Musik für/über Depressive

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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ubure

Musik für/über Depressive

Beitrag von ubure »

Guten Abend Ihr Lieben,

in meinem Leben gibt es bestimmte Songs, die ich sehr oft in den schwersten Zeiten angehört habe, aber auch in Zeiten, in denen es mir gut ging/geht (was Gott sei Dank ja seit 3 Jahren überwiegt). Es sind Lieder von Leuten, die Depressionen erfahren haben und mich mit ihren Worten so tief treffen, weil sie so absolut ausdrücken, was es heißt, mitten drin zu stecken, in der Trauer, in der Angst. Sie handeln auch vom Abschied, von geliebten Menschen, und auch das musste ich erleben.

Es sind z.B. "Weather Channel" von Cheryl Crow, auch ihr "Safe and Sound"...in Weather Channel kratzt der schwarze Hund an ihrer Tür, der schwarze Hund...bei Churchill war es der Black Eyed Dog, wie er die Depression nannte. Der Sänger Nick Drake hat kurz vor seinem Tod (Selbstmord, Überdosis ADs - keine Sorge, bei den neuen geht das gar nicht mehr :wink: ) einen Song mit dem Titel "Black Eyed Dog" geschrieben. Er war, glaube ich, 25, als er starb. Zu diesem Lied hat Heath Ledger ein Video gedreht, er war lt. seiner eigenen Aussage besessen von Nick Drake und seiner Geschichte - woran Ledger gestorben ist, muss ich, denke ich, nicht erwähnen. Und so schließt sich der Kreis.

Sehr viele Songs von Dainel Johns von Silverchair handeln von seine Depressionen, seiner Anorexie, die er bekam, der schweren Arthritis, und das mit nicht mal 20 Jahren....diese Lieder können so viel besser ausdrücken als ich, wie ich mich gefühlt habe, wie ich noch manchmal fühle oder zumindest, wie die Erinnerung an diese Gefühle aussieht. Es ist nichts, das mich runterzieht, aber es drückt mich aus, und das tut irgendwie gut, und ich kann die Leere in solchen Momenten besser mit Gefühlen ausfüllen, wenn ich mich bewusst erinnern will.

Vielleicht auch eine Art, aufzuarbeiten? Vielleicht auch nur das Wissen, das man sich das alles nicht eingebildet hat, dass es den schwarzen Hund wirklich gegeben hat, und dass er jetzt aber die meiste Zeit zahm ist.

LG,
Inez
AmoebeMS

Beitrag von AmoebeMS »

Hallo Inez,

wenn ich ehrlich bin, habe ich leider wenig Zeit mich mit den Texten von Lieder zu befassen. Das meine ich überhaupt nicht böse, schön, dass du das kannst! Ehrlich. Mein Mann sagt, ich hätte eine natürliche Begabung Texte von Liedern nach dreimaligem Hören auswendig zu kennen, was auch stimmt, doch über den Sinn mache ich mir leider wenig Gedanken, sollte ich das tun?

Ich möchte jetzt nicht oberflächlich klingen, aber mir hat es kürzlich einen kleinen Schlag ins Herz versetzt, als ich las, dass Gesine Schwan an Depressionen erkrankt war. Ich schätze die Grand Dame sehr und meine Gedanken überschlugen sich damals. Ich möchte mich hier nicht über Promis auslassen und es ist ja auch keine direkte Antwort auf dein Thema, liebe Inez, ich weiß. Heath Ledger war gewiss auch depressiv. Keine Frage und sehr bedauerlich, wie bei jedem, der daran erkrankt. Doch bei ihm spielte leider mehr mit, was die Öffentlichkeit nicht völlig mitbekommen hat, weil man es wahrscheinlich aus Rücksicht auf die Familie ... na du weißt schon (und damit meine ich Drogen). Bedauerlich natürlich, absichtlich ist er sicher nicht so aus dem Leben gegangen.

Du merkst, auf Lieder kann ich nicht besonders eingehen, aber ich bin eher der „deutsch-sprachige“ romantische Typ, der mit Songtexten von Silbermond mehr anfangen kann als zb von The Killers! Wenn mich ein Lied berührt und gerade jetzt in meiner depressiven Phase, dann sind es Lieder, die wie „Das Beste“ oder „Irgendetwas bleibt“ und so weiter. Eben Lieder, die mir zeigen, wie wichtig mir meine Familie ist. Außerdem bekomme ich bei guten Texten und Liedern gleich eine Gänsehaut. Genau dann weiß ich, dass ich „betroffen“ bin und dass es mir unter die Haut geht. Wenn meine Buben gleich im Bett sind, werde ich gleich mal youtube aktivieren und deine Songs lauschen. Bin selbst gespannt. Danke für den Hinweis.

LG AmoebeMS
Feebie

Beitrag von Feebie »

Ich kenne die erwähnten Lieder von dir leider auch nicht, weil ich nur noch zum Musik hören komme, wenn ich im Auto sitze und unterwegs bin.
Aber derzeit läuft im Radio oft der schon erwähnte Song "Irgendwas bleibt" von Silbermond und als ich ihn das erste Mal gehört habe dachte ich, mich trifft der Schlag, weil da jemand anderes ganz tief aus meiner Seele sang. Ich musste rechts ran fahren weil ich so heftig schluchzen musste. Auch jetzt muss ich manchmal immernoch weinen, wenn ich es höre. Es ist wie der Hilfeschrei nach Trost und "in den Arm genommen werden", den ich mir nie erlaubt habe.

Und wenn ich mal einen fast "optimistischen" Tag habe, dann höre ich gerne "So soll es sein" von Ich+Ich (auch wenn die letzte Stophe so gar nicht paßt). Zwar muss ich manchmal auch dabei weinen, aber nur wenn ich mal wieder das Gefühl habe keine Kraft mehr zu haben, es neu anzugehen.
Aber an anderen Tagen löst der Song auch ein Gefühl aus von:
"Können wir das schaffen?"
"Ja wir schaffen das!!!"
frosch76

Beitrag von frosch76 »

"Mein" Song ist "Lithium" von Evanescence.
Der Text sagt sehr stark aus, wie es einem Depressiven gehen kann, finde ich.
Leider war es das Lieblingslied der Cousine meines Mannes. Sie ist mit 19 Jahren vor einen Zug gelaufen (Selbstmord). Niemand wußte oder ahnte vorher, daß sie depressiv war. Ich habe das Lied als erstes auf ihrer BEerdigung gehört, war aber auch vorher schon Evanescence-Fan.

Ich höre gerne Metall-Musik und in der Musikrichtung gibt es sehr viele Songs mit "passenden" Texten.
Wenn es mir ganz schlecht geht, höre ich diese Musik und die speziellen Lieder ganz laut auf meinem MP3-Player. Meist beruhigt mich das ein wenig, bringt mich quasi wieder ein bißchen runter.

Viele Grüße

frosch76
AmoebeMS

Beitrag von AmoebeMS »

Hallo frosch76,

ich kenne das Lied!

Sorry, aber ich habe erst jetzt die Zeit, um auf die "älteren" Beiträge einzugehen. Ich möchte auch in keinster Weise alte Wunden bei dir zu Tage bringen. Das Lied ist sehr schön, keine Frage. Hast du dich mal mit dem Text auseinander gesetzt? Passt er zu deiner Kusine? Hast du dich mal gefragt, warum er gespielt wurde?

Ich gebe zu, mein Mann und ich haben uns am WE viele Lieder angehört und die Texte dazu in deutscher Sprache studiert. Er sagte nur: entweder es gibt Lieder, die über Liebe handeln, oder gesellschafts-politisch veranlagt sind. Dazwischen würde es nix geben. Seine Meinung eben. Hat er Recht? Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, was mich berührt und Evanescence gehörte damals dazu. Bring me to life und ihr Sturz im Video in die Tiefe, kannst du dich erinnern? Damals war das eine zeitlang mein Song. Selig mit Ohne Dich auch. Situationsbedingt. Mit meinem Ehemann bin ich länger als mein halbes Leben liiert, Höhen und Tiefen, alles dabei, Fazit: glücklich und Eltern geworden. Trotzdem erinnern mich Lieder an die Vergangenheit, in die ich hin und wieder für ein paar Stunden zurück möchte. Wer denn nicht? Wer schwelgt nicht in Erinnerungen? Ha, und wenn gerade mein Kind den Raum betritt und ich darüber nachdenke, dass ich damals ohne es war und es sagt mir dann meistens "Mami, kannst du das reparieren?", dann kotzt es mich an, aber dann fange ich auch wieder gleich an zu lachen, weil ich ja von einem wintzigen Buben gefragt werde, ob Mami ihm helfen kann. Seine Mami, ICH. Gutes Gefühl gebraucht zu werden, oder? Auch wenn zb nur beim Lego-Aufbau.

LG AmoebeMS
Ylaina

Beitrag von Ylaina »

"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum" Friedrich Nietzsche

Ich liebe Musik, ich brauche Musik, ich verleibe mir Musik eigentlich ein, der einzige " Sport" den ich wirklich gerne betreibe ist tanzen. :wink:

Ich wollte schon lange antworten, fand aber keine Muse. Jetzt sitze ich mit einem leckeren Tee ( Schwangerschaftstee von Bad Heilbrunner, echt lecker!) und meiner neuesten, ersehnten Platte von Placebo da und genieße den Feiertag.

Ich kann zu Musik mich teilweise besser empfinden, intensiver meine Gefühle wahrnehmen, als ohne. Musik ist für mich ein innerlicher Katalysator, der lebensnotwendig ist. So vieles, das ich unterdrücke, kontrolliere, nicht nur nach außen, sondern eben auch nach innen. Und mit Musik kann ich es richtig intensiv empfinden und mit Tanzen ausdrücken.

"Lithium" ist übrigens von Nirvana, die zu meinen Lieblingen gehören. Gerade das Verzweifelte, das Kurt Cobain, der ja zeitlebens mit starken psychischen Problemen zu kämpfen hatte in genialster Weise ausdrückt spricht mich zutiefst an.
Überhaupt gibt es jede Menge Texte, die von der Auseinandersetzung mit der Seele handeln. Auch Fade to Black von Metallica, einiges von Korn und Black Sabbath (die ganzen 'bösen' Metalbands brachten das Thema meiner Meinung nach auf den Tisch, mit ihrer 'teuflischen' Musik *zwinkert frosch76 zu*) handeln von seelischen Untiefen und den Schmerzen, die diese verursachen.

Und oft ist das auch nicht biem ersten Lesen und Hören der Texte klar, sondern erst, wenn man zu bestimmten Liedern auch bestimmte Aussagen der Musiker oder auch Lebensumstände der Musiker kennt. Z.B seit ich wußte, dass Lizium bei bipolaren Störungen ein gäniges Medikament ist höre ich das Lied nochmal ganz anders.

Aber meine absoluten Lieblinge, was Musik und Musik für/über Depressive betrifft sind und bleiben Placebo. In der Stimme des Sängers liegt für mich die Tonlage meiner Seele. Voller Sehnsucht, Hingabe und Sensibilität. Zu der Zeit, als meine Prüfungen anstanden, ich fertig wurde, arbeitslos blieb und schließlich mein Körper streikte ( was die Diagnose Depression zur Folge hatte) hörte ich sie fast wahnhaft, ich habe gar nichts anderes gehört, über drei Jahre.
Und als ich sie vor ein paar Tagen live gesehen habe ( zum 2. Mal ) hat es mich so überkommen, dass ich vor Ergriffenheit nasse Augen hatte. Auch, weil es mich an die Zeit erinnert hat. Und das "komische" an der Zeit war, sie hat mich mir näher gebracht als viele andere Zeiten.

Und vielleicht klingt das wirklich nur für solche Menschen, die es erlebt und wirklich durchlitten haben, irgendwie sinnvoll, aber ich bin dankbar für diese Zeit.
Und finde es supergeil, dass Placebo gerade jetzt was neues rausgebracht haben. Altes und Neues vereint, und ich liebe die Platte jetzt schon!

Letztlich glaube ich, es gibt sehr vieles Lieder von, für und eben auch von Depressiven, aber was davon wen wie anspricht ist in höchsten Maße individuell.

Ich wünsche Euch einen schönen Feiertag und dass jede heute etwas schönes für sich erlebt. :wink:


LG Verena
ubure

Beitrag von ubure »

Silverchair gehen wieder ins Studio *jubel*!!

Dann hat Frau U. wieder was zum Mitjaulen (ich sag immer zu meinem Mann, wenn ich in meine Werkstatt gehe, dass ich 'ne Runde Jaulen gehe - denn da unten kann ich aufdrehen, wie ich mag.)

Und wenn Ihr mal was wirklich Intelligentes, Rotzfreches hören wollt, lege ich Euch Lily Allen ans Herz - ich steh nicht wirklich auf Pop (nicht den Pop dieses Jahrhunderts), aber die find' ich Klasse - ganz anders als alles andere, was man so hört und richtig witzig.

Ach ja, und toll sind auch die Dixie Chicks - richtig schön anzuhören - und schon allein wegen der berühmten Anti-Bush-Äußerung der Frontsägerin ein Muss, wie ich finde (damals wurden ihre CDs öffentlich verbrannt, sie haben Drohbriefe erhalten und lauter so Schwachsinn :roll: )

Jaja, der gute Kurt....schade um ihn, ich hätte ihn gerne noch weiter gehört...bin halt ein Kind des Grunge und höre immer noch mit Leidenschaft Nirvana, Pearl Jam und Soundgarden oder auch Chris Cornell solo...naja, oder gleich Metallica :wink:

Aber eben zu dieser Zeit kamen ja auch Silverchair, und ich muss wirklich sagen, was dieser Junge in dem Alter an Texten und Musik abgeliefert hat, Chapeau! Gerade Neon Ballroom ist wirklich extrem von seiner Depression geprägt, - so, wie er das ausdrücken kann, das ist schon fast unheimlich - und dann vor allem Diorama - ein echtes musikalisches Meisterwerk.

Rock on!
Inez
Ylaina

Beitrag von Ylaina »

Oh Gott, ja, "Black" von Pearl Jam ist wohl eines der emotionalsten Lieder des letzten Jahrhunderts, unglaublich schön. Persönliche Top "Ten" :wink: !

Dann muss ich wohl auch mal Silverchair anhören... :wink:
AmoebeMS

Beitrag von AmoebeMS »

Hey Inez,

ein Kult-Lied ist „Papercut“ von LP. Also ab in die Werkstatt und laut aufdrehen! Lyrics kann man sicher googln. Übersetzen kannst du ja, bist ja des Englischen mehr als mächtig, right?

Viel Spaß
AmoebeMS
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