Ratlos und Überfordert

Erfahrungen mit Medikamenten, Fragen, Infos, Tipps, ...

Moderator: Moderatoren

Antworten
Jessie
Beiträge: 40
Registriert: 23:05:2024 0:33

Ratlos und Überfordert

Beitrag von Jessie »

Hallo zusammen, ich nochmal 🙈

Ich weiß schon wieder gar nicht wie ich anfangen soll oder was ich mir hier von erhoffe. Aber ich bemerke, dass ich grad wieder ins schlechtere Befinden übergehe. Ich merke es schon daran, dass ich in dem Forum auf und ab lese und eigentlich schon froh bin, wenn ich abends endlich mein Mirtazapin nehmen und davon schlafen kann, damit ich nicht wach sein und funktionieren muss.
Ich hatte jetzt die letzten Tage ein paar Momente, wo ich dachte "oh ist doch gar nicht so schlimm", kurz darauf kommen aber direkt wieder Gedanken wie "du darfst dich nicht gut fühlen, da ist was faul, du bist krank, warte ab gleich kommt ne Panikattacke" - oder die Angst davor, dass ich mich wieder so fremdgesteuert und fern der Realität fühle.
Nach 3 Wochen habe ich auch immernoch nicht mein Notfallmedikament genutzt, weil ich gar nicht richtig weiß, was dieser Notfall sein soll. Vielleicht, weil ich schon vor der Geburt eine Angststörung hatte und es quasi "gewohnt" bin (obwohl es fast unerträglich ist) solange mit Unruhe und Panikzuständen auszuhalten. Einfach im Alltag was nehmen, fühlt sich so falsch an. Als müsste ich es definitiv durchhalten. Oder vielleicht ist es auch die Angst, dass ich mich die ganze Zeit auf dieses Notfallmedikament verlassen hab und wenn ich es nehme, merke, dass es mir überhaupt nicht hilft oder ich es nicht vertrage...
Hab ja vorher überhaupt keinen Medikamente genommen dagegen. Außer Pflanzliches wie Baldrian Tee etc.
Mir wurde gestern schon der Tipp gegeben, erstmal bei einem Viertel der Dosis anzufangen, um zu testen, wie es wirkt. Und dann langsam immer etwas hoch zu gehen, aber selbst da bleiben die Ängste, dass es dann sinnlos war.
Ich habe auch das Gefühl, dass ich mich jetzt mit dem allem hier abfinden muss. Obwohl ich Momente habe, wo ich ganz vernarrt in den kleinen bin... Dann kommen sofort Gedanken, dass es immer anstrengender wird. Irgendwann kann er essen, saut sich ständig voll also immer wieder baden/abduschen, irgendwann kann er reden und fordert mich und ich bin ihm nicht gewachsen... Und an die Trotzphase darf ich gar nicht denken. Ich fühl mich wie in nem Film und warte nur darauf, dass mich jemand da raus holt und sagt "ach war alles nur ein Witz - hier hast du dein altes Leben wieder".
Ich weiß nicht mal ob ich das wieder will. Weil eigentlich habe ich mich da auch nur in meinen Komfortzonen bewegt - bin nicht Essen gegangen zb. Weil da immer die Panikattacken kamen, hab mich kaum mit Leuten getroffen usw.

Und wegen dem Notfallmedikament hab ich zb heute überlegt, weil meine Schwester ist zu Besuch und fährt morgen wieder nach Hause (500km Entfernung) und bei mir hat heute wieder durchgehend die Unruhe und auch schon ein/zwei mal Panikattacken angeklopft und ich dachte "eigentlich willst du mal einen entspannten Tag/Abend mit deiner Schwester haben und zusammen essen usw., aber du kannst doch nicht dafür sowas nehmen?!"
Ich hab das Gefühl mir ist gar nichts mehr vergönnt :( ich komm mir gerade auch höchst lächerlich vor, hier so rum zu weinen, weil ich mir denke, anderen geht es sicherlich nochmal schlechter und die sind froh zu leben...
Aber diese Gedanken machen mich alle. Dass ich nicht einfach wieder glücklich sein kann. Dinge empfinden kann wie vorher.
Ich war so emotional und sensibel vorher.. was ist nur aus mir geworden...
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 10519
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: Ratlos und Überfordert

Beitrag von Marika »

Hallo Jessi!

Ich habe mir erlaubt deinen Beitrag unter "Medikamente" zu verschieben, weil er besser hier her passt.

Ja es ist ein steiniger Weg, ich weiß. Du bist jetzt in der Phase wo deine ADs so langsam anfangen zu wirken, aber natürlich ist noch kein Durchbruch da. Das wird noch einige Wochen dauern und evtl wird es noch Erhöhungen brauchen. Daher natürlich auch dieses negative Gedanken Karussell.

Das Notfallmedikament ist genau für diese harten Wochen da. Deine Ärztin hat es dir mit bestem Wissen und Gewissen verschrieben. Ich wäre ohne Notfallmedikament damals erledigt gewesen und habe es täglich 5 Wochen lang gebraucht. Wir dürfen hier keine Dosis Empfehlung geben, es zählt immer das was deine Ärztin gesagt hat. Ob du es mit weniger versuchst ist deine Entscheidung. Ich habe mein Notfallmedikament sehr gut vertragen. Lediglich bei der ersten Einnahme habe ich 12 Stunden am Stück geschlafen. War aber auch nötig, weil ich die Tage davor kaum schlief. Es ist so, dass das Notfallmedikament dir für einige Stunden enorme Erleichterung bringt, das kann bis zur völligen Beschwerdefreiheit gehen. Wenn die Wirkung nachlässt, merkst du die Symptome natürlich wieder mehr. Ein Notfallmedikament ist kein Problem Löser, aber ein Erleichterer, bis die ADs ihre Arbeit im Gehirn so richtig angehen.

Von mir kann ich dir sagen, dass du von niemandem eine Medaille bekommst, nur weil du es "ohne Notfallmedikament geschafft hast"... :wink: Ich bin dafür, nicht sinnlos zu leiden, sondern sich Medikamentös helfen zu lassen, wenn man krank ist und diese braucht. Man vergeudet sonst nur wertvolle Lebenszeit, das ist meine Meinung.

Es bleibt NICHT so. Das kann ich dir versprechen. Du wirst noch Augen machen, was die Medikamente alles können und wie du endlich wieder Boden unter die Füße bekommst. Alle diese negativen und destruktive Gedanken sind die Krankheit und die wirst du besiegen. Aber du brauchst Geduld, das ist das schwierige. Aber ich weiß, dass du das schaffst...❤️
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
alibo79
power user
Beiträge: 1454
Registriert: 16:06:2021 11:15

Re: Ratlos und Überfordert

Beitrag von alibo79 »

Hey jessi, ich weiß jetzt nicht wie du dich mit dem Notfall Medikament entschieden hast.
Mein Psychiater hat mir damals gesagt, da ich auch völlig planlos war wann es gut ist es zu nehmen. Nämlich ich sollte 15 minuten abwarten, und mich in der zeit zb richtig körperlich bewegen oder ablenken, wenn dann die unruhe so doll ist, dass ich es nicht gut aushalten kann, dann soll ich etwas zum beruhigen nehmen. Mein Thema war da ähnlich entspannt, ich habe mich auch nicht getraut was zu nehmen. Und er sagte mir, ich solle es doch einfach ausprobieren, dann wenn ich zu Hause bin, im sicheren Rahmen, denn was soll schon passieren.
Ich muss dazu sagen, dass ich kein tavor hatte, ich glaube da hätte mir bestimmt gut geholfen. Ich hatte anfangs promethazin, dann melperon und letztlich sind wir bei quetiapin gelandet, was ich immer noch nehmen muss.
Vor allem können diese Medikament das grübeln unterbrechen, was ja zu immer negativeren Gedanken führt und so auch zu den ganzen düsteren Gefühlen. Gerade anfangs ist das mit bloßen Willen gar nicht stoppen, da kann ich auch ein Lied von singen.
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
alibo79
power user
Beiträge: 1454
Registriert: 16:06:2021 11:15

Re: Ratlos und Überfordert

Beitrag von alibo79 »

Ich meinte, dass mein Therapeut entspannt war, blöde Korrektur :D
Und ich wollte sagen, dass Bewegung gut hilft dieses starke unruhe zu mildern oder mir hat auch kalt duschen geholfen.
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
Jessie
Beiträge: 40
Registriert: 23:05:2024 0:33

Re: Ratlos und Überfordert

Beitrag von Jessie »

Hallo ihr zwei 🤍

@Marika danke fürs verschieben, ich weiß manchmal gar nicht wo ich rein schreiben soll, wenn ich so viel durcheinander zu erzählen habe :/

Entschuldigt, dass ich erst jetzt schaffe zu antworten.
Ich habe mich an dem Tag, auch wenn es etwas schwer war, gegen das Medikament entschieden. Ich hatte es aber dabei, als wir unterwegs waren, sodass ich hätte jederzeit darauf zugreifen können. Der Abend war dann noch ganz okay und am Sonntag war ich sogar recht stabil. Muss aber dazu sagen, dass ich ohne den kleinen seit Mittags bis Abends bei meiner Oma war. Hatte quasi den Tag ohne Baby und war abgelenkt durch Gespräche.

Gestern jedoch war es wieder schwierig. Mein Partner arbeitet ja zurzeit schon nur Teilzeit, also ist er 5 Stunden nicht da.. er hatte aber Spätschicht, also bin ich den Tag über alleine mit dem kleinen. Bin dann heute wieder zu meiner Oma und hatte wieder stark mit Panik und Derealisation zutun. Hab schon auf dem Weg zu ihr gedacht "ich packe das nicht. Ich überlebe das nicht. Ich muss den kleinen bei meiner Oma lassen und abhauen. Mein Partner muss von Arbeit kommen."
Diese Gedanken und Körperlichen Symptome dabei sind wirklich das schlimmste was ich je erlebt habe ...
Wenn man drüber schreibt klingt alles so mild, dabei fühlt man sich wie sterben 😭
Hab auch das Gefühl ich bin für nichts mehr richtig empfänglich was ich damals alles gelernt habe in Therapie (Achtsamkeit, Meditation usw.). Das gibt mir das Gefühl von absolutem Kontrollverlust und ausgeliefert sein...
Jede Minute des Tages zieht sich im Moment wie Stunden...
Ich frag mich wenn ich alte Beiträge von Frauen hier lese, wie sie es geschafft haben gesund zu werden und gleichzeitig für ihr Kind da zu sein 🥺
Generell gesund werden scheint noch so unvorstellbar und nicht greifbar.
Ich will einfach wieder "normal" gestresst sein vom Alltag und nicht bei jedem Schreien des kleinen Panikzustände bekommen..

@alibo das mit dem ausprobieren im sicheren Rahmen ist eine gute Idee. Dann kann ich erstmal gucken, wie ich es empfinde.
Ablenkung und Bewegung mache ich automatisch vor Nervosität bzw vor Angst, dass eine Panikattacke kommt. Mache zurzeit zwanghaft den Haushalt zur Beschäftigung :/ Versuche schon immer Sachen zu machen, um dabei nicht zu verkrampfen oder zu verbissen zu sein... Aber die Gedanken und damit die Symptome hören auch dann meist nicht auf...

Auch wenn ich gerade recht Hoffnungslos der Zukunft gegenüber stehe, möchte ich mich ganz sehr für eure Worte bedanken! Durch euch sage ich mir oft in den ganz schlimmen Momenten "das ist nur die Krankheit, das geht wieder vorbei". Ich habe wahrscheinlich erst durch dieses Forum ein bisschen mehr verstanden, dass das nicht ich bin, sondern eine Krankheit. Auch wenn ich das immer wieder in Frage stelle und mir denke, dass ich einfach nur nicht gemacht bin fürs Mama sein und ich das niemals schaffen werde... Trotzdem merke ich, dass mir der Austausch hilft 🥺🤍

Liebe Grüße
Jessie
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 10519
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: Ratlos und Überfordert

Beitrag von Marika »

Guten Morgen!

Schön, dass dir der Austausch hier ein bisschen hilft. Ich kenne das sehr gut: zu glauben dass man einfach so ist, also unfähig und nicht fürs Mama sein gemacht. Auch bei mir hat es gedauert bis ich wirklich verstanden habe, dass das eine Krankheit ist. Je besser es mir ging, umso mehr konnte ich dann auch die erlernten Strategien aus der Therapie anwenden. Man hört das ganz oft - man kann noch so arbeiten in der Therapie, aber wenn die Biochemie im Gehirn einfach nicht richtig läuft, klappt die Anwendung nicht. Das ist genau der Grund warum es einfach in vielen Fällen eine Medikamentöse Unterstützung braucht.

Du wirst in absehbarer Zeit deutlich die Wirkung des Venlafaxin merken. Evtl. wird das AD noch erhöht, das entscheidet dann dein Arzt zusammen mit dir. Dann wirst du wieder klar sehen, WER du bist. Deine Persönlichkeit ist im Moment völlig von der PPD überlagert. Das wird aber immer besser, zwar langsam, aber es wird. Dann wirst du auch wieder in der Lage sein, das Erlernte aus der Therapie anzuwenden.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Jessie
Beiträge: 40
Registriert: 23:05:2024 0:33

Re: Ratlos und Überfordert

Beitrag von Jessie »

Hallo Marika,

ja das ist wirklich schlimm. Ich hab das Gefühl jeden Moment könnte es kippen oder ich würde verrückt werden/die Kontrolle verlieren. Das ist so anstrengend und nervig. Heute war der kleine so entspannt, er macht es mir eigentlich echt nicht schwer.. warum ich das nicht einfach genießen kann 🙈

Ich hoffe sehr, dass mir das Venlafaxin da gut helfen kann gesund zu werden. Ich versuche mich in Geduld zu üben... Danke fürs Mut zu sprechen 🤍

Liebe Grüße
Jessie
Antworten