nachdem ich nun schon ein paar Wochen hier im Forum still mitlese und dankbar für jede mutmachende Zeile bin, habe ich beschlossen meine Geschichte mit Euch zu teilen.
Ich bin 34 Jahre alt und habe eine nun mittlerweile 1jährige Tochter. Ich wollte eigentlich nie Kinder haben bzw. wir haben ein bisschen russisch Roulette gespielt und es nie drauf angelegt, dass ich schwanger werde und trotzdem nicht verhütet. Dann war es plötzlich soweit und ich hielt einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand, ich bekam furchtbare Angst und fuhr sofort zu meiner Frauenärztin. Auf dem Ultraschall war noch nichts zu erkennen denn ich war erst in der 5. Woche. Meine FA meinte aber die Tests seien sehr zuverlässig und ich solle in einer Woche wiederkommen. Am selben Tag war ich so aufgeregt, dass ich eine Schachtel Zigaretten rauchte (vorerst meine letzte

Dann ging alles soweit gut weiter, mein Mann hatte den ersten Monat Elternzeit und unterstützte mich wo er nur konnte. Ich stillte voll, was auch von Anfang an sehr gut klappte. Wir puckten unsere Kleine nachts ein, sodass wir einigermaßen stressfreie Nächte hatten. Sie schlief zwar nicht durch und war tagsüber ständig wach und schrie sehr häufig, aber das war mir zu dem Zeitpunkt noch egal. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich wohl noch genug Energie. Nach 3 Monaten bekamen wir die Schlüssel für unser Haus, dass wir gekauft hatten und fortan verbrachte mein Mann den zweiten Monat Elternzeit von morgens bis abends in unserem neuen Heim und renovierte, reparierte etc.. Ich war mit der kleinen von morgens bis abends allein und ging energiemäßig an meine Grenzen. Hinzu kommt, dass ich hier keinerlei Unterstützung habe, meine Familie wohnt 300 km weit weg und auf meine Schwiegermutter kann ich mich nicht verlassen, bzw. ich habe seit der Geburt unserer Tochter kein Vertrauen mehr zu ihr weil sie auf die kleine nicht gut Acht gibt. Kurzum, ich war alleine und das über Wochen bzw. Monate. Hinzu kam, dass die kleine Maus nicht mehr gut schlief nachts und ich teilweise fast stündlich stillen musste. Tagsüber bin ich mit ihr immer rausgegangen, habe andere Mütter getroffen und war viel unterwegs, da sie im Kinderwagen wenigstens ein bisschen schlief. Das ging so weiter bis wir endlich in unser Haus einzogen. Ich dachte nun haben wir es geschafft, endlich kehrt Ruhe ein und wir können unser Glück zu dritt genießen. In den Wochen zuvor war es bei mir schon soweit, dass ich den Tag irgendwie versuchte rumzukriegen und nur darauf wartete, dass mein Mann endlich nach Hause kommt und mir die kleine abnimmt, um mal ein bisschen Ruhe zu haben. Dabei war mir immer klar, dass ich die Zeit mit ihr immer weniger genoß und nur versuchte die Tage rumzukriegen und etwas Ruhe zu haben und Zeit für mich. Ich war schon immer ein freiheitsliebender Mensch, unabhängig, selbstbewusst, beruflich erfolgreich usw.. Und dann war ich nur noch Mutter und habe alle meine Bedürfnisse über Board geworfen, bzw. habe aufgehört irgendetwas für mich zu tun.
Dann kam der Tag an dem ich meine erste Panikattacke hatte. Ich war auf dem Weg zu meiner FA (normaler Vorsorgetermin) und hatte die kleine bei mir (wie immer), plötzlich überfiel mich beim Autofahren eine furchtbare Angst, meine Arme und Beine wurden taub und ich war mitten auf der Autobahn, ich war total geschockt. Meine Tochter schrie hinten, wie so oft (sie schläft immer erst 200 m vor zu Hause ein) und das ließ mich noch panischer werden. Mit letzter Kraft kam ich bei meiner FA an, ich dachte ich würde sterben. Auch die Gedanken während der Autofahrt drehten sich um lebensgefährliche Situationen oder Dinge… was wäre wenn ich unheilbar krank wäre… was wenn meine Tochter stirbt… was mach ich dann. Ich bin gefühlsmäßig so weich gespült seitdem sie da ist, dass mich sämtliche Gefühle ob positiv oder negativ völlig überforderten. Die Rückfahrt ging dann gut, Panik vorbei und ich versuchte weiter zu leben. In den folgenden Wochen wurden die Abstände der Panikattacken immer kürzer, irgendwann fuhr ich nicht mehr in die Stadt und im Dezember fuhr ich gar kein Auto mehr. Kurz vor Weihnachten wurde es so schlimm, dass ich den ganzen Tag lang Panikattacken zu Hause hatte. Selbst in unserem Haus fühlte ich mich nicht mehr sicher. Da ich den ganzen Tag mit der kleinen alleine bin weil mein Mann arbeitet, verstärkte sich die Panik noch mehr. Es ging so weit, dass ich meine Schwiemu anrief und sie vorbeikommen musste um auf meine Tochter aufzupassen. Mir war egal, ob sie mit ihr verantwortungsvoll umging wenn nur endlich die Panik aufhörte. Einen Tag vor Heiligabend war es so schlimm, dass ich im Internet meine Symptome googelte und da stieß ich auf die Schatten & Licht Seite. Ich rief eine Frau von der Kontaktliste an und schilderte ihr meine Situation. Sie war total lieb und empfahl mir eine Beratungsstelle in unserer Nähe. Ich hab die ganze Zeit gedacht, ... wie kriege ich die Feiertage rum. Mit meiner Tochter konnte ich keine Sekunde mehr alleine sein, zeitweise war es so schlimm, dass ich sie nicht mal sehen wollte, ich hatte regelrecht Angst vor ihr, Angst dass ich mit ihr die Treppe runterfalle und uns keiner findet, Angst, dass ich die Treppe runter falle und sie ganz allein im Haus ist. Und vor allem eine RIESEN Angst vor der Verantwortung, ich bekam irgendwann das Gefühl, dass ich nie wieder was für mich machen kann, nie wieder Ruhe habe, immer 100% Aufmerksamkeit fürs Kind, aufpassen, dass sie sich nichts in den Mund steckt und sich verschluckt, dass sie nicht umfällt und sich den Kopf verletzt usw.. Ich konnte einfach nicht mehr und ich war nicht mehr ich selbst. Zwischen den Feiertagen rief ich in der Beratungsstelle an und bettelte um einen Termin, ich wollte raus aus meinem scheiss Loch und hätte alles dafür getan, dass es mir besser geht. Ich bekam gleich für Anfang Januar einen Termin. Mein Mann unterstützte mich so gut er konnte, in seinem 2wöchigen Urlaub unternahm er täglich etwas mit unserer Tochter und kümmerte sich auch sonst Rund um die Uhr um sie. Ich weiß, dass es auch für ihn eine sehr anstrengende Zeit gewesen ist und er auch an seine Grenzen gegangen ist.
Dann war es endlich soweit und der Termin in der Beratungsstelle stand an, ich berichtete der Beraterin alles was mir zu meiner Situation einfiel unter schlimmen Angstzuständen und Panikattacken. Die Sozialarbeiterin war sehr verständnisvoll und bot mir an Kontakt zu einer Psychiaterin aufzunehmen, bei der ich sehr schnell einen Termin bekommen könne, da die Beiden wohl zusammen arbeiten. Eine Woche später war es soweit und ich hatte den Termin bei der Psychiaterin, ich fühlte mich bei ihr wohl und auch sie nahm mir ein wenig die Angst und berichtete mir, dass es vielen Frauen/Müttern so geht wie mir. Sie verschrieb mir Venlafaxin, ich war dankbar und fast ein bisschen glücklich endlich Hilfe in Sicht. Ich überflog den Beipackzettel und nahm am nächsten Tag die ersten 37,5 mg und hoffte das Beste, ich sollte alle paar Tage die Dosis erhöhen bis ich bei 150mg bin. Tja was soll ich sagen, ich hatte alle Nebenwirkungen, die auf dem Beipackzettel standen und in den ersten 2 Wochen brach ich unter den Verschlimmerungen der Ängste und Depressiven Gedanken, die ich bis dahin nicht hatte, fast zusammen. Ich rief meine Psychiaterin an und fragte sie ob das alles so richtig sei und sie meinte, ich hätte zu schnell die Dosis erhöht (klar, ich wollte ja auch, dass es mir schnell besser geht). Also liess ich mir Zeit damit. In der Zwischenzeit nahm mein Mann unsere Tochter zeitweise mit zur Arbeit, er wollte nicht, dass sie mich so sieht, da ich fast nur im Bett lag und vor mich hin wartete, dass die Wirkung endlich eintritt. Ich rief meine Schwester an und bat sie sich eine Woche Urlaub zu nehmen und zu uns zu kommen, sie wohnt 600km weit entfernt. Ich erzählte ihr alles und sie sagte sofort, dass sie kommen würde, denn mein Mann musste nun langsam auch mal wieder normal arbeiten gehen. Ich war erleichtert, als meine Schwester kam, jedoch ging es mir immer noch besch… ausgerechnet an dem Wochenende bekam unsere Tochter 3 Tagesfieber (teilw. 40,7 grad nachts) und ich dachte die ganze Zeit ich kann auf gar keinen Fall mit ihr ins KKh gehen, dass stehe ich niemals durch und kümmern konnte ich mich erst Recht nicht um sie. Gott sei dank konnten wir nachts in der Klinik anrufen und die Ärzte dort haben uns sehr beruhigt, sodass uns die Klinik erspart geblieben ist. Ein paar Tage später begann das AD endlich zu wirken, ich bekam auf einmal morgens ordentlich Antrieb und seitdem gehe ich mit meiner Tochter morgens immer spazieren. Ich habe keine Panikattacken mehr und merke wie es stetig bergauf geht, seit einer Woche fahre ich auch wieder alleine Auto und bummel mit meiner Tochter durch die Stadt und gehe mit ihr in unsere Krabbelgruppe. Ich bin total dankbar dafür, dass ich wieder so einigermaßen funktioniere, ich besuche weiterhin die Beratungsstelle, dort trifft sich auch einmal im Monat eine SHG und ich hoffe, dass ich demnächst eine VT beginnen kann.
Ich freue mich sehr, dass es S&L gibt, das Forum und Eure Beiträge haben mir in der akut schlimmen Phase unglaublich geholfen.
Liebe Grüße
Eure Mamasusi
PS: Es ist ein bisschen lang geworden, sorry!!