zu hart mit mir selber??

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Maike

zu hart mit mir selber??

Beitrag von Maike »

Hallo,

ich muß mal wieder etwas los werden...!

Am 8. Oktober wurde mein Sohn 1 Jahr alt. Ich hatte zu der Zeit auch hier im Forum berichtet, dass ich Angst vor diesen Tag hatte und dass vieles wieder hoch kommt....!
Den Geburtstag habe ich überraschend gut erlebt! Die Gedanken an die Vergangenheit kamen zwar, aber ich konnte sie kontrollieren und hatte einen schönen Tag. Am nächsten Tag(mein erster Arbeitstag) kam die Vergangeheit dann aber wieder viel näher an mich heran als ich es wollte! Ich hätte weinen können, aber da ich im Büro war, hab ich natürlich zusammen gerissen. Ich war auch vor Mika´s Geburtstag noch mal bei meiner Therapeutin, was mir auch sehr gut tat.

Nun sind ja wieder ein paar Wochen vergangen, aber ich habe das Gefühl, dass mein Kurzeinbruch doch noch anhält. Mir geht es zwar meistens gut, aber dennoch habe ich auch schlechte Tage (die wohl jeder hat), wo alles wieder an mich heran kommt. Ich bin dann betrübt und nachdenklich und habe das Gefühl mich verkriechen zu müssen. Nur kann ich leider nicht weinen, was mich nervt :? ! Ich glaube, das würde mir gut tun...aber es geht nicht, statt dessen bin ich betrübt und habe das Gefühl mich zurück zu ziehen. Bin genervt von mir selber, dass alles wieder hoch kommt!
Ich habe mal darüber nachgedacht...ich glaube, dass ich mir selber im Weg stehe...ich lass es irgendwie in meinem inneren nicht zu, traurig deswegen zu sein...denn es war doch alles wieder gut...versteht Ihr das? Ich nehme mich selber viel zu sehr ins Gericht, dass ich diese Gedanken nicht mehr haben darf und dadurch kann ich nicht weinen und bin einfach nur betrübt und genervt von mir! Ich möchte weinen und trauern, damit es mir wieder besser geht, aber ich kann es nicht! Ich fühle mich dann gefangen in meinem eigenen Körper!

Ich glaube, ich muß lernen damit umzugehen, dass mich meine Vergangenheit (gerade an schlechten Tagen) immer wieder mal einholt. Ich muß es zulassen, nur finde ich den Weg dahin noch nicht...!

Kennt einer von Euch das Gefühl?

LG Maike
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Marika
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Beitrag von Marika »

Liebe Maike,

das was du schreibst, könnte komplett von mir kommen. Ich kenne dieses Gefühl noch ganz genau - es war so ca. 1 - 1,5 Jahre nach Noahs Geburt, als es mir so ging. Ich war nicht mehr im ganz tiefen schwarzen Loch, hatte schon viele gute Tage, aber dennoch gab es auch noch die Trauer, die Gedanken an "früher", ... - einfach schlechte Tage, an denen alles nochmal näher kam.

Ich denke, du hast das ganze schon erkannt: Du stehst dir im Moment noch selber ein bissl im Weg im "Zulassen der Trauer" sprich im VERARBEITEN - UND ZWAR IM BEWUSSTEN VERARBEITEN!!! Du hast vielleicht auch einen gewissen Druck von außen, von der Gesellschaft, dass es dir jetzt doch wieder gut gehen muss... ABER: diese Krankheit kennt keine Zeitregel und vor allem das BEWUSSTE VERARBEITEN nach der schlimmsten Kriese kann eine ziemliche Zeit lang dauern, wie es z.B. bei mir der Fall war. Und das ist eigentlich ganz normal, nur das Umfeld und wir selber sind zu ungeduldig mit uns.

Du steckst im Moment in so einer Art "Niemandsland" fest - in einem Mittelding von "gesund und doch noch etwas angeschlagen". Es ist schwer zu beschreiben, aber ich bin mir sicher, dass du auf dem richtigen Weg bist, nur dauert der noch ein kleines Stückchen. Ich habe es so empfunden - ich wußte instinktiv, dass es voran geht und doch habe ich oft gezweifelt weil ich dachte, jetzt muss es doch mal gut sein. Aber dieser Teil deines Lebens - die PPD - war ein ganz einschneidender und extremer Teil - den wirst du nie vergessen. Und dass du an diese Zeit ohne "Tief" denken kannst, wird noch ein bissl dauern.

Versuch weiterhin Geduld mit dir zu haben und versuch das auch an dein Umfeld zu komunzieren - du hast ein Recht darauf, verstanden und begleitet zu werden. Ich kann dich zu 100 % verstehen, weil ich genau gleich empfunden habe und daher traue ich mich zu sagen: Du machst einen Heilungsprozess durch, der nötig ist und der dich ans Ziel bringt.

Nicht aufgeben, sondern versuchen zu zu lassen - es ist schwer, aber wirklich sehr heilsam!

Ganz liebe Grüße und viel positive Energie sendet dir
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Maike

Beitrag von Maike »

Hallo Marika,

vielen Dank für Deine Antwort! Deine Worte sind immer so aufbauend :-) !

Du hast meine Situation gut beschrieben....Nimmerland....da bin ich wohl gerade und stehe vor dem Wegweise....aber ich weiß noch nicht wohin :? !
Es ist für mich ganz schwer, es zuzulassen, denn in meinem Kopf hab ich damit abgeschlossen....mir ging es doch wieder gut...! Aber so kann man sich täuschen, ein bißchen steckt noch immer in mir und das wird mich wohl noch oft genug einholen! Vielleicht kann ich es ja doch irgendwann zulassen, mal schauen:-)!
Den Druck von aussen...ja, den hab ich wohl, wenn auch unbewußt! Ich wünsche mir so sehr, trotz meiner Vergangenheit, ein zweites Kind. Aber bei meinem Freund wird die Angst natürlich nicht weniger, wenn mich solche Tage immer noch einholen, dass es beim zweiten besser wird! Ist es verrückt von mir jetzt schon wieder an ein zweites Kind zu denken? Also wenn, dann sollte es kommen, wenn Mika so 2 1/2-3 Jahre alt ist...!

LG
Maike mit Mika (*08.10.2007)
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo!

Ich glaube auch, dass gerade der Wunsch nach einem 2. Kind für dich so ein bissl "Druck" ist, weil du eine genaue Zeitangabe hast, in dem das Baby kommen soll. Das ist natürlich verständlich, wenn man noch einen Kinderwunsch hat - wirkt sich aber kontraproduktiv auf deinen Heilungsprozess aus, wie du glaub ich merkst.

Ich höre oft, dass viele wenn es ihnen wieder gut geht, mit dem Thema PPD "abschließen" - auch das ist nur zu verständlich. Wer beschäftigt sich schon gerne mit so schmerzlichen Dingen. Ich bin aber der Meinung, dass das nicht der richtige Weg ist, man sieht das meist auch bei anderen ganz schweren Erkrankungen. Die Menschen werden von der Krankheit im Prinzip gezwungen, nicht so weiter zu machen wie bisher - also nicht zu sagen, es ist vorbei und weiter gehts. Ich glaube einfach, dass sämtliche schwere Krankheiten (wozu die PPD/PPP ebenfalls gehört) uns wachrütteln will, sie will sagen "Hey, wach auf, dies oder jenes liegt im argen, sei besser zu dir selber..." - wie so eine kleine Stimme, weißt du wie ich meine?

Versuch diese "kleine Stimme" in dir zu zu lassen. Stell dich darauf ein, dass sie ein Leben lang dir hin und wieder was zuflüstern wird - immer dann, wenn du DICH selber nicht gut behandelst. Versuch diese Stimme zu hören, denn sie WILL gehört werden, sie kommt nämlich direkt aus deiner Seele.

Ich konnte das natürlich anfangs auch nicht gut und wollte es auch nicht. Ich wollte den "Mist" einfach nur hinter mir lassen und ihn vergessen. Aber auf diesem Weg, bin ich ganz schnell wieder umgekehrt und habe eine andere Richtung eingeschlagen und ich bin folgendem Wegweiser gefolgt - auf ihm stand: "Den Hilferuf der Seele bewußt wahrnehmen und dem Erlebten Raum in meinem Leben geben". Dieser Weg war der richtige für mich. Weiters hat mir die Aussage meiner Kinesiologin sehr geholfen: "Alles was einem im Leben wiederfährt, hat seine absolute Berechtigung Raum zu erhalten - also alles Positive aber auch alles Negative hat seine absolute Berechtigung von uns gehört und angenommen zu werden und einen Platz in unserem Leben zu erhalten"

Daher habe ich der PPD - die ich überstanden habe - Raum und Platz gegeben und die "kleine Stimme" darf sich immer melden. Ich versuche sie zu hören und das fühlt sich viel besser an, als sie weg zu drücken. Ich denke bei dir will die Stimme grad sagen, dass du zu schnell alles wieder wie vorher machen wolltest, so wie es für DICH vielleicht einfach nicht gesund ist!???? Die Gefahr ist natürlich sehr groß, dass wenn es einem wieder gut geht, man zur "Normalität" übergeht, was ja verständlich ist. Aber gerade dieses Tief jetzt ist eines dieser Sorte von "Maike, stopp - du läufst Gefahr wieder alte Verhaltensmuster anzuwenden"... nämlich Druck aufbauen und ihn übergehen, ungeduldig mit dir sein und die PPD einfach vergessen. Tu das nicht - tu DIR das nicht an - du tust dir nichts Gutes damit.

An dieser Stelle - wie so oft - ein paar Bachblüten, die dir helfen könnten:

- Agrimony (Odermennig): verbessert die Fähigkeit sich Konflikten und unangenehmen Situationen zu stellen
- Cerato (Bleiwurz): hilft die "innere Stimme" wahrzunehmen und ihr zu folgen
- Chestnut Bud (Knospe der Rosskastanie): ist die "Lernblüte" - sie hilft Verhaltensmuster zu erkennen, die Druck aufbauen und diese zu überwinden - ganz wichtig im Moment für dich!!!!
- Impatiens (Drüsentragendes Springkraut): für mehr Geduld auch mit sich selber
- Mustard (Ackersenf): damit du aus deinem momentanen Tief rauskommst - vertreibt die depressive Verstimmung
- Rock Water (Quellwasser): hilft zur Minderung von perfektionistischem Verhalten - die wichtigste Blüte für dich im Moment wie ich meine!!!
- Wild Rose (Heckenrose): für Lebensfreude

Das hört sich alles vielleicht ein bissl esoterisch angehaucht an - das ganze kommt auch von meiner Kinesiologin und nicht von meinem Psychiater. Aber genau das war es schlußendlich, dass mir den letzten richtigen Wegweiser gegeben hat... auf dem Weg durchs Leben.

Weiterhin alles Liebe von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
dackel

Beitrag von dackel »

Liebe Maike, liebe Marika!

Auch ich kenne diese Trauer, die du beschreibst, sehr gut. Ich bin zwar noch nicht gesund, aber es geht mir schon oft besser und ich versuche dann, zu hoffen, dass alles "vorbei" ist. Und dann kommt plötzlich auch diese Trauer. Trauer über das Vergangene, über mich, über alles mögliche.

Ich kann dann aber auch nicht weinen und war jedes Mal auch sehr genervt davon. Denn weinen tut ja wirklich meist gut.

Jedenfalls habe ich mir dann auch mal wieder Marikas Rat zu Herzen genommen und versucht, zuzulassen, dass ich traurig bin aber eben nicht weinen kann. Ich habe mir gesagt, es ist ok, dass du traurig bist und es ist ok, dass du aber im Moment nicht weinen kannst. Ich denke, die Zeit dafür wird auch irgendwann kommen.

Den Druck mit dem zweiten Kind kenne ich auch sehr gut. Zudem ich nicht mehr die allerjüngste bin. Aber ich denke, selbst wenn irgendwann mal ein zweites Kind da ist, kann die Trauer noch hochkommen. Und ich denke, sie DARF es auch. Diese Krankheit ist eben ein wichtiger Teil unseres Lebens, wenn auch kein angenehmer. Vielleicht sollten wir dann einfach, wie Marika auch schreibt, in uns hinein hören und überprüfen, ob wir uns immer noch so behandeln, wie wir andere Menschen behandeln: liebevoll und gütig.

Liebe Grüße
Maike

Beitrag von Maike »

@ Marika: Auch wenn sich Deine Worte, wie Du geschrieben hast, vielleicht esotorisch anhören, so glaube ich Dir und denke Du hast recht. Und ich danke Dir für Deine Worte! Du solltest Therapeutin werden :D !
Ich habe meine Therapeutin diesbezüglich auch noch mal geschrieben, und sie hat mir auch gesagt, dass ich nicht gegen meine Gefühle ankämpfen darf, es zulassen muß und damit leben muß, dass das ein Teil von mir ist, so wie die Geburt meines Sohnes auch ein Teil davon ist. Ich werde wohl noch mal zu meiner Therapeutin gehen...vielleicht kann sie mir ja helfen, dass ich diese Situation annehmen kann und dann wird es mir bestimmt/hoffentlich in dieser Zeit dann besser gehen bzw. damit anders umgehen..!

@ Alex: Auch Dir danke ich für Deinen Beitrag...es stärkt einem ungemein, dass man irgendwie nicht alleine mit diesen Problemen ist. Ich denke immer, ich rede mir wieder irgendwas ein oder steiger mich darein. Aber wenn man hier im Forum dann drüber schreibt, ist diese Situation total normal...!

Als meine Freundin vor 4 Jahren einen Schlaganfall hatte, habe wir ihr immer wieder gesagt, dass sie GEDULD brauch....und nun sag ich mir das seit einem guten Jahr immer wieder selber...aber manchmal kommt es bei mir nicht an.... :oops: !

Ganz liebe Grüße

Maike mit Mika (*08.10.07)
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