Kein schöner Tag

Austausch alltäglicher Sorgen oder Freuden

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Lotesse

Kein schöner Tag

Beitrag von Lotesse »

Heute wird eine Bekannte von uns beerdigt. Das heisst, mein Mann wird die Trauerfeier halten.

Die Bekannte war eine herzensgute, positive und sehr liebe Frau Mitte 40. Sie hat leider den Kampf gegen den Brustkrebs verloren, in der zweiten Runde.

Ich habe noch nie einen so optimistischen Menschen kennengelernt. Immer ein Lächeln auf den Lippen, immer ein gutes Wort. Vor ein paar Wochen war sie auf der Konfirmation ihres älteren Sohnes und hat sich total gefreut, mal meine Kleine zu sehen, die sie vorher nur vom Foto kannte. Sie sah aus wie der lebendige Tod, völlig abgemagert und eingefallen, aber ein Strahlen in den Augen, das der Sonne Konkurrenz gemacht hat.

An ihrem Todestag ist mein Mann noch auf dem Weg zu einem Termin an ihrem Haus vorbeigefahren und hat sich gefragt, wie es ihr wohl geht. Dann sah er eine andere Bekannte aus dem Haus kommen, mit einem Lächeln auf den Lippen, und dachte: "Ach, es geht ihr wohl gut!" Abends kam er dann mit entsetzem Gesicht nach einem Anruf zu mir und sagte: "Jetzt ist die ... gestorben." Das hat uns beiden echt zugesetzt. Mein Mann war schon nach der Konfirmation krank, weil sie da schon so schlecht ausgesehen hatte.

Schlimm ist es auch für ihre Kinder. Der Ältere ist 15, der jüngere 13 oder 14. So jung!! Und das sind zwei echt nette Jungs, so richtig lieb. Und auch so positiv wie ihre Mutter. Ich kann echt nur hoffen, das die ordentlich um ihre Mutter trauern und den Schmerz aufarbeiten. Aber nach dem, was mein Mann erzählt hat, dass die Familie eng zusammensteht, glaube ich, dass da gut dran gearbeitet wird.

Mein Mann ist schon die ganze Woche völlig daneben, heute ist er kaum ansprechbar. Letztes Jahr kurz vor Weihnachten hat er einen 17-jährigen beerdigen müssen, und selbst das hat ihm nicht halb so schlimm zugesetzt.

Letzte Nacht habe ich über eine Stunde einfach nur gegen meine Tränen gekämpft, und jetzt schon den ganzen Tag immer wieder. Und jetzt schreibe ich einfach meine Gedanken auf, damit mein Kopf aufhört, sich immer wieder im Kreis zu drehen.

Warum trifft es immer wieder die Falschen? Ich weiss, auf die Frage gibt es keine Antwort. Gott allein weiss, warum er Dinge tut oder nicht tut. Aber manchmal fällt es mir sehr schwer, hinter seinen Aktionen den höheren Sinn zu erkennen.

Die Trauerfeier wird sicherlich schrecklich traurig. Mir graut jetzt schon davor, aber ich weiss auch, dass es für mich wichtig ist, hinzugehen. Abschied nehmen finde ich sehr wichtig.

Was ich in der Schweiz noch recht schön finde ist, dass man die Asche auch mit nach Hause nehmen kann. So wird ihre Familie einen Teil der Asche auf dem Friedhof begraben und einen kleinen Teil im Garten hinterm Haus, an einer Stelle, wo sie oft gesagt hat, dass sie dort begraben werden möchte.

Heute ist kein schöner Tag, auch wenn die Sonne strahlt und morgen Wochenende ist. :(
mici

Beitrag von mici »

Liebe Lotesse,

mein Beileid! Es ist gut, dass Du uns Deine Gedanken mitgeteilt hast! Ich hoffe, dass Du ebenso wie die Familie wirst trauern können, um den Schmerz zu verabeiten.

Als ich im 5. Monat schwanger war, ist die Mutter meines Patenkindes gestorben. Mit 39 Jahren. An den Folgen einer PPD (das schreibe ich jetzt auch einfach mal so direkt, auch, wenn es jemanden triggert). Sie hat immer mehr abgebaut und hatte schließlich eine Lungenentzündung, an der sie von heute auf morgen gestorben ist. Einfach so und über Nacht. Der Junge damals 1,5 Jahre. Und ich als Patin, schwanger, sah mich plötzlich mit der Aufgabe konfrontiert, für dieses Kind sorgen zu müssen! Damit rechnet doch keiner, wenn man gefragt wird, ob man die Patenschaft für ein Kind übernehmen würde!

Ich bin noch dabei, diese Erfahrung zu verarbeiten! Es braucht seine Zeit, es ist jetzt zwei Jahre her! Hab Geduld mit Dir und Deinem Mann.

Alles Gute,

MICI
Leuchtkäfer

Beitrag von Leuchtkäfer »

Hallo Lotesse,

auch mir tut es sehr leid, was in Eurem Umkreis geschehen ist. Es ist gut, daß Du Dir die Gedanken von der Seele geschrieben hast. Ich fand das immer sehr schwierig in wie weit man als entfernter Betroffene mittrauern darf oder eben nicht. Ich dachte lange, ich habe kein recht auf Trauer, wenn ich den Menschen, der gestorben ist, nicht so gut kenne.

Dann hatte ich aber ein Erlebnis, nach dem mir aufgegangen ist, daß jeder auf die Weise trauern darf und muß, wie er es braucht. Egal um welchen Menschen. Es ist doch ganz klar, daß der Tod einer solch positiven Frau Euch alle mitnimmt und das darf er auch.

Deswegen wünsche ich Dir und vor allem Deinem Mann, der einen wirklich sehr schönen, aber eben manchmal auch sehr traurigen Beruf hat, alles Gute und daß Ihr das zusammen übersteht.

Grüße von Leuchtkäfer
Lotesse

Beitrag von Lotesse »

Hallo,

danke für Euren Zuspruch.

Die Beerdigung war wirklich sehr traurig. Es sind viele Tränen bei vielen (es waren über 300 Leute da) Menschen geflossen.

Es war wirklich gut, zu sehen, wie die Familie der Verstorbenen zusammenhält. Ich denke, die trauern gut zusammen und können das auch so gut es geht verarbeiten. Uns geht es auch wieder besser.

@ mici: Das ist wirklich entsetzlich. Wenn so ein kleines Kind von heute auf morgen ohne Mutter dasteht, weiss man auch gar nicht, wie man dem Kind klarmachen soll, dass die Mama nie wieder kommt. Unbeschreiblich furchtbar.

@ Leuchtkäfer: Ja, ich habe auch lange gedacht, ich hätte bei so Fällen kein Recht auf Trauer. Einmal hat mir sogar eine "Freundin" (zumindest habe ich sie zu dem Zeitpunkt für eine gehalten), ich wäre jawohl voyoristisch, weil ich zu der Beerdigung eines Bekannten gehen wollte. Das hat mir damals ziemlich zugesetzt. Aber darüber bin ich hinweg. Ich habe Gefühle, und die kann ich nicht einfach einsperren. Wenn ich trauern will, dann tue ich das eben.

Liebe Grüße,
Lotesse
scaramouch

Beitrag von scaramouch »

Hallo du

zunächst einmal möchte ich euch mein Beileid aussprechen. Es ist immer wieder schrecklich, wenn Menschen gehen müssen, die eigentlich noch viel zu jung waren.
Und dann noch Menschen, die wie du schreibst, so voller Lebensfreude waren.
Eine Antwort auf das WARUM habe ich leider selber noch nicht gefunden, aber wie du schon sagst, Gott allein wird es wohl wissen.

Ich wünsche euch viel Kraft für die Trauerfeier und ich finde es toll, dass du hingehst um Abschied zu nehmen.

Mit der Zeit wird es leichter, damit umzugehen. Ich habe den Spruch immer gehasst, aber die Zeit heilt viele Wunden und festgestellt das oft was wahres dran ist.

Liebe Grüsse
scaramouch
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