.
Ein Baby das 9 Monate lang mit seiner Mama eins war, ihren Herzschlag gespürt hat, sich als ein Lebewesen mit seiner Mama wahrnimmt. Das dann das Schockerlebnis >Geburt< hat und plötzlich zu jemand Fremden kommt. (Auch die Großmutter ist fremd für ein Baby, es weiß nicht dass es jemanden anderen als seine Mama gibt) Wie mag sich das anfühlen für ein Baby das nicht den Verstand eines Erwachsenen hat der ihm sagen könnte: alles wird wieder gut, du bist nur einige Zeit nicht bei deiner Mama, dieser andere Mensch sorgt auch gut für dich? Entzetzlich oder? Wir haben alle Babys und können uns gut in sie hineinfühlen! Die Mütter die ihre Babys weggeben haben konnten das nicht! Und genau das ist zumindest bei mir der Punkt warum ich kein Vertrauen aufbauen kann, warum ich solche Ängste habe. Ich habe mir gestern die Frage gestellt was müßte passieren damit ich mein Baby jemand anderen geben würde. Es gibt nichts, keine Situation in der ich mich trennen könnte. Ich würde wahrscheinlich sterben wollen wenn ich ohne meine Kinder sein müßte. Ich gebe es zu, ich mache meiner Mutter extreme Vorwürfe (gedanklich) denn jede Tiermutter kümmert sich liebevoller um ihre Babys als sie. Ich weiß ich kann nichts mehr daran ändern, ich versinke jetzt auch nicht in Selbstmitleid und werde verbittert! Ich bin nur froh dass ich endlich vor mir selbst zugeben kann dass sie für mich nie eine Mutter war...


Liebe Grüße
Petra
sonrisa

Beitrag von sonrisa »

Hallo Petra,

Hört sich interessant an... Mir fällt es sehr schwer zu verstehen, wie eine Mutter es "schafft" ihr Kind wegzugeben (zu ihrer Mutter in dem Fall - aber trotzdem!) - ich denk mir da: Jem., d sowas macht, muss SCHWERWIEGENDE Motive dafür haben - ich hätte es nicht gekonnt... Kennst Du die Motive Deiner Mutter? Bzw. was sie heut darüber denkt? Sagst Du dazu eher "kann ich verstehen" oder "du hättest mehr für mich kämpfen müssen"? Und was denkst Du darüber - wäre es Dir bei Deiner Mutter besser gegangen oder hättest Du an anderer Stelle gelitten? (Bitte nur dann beantworten, wenn's kein Problem ist...)

Ich kann das gut nachvollziehen, dass Du wütend (ist das das richtige Wort?) bist - mir geht es gerade genauso: Wut wegen Dingen, die mir "angetan" wurden, die zum Großteil sogar einfach UNNÖTIG oder kontraproduktiv waren (allein wenn ich das Wort Hebamme lese, sammelt sich schon der Zorn bei mir im Bauch...) - neben all dem Guten, das gemacht wurde, was am Ende dazu führte, dass wir beide gerettet wurden. Ich weiß, dass die Wut, die ich jetzt habe, längst notwendig war - vorher hab ich mich immer mit meinen Geburtshelfern "verbündet" - wehe jem. hat Kritik an ihnen geäußert, na dem bin ich ordentlich drüber gefahren... Jetzt hab ich ein bisschen Angst, dass ich in dieser Wut für immer stecken bleibe, denn über meinem Leben schwebt nicht die Frage: "Wie hätte alles laufen müssen, dass ich maximal glücklich sein kann?" sd. "Wie kann ICH mich verhalten, dass ich selbst bei widrigen Umständen noch maximal glücklich sein kann?" - Tiefschläge sind also nur Rahmenbedingungen, aber ich weigere mich FÜR MICH so Dinge zu akzeptieren wie: "Einmal ums Urvertrauen betrogen, für immer benachteiligt." Das würd mir für die Erziehung meiner Tochter ja sonst auch gleich den MEGASTRESS machen, wenn ICH die ganze Verantwortung für ihr Sein hätt - so wie ich für mein Sein verantwortlich bin, so ist sie es für ihres, und ich darf sie darin ein bisschen anleiten... Umgelegt aufs Urvertrauen hieße das zu sagen: Ich bin der 1. Mensch auf der WElt, der es schafft, das Urvertrauen nachzuholen!"
Petra hat geschrieben:sich als ein Lebewesen mit seiner Mama wahrnimmt.
Interessant. Solche Vorstellungen sagen einiges aus, glaub ich - denn ich hab das nicht... Ich sehe es eher so: Das Baby hat so eine beengte, dunkle Welt, dass es gar nciht wahrnimmt, dass außen rum noch was ist. Genau wie wir, wo wir auf der Erde leben - nehmen auch net wahr, dass außen rum nch ein Universum ist. Meine Vorstellung sagt über mich aus: Ich hätt mir mehr Distanz zw. meiner Mutter und mir gewünscht u wünsch sie mir immer noch. Ich brauch ABGRENZUNG - weil sie bis heut nicht begriffen aht,dass wir 2 versch. Personen sind. Dementsprechend geht sie mit mir um - sie kommentiert alles, was ich mache, wie das Engelchen auf meiner Schulter. Wenn ich mich nicht angel-like verhalte, kommt ein Vortrag. So wie gestern, als ich einen Riesenhunger hatte, alle hatten ihr essen schon verdrückt, nurich habs noch netamal bekommen - die Kellnerin gibt VOR meinen Augen mein Essen jem. anders - daraufhin muss mein Essen noch mal von vorn gekocht werden. Statt dass meine Mutter in der Situation Verständnis für meinen Zorn hat, da Hunger, erkärt sie mir, was für eine nette Person diese Kellnerin ist, und dass dieser Fehler wohl mehr als verständlich ist, weil so viel los ist. Statt dass ich meine Mutter um Verständnis für meine Situation anbettle, wie ich das sonst tu, bin ich diesmal sie angefahren: Wo ihre Loyalität mir gegenüber ist u warum sie nicht der Person, die den FEHLER gemacht hat, erklärt, dass ich sonst eine nette Person bin, anstatt umgekehr... Wär meine Therapeutin dabei gewesen, hätt sie mich gelobt... *lach*
Ich mag meine Mutter nicht mehr in der Engelposition auf meiner Schulter sitzen haben.
Bei Dir ist es offensichtlich so, dass Du Dir mehr Verbundenheit zu Deiner Mutter gewünscht hättest - mich hat die Verbundenheit, die sich meine Mutter mit mir "erzwingt", um ein eigenes Leben betrogen.
Es gibt nichts, keine Situation in der ich mich trennen könnte.
Ist bei mir auch so. (Oh jemine, hoffentlich werd ich nicht so klammernd wie meine Mutter...)
Ich bin nur froh dass ich endlich vor mir selbst zugeben kann dass sie für mich nie eine Mutter war...
GEnau so fühl ich mich auch... ICH war die Mutter, sie war das Kind...

So, jetzt hab ich aber wieder viel getextet. Wann schaff ich's mal, ein 10-Zeilen-Post zu schreiben... ;-)

LG S.
Zuletzt geändert von sonrisa am 26:09:2005 8:37, insgesamt 3-mal geändert.
sonrisa

Beitrag von sonrisa »

martina65 hat geschrieben:Männer lieben zwar auch ihre Kinder, aber ich bin der Meinung, sie können niemals nachempfinden wie es in uns aussieht.
Oh je, da krieg ich gleich wieder eine wg-Kaiserschnitt-keine-vollwertige-Mutter-Krise - denn ich hab schon das Gefühl, dass mein Mann unsere Tochter GENAUSO liebt (nachts mein Mann: "Ich mag nachschauen, ob sie eh noch atmet." - der hat AUCH seine "Ängste", obwohl er ein Mann ist) wie ich, die elterlichen (nenne mer se net mütterlich in unserem Fall...) Gefühle sind bei uns 50:50 verteilt...
kathrin66

hallo ihr lieben!

Beitrag von kathrin66 »

nachdem ich auf grund meiner krankheit nach ...zig jahren meine mutter gesucht habe, war so ziemlich dass erste was ich sie fragte: -wie konntest du mich weggeben?- ihre antwort war, dass sie meinte mir ginge es so besser. was für ein trugschluß!!!!!!!!!!!!
dann habe ich sie gefragt, warum sie zwischendurch nicht mal nachgesehen hat, wie es mir wirklich geht. da war dann die angst die bremse!?
ich weiss, dass ich, wenn ich eines meiner kinder hergeben sollte, nicht nur innerlich sterben würde!
dies ist etwas unvorstellbaren für mich!

zum thema urvertrauen habe ich mich nochmal etwas schlau gemacht, man vergisst ja auch vieles.
leider ist es psychologischer sicht ja so, dass die kinder, die in der prägungsphase keine möglichkeit haben, urvertrauen aufzubauen oder dieses zerstört wird, ein URMISSTRAUEN aufbauen.
sie sind dann so gut wie immer menschen gegenüber misstrauisch eingestellt, nicht nur in den wirklich angebrachten situationen.
ein wichtiger schritt ist, so finde ich, dass man es erkennt!!
dann kann man daran arbeiten! so wie ich gerade!!! ist aber nicht leicht!!

mal sehen was sich daraus entwickelt! schon kleinigkeiten, besonders was meine mutter betrifft, enttäuschen mich zutiefst!

auch wenn ich erwachsen bin, es tut weh!
am schlimmsten ist jedoch für mich das gefühl, keine eltern zu haben!
denn die kann wohl keiner ersetzen!


seid lieb gegrüßt
kathrin
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